Wir sind schon da! Und jetzt? Die Illegalisierung von MigrantInnen und der Kampf um soziale Rechte in Deutschland
Es ist für die ArbeitgeberInnen häufig vorteilhaft, dass Frauen in einem Status ohne gültige Aufenthaltspapiere leben, bedeutet dieses doch, dass sie die zahlreichen Abgaben eines legalen Arbeitens wie Krankenversicherung, Pensionsversicherung oder Arbeitslosenversicherung nicht bezahlen müssen.
Heutzutage ist die Migration aus den so genannten „Entwicklungsländern“ in die „entwickelten Länder“ ein wichtiger Punkt auf den Agenden der Regierenden der Welt. Tausende Menschen, die in Ihren Herkunftsländern keine Aussicht auf ein Leben in Würde haben, müssen auswandern, getrieben von der Hoffnung auf eine Zukunft. Viele von ihnen hoffen auch, dass sie ihre Familien zuhause unterstützen können.
Der zunehmende Unterschied zwischen Reich und Arm in der Welt als Resultat der Globalisierung, die rasende Akkumulation von Kapital durch einige Wenige und die extreme Armut des Grossteiles der Weltbevölkerung zieht auch eine zunehmende globale Migration nach sich. Dieses ökonomische Ungleichgewicht wird von einer restriktiven Einwanderungspolitik in denjenigen Ländern, die Ziel der Migration sind, begleitet. Wie in vielen Ländern Europas lebt auch in Deutschland eine hohe Zahl von MigrantInnen, viele von ihnen ohne Papiere. Weil letztere in den offiziellen Statistiken nicht berücksichtigt werden, ist es schwer einzuschätzen, wie viele MigrantInnen es gibt.
MigrantInnen ohne Papiere sehen sich in diesem Land mit einem Arbeitsmarkt konfrontiert, der für die meisten nur Arbeit in privaten Haushalten bietet. Dabei stellen vor allem Frauen schnell fest, dass es auf Grund der ihnen zugeschriebenen Rolle mehr freie Stellen in der Hausarbeit gibt, als irgendwo sonst. Dazu gehören Arbeiten als Reinigungskraft genauso wie die Betreuung von Kindern oder die Pflege alter oder kranker Menschen.
Hausarbeit ist etwas Besonderes
Wie Julia Paz de la Torre, Mitglied der Organisation Mujeres de esta tierra e.V. es ausdrückt: „Hausarbeit ist etwas Besonderes, nicht nur, weil sie im Haus selber stattfindet, sondern weil sie eine der wichtigsten Tätigkeiten überhaupt ist. Die Betreuung der Kinder und die Pflege der kranken und alten Menschen ist eine der fundamentalsten Arbeiten unter allen menschlichen Arbeiten. Saubere Kleidung zu haben, in ordentlichen Häusern zu leben, von sauberem Geschirr zu essen, gibt uns unsere menschliche Würde.“ Und weiter: „Trotzdem wird die Hausarbeit als minderwertige Arbeit angesehen, weil sie angeblich schmutzig und den unqualifizierten Menschen vorbehalten ist. Sie wird nicht respektiert.“ (Übersetzung durch die Autorin)
Im Allgemeinen bieten diese Arbeitsverhältnisse jedoch keinerlei Sicherheiten für MigrantInnen. Tatsächlich ist es für die ArbeitgeberInnen häufig vorteilhaft, dass diese Frauen in einem Status ohne gültige Aufenthaltspapiere leben, bedeutet dieses doch, dass sie die zahlreichen Abgaben eines legalen Arbeitens wie Krankenversicherung, Pensionsversicherung oder Arbeitslosenversicherung nicht bezahlen müssen.
Es existieren viele Organisationen, in denen sich Deutsche und MigrantInnen gemeinsam politisch organisieren. Sie versuchen, die Arbeitsbedingungen zu verbessern und die MigrantInnen in rechtlichen Fragen zu unterstützen. Trotzdem sind die MigrantInnen auch weiterhin großer Unsicherheit und Verletzlichkeit ausgesetzt. Dennoch ist der Kampf um die Rechte der Frauen ohne Papiere nicht fruchtlos geblieben. Beispielsweise bieten einige Organisationen unentgeltlich und anonym Beratung in Fällen, in denen Frauen für ihre Arbeit nicht bezahlt werden, oder bei Arbeitsunfällen.
Medizinische Versorgung: selbstorganisiert und prekär
In Berlin existieren einige Organisationen, die versuchen, MigrantInnen ohne Papiere im Falle eines Unfalls oder einer Krankheit zu unterstützen. Es gibt einige ÄrztInnen, die sich entschieden haben, auch Menschen ohne Papiere ärztlich zu versorgen. Trotzdem sind die MigrantInnen immer auf das Entgegenkommen der ÄrztInnen angewiesen. Da die betreffenden Organisationen nur zu bestimmten Zeiten geöffnet sind, gibt es gerade in Notfällen häufig keine Möglichkeit, Hilfe zu erhalten. Auch können ÄrztInnen durch das deutsche Gesetz bestraft werden, wenn entdeckt wird, dass sie MigrantInnen ohne Papiere behandeln.
Unter gewissen Umständen könnte es günstig sein, wenn ein/e ArbeitgeberIn, der/die MigrantInnen in seinem/ihrem Haushalt beschäftigt, diesen Umstand bei einer Versicherung registriert. Im besten Fall hat diese Anmeldung keine Konsequenzen für ArbeitgeberInnen oder Angestellte, selbst wenn diese keine Papiere besitzen. Im Falle eines Unfalls ist die Haushaltshilfe automatisch versichert, und weder der Arzt bzw. die Ärztin – einen guten Wille vorausgesetzt – noch die Kasse hat einen Grund, die Behörde zu unterrichten. Auch ist es natürlich möglich, dass der/die ArbeitgeberIn im Fall eines Unfalls direkt im Krankenhaus für die Behandlung bezahlt. Alle diese Möglichkeiten sind jedoch wiederum vom guten Willen der ArbeitgeberInnen abhängig, die häufig gar kein Interesse daran haben, ihren Angestellten Sicherheit zu bieten.
Obwohl den MigrantInnen also durchaus einige (wenige) Möglichkeiten offen stehen, stellen die verschiedenen Organisationen fest, dass viele MigrantInnen die existierenden Angebote nicht nutzen, weil sie entweder fürchten, entdeckt zu werden, oder nicht genug darüber wissen. Ein weiteres Hindernis ist die Tatsache, dass viele MigrantInnen kein Deutsch sprechen und auf Grund dieser Einschränkung nicht verstehen, was ihnen passieren kann oder wie sie mit einem Arzt bzw. einer Ärztin im Krankenhaus reden müssen. Außerdem gibt es keine staatlichen Regelungen, die MigrantInnen in einer solchen Situation unterstützen und ihre Menschenrechte garantieren.
Pilot-Projekt in Berlin
Eines der Projekte, die versuchen die Chancen für in Deutschland lebende MigrantInnen ohne Papiere zu verbessern, ist das Projekt Berlin-Pilot. Hinter dem Projekt steht eine Gruppe von Frauen, die aus persönlicher Erfahrung oder Interesse für die Verbesserung der Arbeitsbedingungen von MigrantInnen kämpfen. Das aktuelle Projekt besteht darin, einen Stadtführer für Flüchtlinge und MigrantInnen zu schaffen. Das Anliegen des Projektes ist es, MigrantInnen mit oder ohne Papiere, die nach Berlin kommen, eine Möglichkeit zu bieten, sich über existierende Netzwerke in der Stadt zu informieren und in die Lage zu kommen, Probleme bestmöglich auf anonyme und kostenlose Weise zu lösen. Hierzu wird ein Online-Portal erstellt, welches sich den für MigrantInnen relevanten Themen widmet[1]. Den MigrantInnen soll so geholfen werden, ihre Probleme selbst zu lösen, ohne sich an andere Menschen wenden zu müssen und so die Ausweisung zu riskieren.
Der Kampf geht weiter!
Trotz aller Schwierigkeiten, muss der Kampf fortgesetzt werden. MigrantInnen, ob mit oder ohne Papiere, sind Menschen mit Menschenrechten, zu denen auch das Recht auf Gesundheit gehört. Keine Regierung darf dieses Recht verweigern. Wir sollten auch nicht vergessen, dass Migration eine Folge des herrschenden ökonomischen Systems ist, welches grausam, ungleich und ungerecht ist.
Die Realität in Berlin und in vielen europäischen Ländern ist, dass MigrantInnen speziell in Gesundheitsfragen vollkommen ungeschützt sind.
Ich möchte nicht vereinfachen, doch die Legalisierung der MigrantInnen ohne Papiere in Deutschland ist eine dringende Notwendigkeit. Sonst ist die Illegalität eine Realität, die nicht anerkannt und daher verdrängt wird. Um Probleme zu lösen, muss man sie zunächst benennen. Der Kampf geht weiter! La lucha sigue!
(1) Weitere Informationen unter www.berlin-pilot.org
Jehieli Fernandez Covarrubias hat Internationale Beziehungen an der Nationalen Autonomen Universität Mexikos (UNAM) studiert, mit der Spezialisierung auf Frauen- und Geschlechterforschung. Zur Zeit arbeitet sie im Projekt Berlin-Pilot.
Vielen Dank an Ulrike Hamann und Nele Kontzi für ihre Hilfe bei der Übersetzung und ihre konstruktiven Ratschläge.