Klimakultur

Der Wechsel zu einer ökologisch verantwortlichen Entwicklung ist im Kern eine kulturelle Aufgabe. Die TKI, die Tiroler Kulturinitiativen, veranstalten das Forum Klimakultur, um der Frage auf den Grund zu gehen, wie der Nachhaltigkeitsbegriff geöffnet werden kann, welche Rolle Kunst und Kultur dabei einnehmen kann, was Initiativen tun können und wie die kulturelle Revolution, die es für die ökologische Wende braucht, vielleicht doch noch gelingen kann.

Forum Klimakultur, TKI


Patrick Kwasi: Wann hat die TKI angefangen, sich mit Klima zu beschäftigen? Was gab den Impuls dazu?

Helene Schnitzer: 2013 gab es eine erste Kontaktaufnahme vom Klimabündnis Tirol. Damals hat das Klimabündnis versucht, den Begriff „Klimakultur“ nach dem Vorbild Oberösterreichs in Tirol zu etablieren. Da haben wir einen gemeinsamen Informationsabend veranstaltet, bei dem wir bestehende Initiativen vernetzen, aber auch sensibilisieren wollten und versucht haben, herauszufinden, wo es hingehen könnte. Das war leider noch nicht besonders nachhaltig. Im Nachhinein denke ich, es hatte auch damit zu tun, dass es beim Klimabündnis noch einen eher traditionellen Kulturbegriff gab. Zum anderen war die Schiene der Green Events stark im Vordergrund. Alexander Erler hat damals ein großes Festival geleitet, dass als Green Event Vorreiter gegolten hat. Wir hatten in Tirol aber eher die Erfahrung gemacht, dass Initiativen diese Hürde als zu hoch empfunden haben. Die Herangehensweise wirkte eher abschreckend, denn als einladend, sich tiefergehender mit dem Thema auseinanderzusetzen. 

Alexander Erler: Wir haben 2014 begonnen, das Wiesenrock Festival mit dem Klimabündnis Tirol zu einem Green Event umzusatteln. Da gab es eine Checkliste, die anfangs noch sehr umfangreich und unübersichtlich war. Davon haben wir uns zuerst einmal etwas erschlagen gefühlt. Das wurde im Laufe der Zeit viel nutzungsfreundlicher. Man hat diese Checkliste, die sich am technisch-organisatorischen abspielt, hakt die Kriterien ab. Das ist aber erst der Schuhlöffel. Man muss auf die Grundfrage zurückgehen, worauf man als Verein eigentlich abzielt. 
Das haben wir bei der TKI auch gemerkt: Einige Mitglieder hatten schon Green Events organisiert. Bei denen überwog aber das Gefühl, dass man eh schon am Rande des Möglichen arbeitet und nun mit immer neuen Anforderungen überschüttet wird. Wir haben uns dann gefragt, wie man das anders aufziehen könnte. Durch Zufall kamen wir auf das Buch von Hildegard Kurt und Bernd Wagner: „Kultur - Kunst - Nachhaltigkeit: Die Bedeutung von Kultur für das Leitbild Nachhaltige Entwicklung“. Das hat viele unserer Fragen beantwortet.

 


Kwasi: Was ist das Forum Klima Kultur und was hofft ihr damit zu erreichen?

Schnitzer: Ich hatte das Gefühl, dass die Sache mit den Green Events den Blick auf das große Ganze manchmal etwas verstellen. Wir haben uns dann dazu entschlossen, das Forum Klimakultur zu organisieren, um das Thema viel grundlegender aufzuspannen. Damit wollten wir auf die viel tiefere Dimension hinweisen. Denn letztendlich geht es um einen kulturellen Wandel, wie Hildegard Kurt erläutert. Die Debatte, die von naturwissenschaftlichen Diskursen dominiert ist, muss eine soziale und kulturelle Debatte werden. Das war unser Anliegen. Das ist auch auf fruchtbaren Boden gefallen! Aus der Veranstaltung ist dann eine bleibende Vernetzung entstanden, die sehr produktiv ist. 

Erler: Es war zwar nur eine kleine Runde, die sich dort im November 2018 eingefunden hat, aber das hat dennoch sehr gut funktioniert. Den Nachhaltigkeitsbegriff haben ja viele an sich gerissen, egal wie schwach das manchmal abgesichert war. So wurde viel an Glaubwürdigkeit zerstört. Heute reicht es nicht mehr Maschinen zu optimieren, CO2 aus der Luft zu saugen und lässige Cafétassen zu designen. Das gab es alles schon in den 80ern! Man darf sich der Illusion nicht mehr hingeben, dass es damit getan ist, hier und da ein wenig beim Auto oder dem täglichen Einkauf rumzudoktern. Wir müssen auf einen kulturellen Wandel hinarbeiten. 

 


Kwasi: Was meint sie damit?

Schnitzer: Beim Wandel geht es um einen kulturellen Wandel: Wir müssen unser Verhalten verändern, uns neuen Lebensentwürfen annähern. Der deutsche Sozialpsychologe Harald Welzer sagt, dass niemand seinen Lebensstil aufgrund einer CO2 Tabelle umstellen wird. Das ist viel zu unsexy und abstrakt. Und die Verzichtsperspektive muss umgedreht werden: Wir müssen sehen, was wir dadurch gewinnen, Perspektiven zu entwickeln, die zwar vom Bestehenden ausgehen, aber endlich den Schritt weitergehen und mögliche Szenarien entwerfen. Genau hier hat Kunst und Kultur ein großes Potential, nämlich kritische Fragen zu stellen und davon ausgehend Szenarien zu entwerfen, an denen man sich abarbeiten kann. 

Erler: Welzer plädiert auch für ein Gegennarrativ zum Kapitalismus. Der habe zwar Demokratie, Presse- und Meinungsfreiheit, Wohlstand und so weiter mit sich gebracht, aber die Frage muss nun lauten, wie man diesen Wohlstand erhalten kann, indem man von einer lebenszerstörenden zu einer lebenserhaltenden Lebensweise findet. Da hapert es noch stark. Hier kann Kunst und Kultur viel leichter als Politik oder Wirtschaft einfach mal etwas entwerfen oder experimentieren und kann zur Bildung kleiner sozialer Gruppen vor Ort etwas beitragen. 

Schnitzer: Genau! Der Sektor kann Gruppen bilden, die tatsächlich intervenieren und vor Ort Wandel anstoßen können. Beim Forum Klimakultur haben wir auch Best-Practice-Beispiele eingebracht, gezeigt, wo da neue Wege gegangen und Türen geöffnet werden. Wir sind auch von einem breiteren Kulturbegriff ausgegangen als von jenem, der Kunst und Kultur auf Repräsentation oder Ästhetik beschränkt. Da hat sich eine große Bandbreite gezeigt, von einem Wimmelbuch für Kinder von einer Welt ohne Erdöl, das eine gestalterische Ebene aufzeigt, bis hin zu sozialen Prozessen und Interaktionen, wie das die Künstlerinneninitiative in Südtirol praktiziert, die in direktem Kontakt mit Landwirten Veränderungen in der Landwirtschaft anstößt. 

 

Kwasi: Gibt es überhaupt geeignete Förderschienen, die sich dezidiert an Kulturinitiativen im Kontext von Umwelt richten?

Schnitzer: Was andere Förderstellen betrifft ist es bei dem Thema so, dass sich niemand so wirklich zuständig fühlt. Unserer Meinung braucht es in dem Feld neue Fördertöpfe, die auch Experimentierfelder eröffnen, die es erlauben länger an dem Thema dranzubleiben und in sich nachhaltig sind. Das ist unsere politische Forderung. 
Es gibt in Tirol eigentlich nur eine einzige kleine Förderschiene in der Abteilung Landesentwicklung und Zukunftsstrategie. Die Krux an der Sache ist, dass es sich als Impulsförderung versteht, als Anschubfinanzierung für kleine Projekte. Gleichzeitig sind die Anforderungen extrem hoch. Der Aufwand diese Schiene zu bedienen steht in keinem Verhältnis zu den ausgezahlten Fördersummen. Man kann Aufbauarbeit ohnehin nicht leisten, weil im nächsten Jahr keine weitere Förderung möglich ist. Das ist ein Ansatz für Nachhaltigkeit, der selbst nicht nachhaltig ist! Mal sehen ob unsere Kritik bei der Landesabteilung etwas bewirkt. 

Erler: In den Förderansätzen steckt die Hilflosigkeit der politischen Akteure. Das Schubladendenken muss da etwas überdacht werden und wir müssen gemeinsam Lösungsansätze erarbeiten. Da geht es auch um die allgemeine Frage, wie wir Zusammenleben wollen, wie wir uns demokratische Entscheidungsprozesse vorstellen und wie wir uns an utopisches Denken gewöhnen. 

 


Kwasi: Was meint Hildegart Kurt damit, dass Nachhaltigkeit ein Schließungsbegriff geworden ist und zu einem Öffnungsbegriff werden müsse?

Schnitzer: Es dürfen nicht alle beim Thema Nachhaltigkeit gleich die Rollos runterfahren, weil die Wirtschaft mit dem Begriff über Jahre versucht hat Profite zu generieren und Greenwashing zu betreiben. Ein großer Gewinn beim Forum Klimakultur war, dass sich eine sehr interdisziplinäre Gruppe geformt hat. Da sind Initiativen aus dem Kunst und Kulturbereich, wie die TKI oder die Tiroler Künstlerschaft, kleinere Initiativen, wie das Upcycling Studio Innsbruck, die sich mit sinnvoller Verwertung von Abfall beschäftigen, aber auch Menschen aus dem Journalismus oder große klimarelevante Organisationen, wie das Klimabündnis Tirol oder Tirol 2050. Das ist eine Gruppe, die von ihren unterschiedlichen Hintergründen, Erfahrungen und Methoden stark profitiert. 

Erler: Wir fokussieren uns nun auf die Werkzeuge Kunst und Kultur und die Frage, welchen Einfluss man nehmen kann. Das dient der Stärkung nach innen, aber auch den Verbindungen nach außen. Denn wir werden uns auch in andere Bereiche einmischen müssen, in Politik, Wirtschaft, Wissenschaft, Kirche, weil wir die Dinge gemeinsam angehen müssen. Da werden wir von anderen einfordern müssen, sich zu öffnen und einen neuen Blick, neue Perspektiven einzunehmen. Auf den ersten Blick kann man mit Klimaschutz keine Kohle machen, das wird die Privatwirtschaft also nicht interessieren. Da geht es in der Debatte immer nur um Technikentwicklung, 5G oder autonomes Fahren. Wir reden aber nicht darüber, wo wir damit überhaupt hinwollen damit. Warum denken wir nicht grundsätzlich über das Bedürfnis nach Mobilität nach und entökonomisieren die Debatte? Wir müssen wieder zum großen Ganzen zurückkehren.

 

 

Kwasi: Wie geht es bei euch damit konkret weiter?

Erler: Es gab im Mai eine Klausur der Arbeitsgruppe Klimakultur. Da ist eine Energie vorhanden, die Leute brennen dafür. Aber wir wollten aufpassen, dass wir uns nicht im Tagesgeschäft verlieren und uns mit operativen Dingen zudecken, sondern uns ein wenig Freiraum lassen, um zu überlegen, wo es hingehen soll. Es soll keine neue riesige Baustelle entstehen. Wir wollen damit eher überall die Zwischenräume füllen, uns dazu bringen, anders über die Dinge nachzudenken, den Blick zu schärfen, Dinge anders zu machen. 

Schnitzer: Was wahrscheinlich schon weitergehen wird, ist das Eventformat Forum Klimakultur, wie auch immer wir das dann füllen werden. Es hat sich abgezeichnet, dass es von der Trägerschaft der TKI auf die ganze Gruppe übergehen könnte, die dann gemeinsam die Inhalte einspeist. 

 

Kwasi: Nun ist das Thema Klimaschutz in aller Munde. Glaubt ihr, dass da nur ein momentaner Hype besteht oder wird da niemand mehr darum herumkommen, sich damit zu beschäftigen? Auch im Kulturbereich?

Erler: Das Thema ist schon von vielen Gruppen vereinnahmt worden, dann haben wir alle Stoffsäckchen gekauft und heute haben wir alle 30 davon zuhause. Manche Menschen hat das eher entfremdet, als zu Verbündeten gemacht. Da muss man wohl einen Weg finden, der mehr Menschen anspricht und inkludiert. Letztendlich geht es um die Frage nach dem guten Leben. Und das ist mit einem verschwenderischen Lebensstil zugunsten weniger und auf die Kosten vieler nicht zu bewerkstelligen. Wie können wir einen verträglichen Lebensstil finden, wo wir die Kosten auch nicht auf zukünftige Generationen abwälzen?

Schnitzer: Ich gehe davon aus, dass das Thema so brisant ist, dass wir uns damit beschäftigen müssen, auch Kunst und Kultur. Es ist die DNA des Sektors sich mit aktuellen Fragestellungen auseinanderzusetzen. Deshalb denke ich, das da noch viel mehr kommen wird. Das wird Mut brauchen und intelligente Lösungen. 

 

 

TKI, Forum Klimakultur, Helene Schnitzer, Alexander ErlerHelene Schnitzer ist Kunsthistorikerin und Kuratorin und seit 2000 Geschäftsführerin der TKI, der Tiroler Kulturinitiativen, der Landesorganisation der IG Kultur für Tirol, Mitglied der battlegroup for art und des Landeskulturbeirats für Kulturinitiativen.

Alexander Erler ist Kulturtreibender und Vermittler alternativer Kulturprojekte in Wattens, sowie Mitverantwortlich für das zehn Jahre lang ausgetragene Wiesenrock Festival. Bei der TKI beschäftigt er sich mit dem Arbeitsfeld Klimakultur.

 

Publikation zum Forum Klimakultur

 

Podcast zum Thema:

Foto: TKI

 

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