Kulturarbeit für wen? Die Ergebnisse September 2021

Kulturarbeit für wen?
Wie gut kennt eine Kulturorganisation ihr Publikum? Weiß sie überhaupt, warum Menschen sie besuchen, was sie von den Vorstellungen erwarten, wie sie sich informieren und wo ihre Interessen sonst noch liegen?

Das Creative-Europe-Projekt ASSET (Audience Segmentation System in European Theatres) hat diese Frage in den Mittepunkt eines dreijährigen Forschungsprojekt gestellt. Über den österreichischen Projektpartner IG Kultur Österreich waren auch vier Wiener Theater (brut, Dschungel Wien, Schuberttheater und Werk X-Petersplatz) in die dreistufige Publikumsbefragung eingebunden. Damit wurden bewusst vier kleinere – mit der freien Szene kooperierende Wiener Theater zur Teilnahme ausgewählt, um Transfers der Erkenntnisse auch in diese Szene möglich zu machen.

Unter der wissenschaftlichen Leitung des auf Publikumsforschung spezialisierten Londoner Forschungsinstituts „The Audience Agency“ wurden die Publikumsbefragungen in 20 europäischen Theatern von Okt. 2018 bis Frühjahr 2021 durchgeführt. Trotz zweimaliger (coronabedingter) Unterbrechung standen am Ende über 10.000 ausgefüllte Fragebögen für die Auswertung zur Verfügung.

Die von der Audience Agency angewandte Methode der „Audience Segmentation“ bezeichnet dabei einen Ansatz, in dem die Gäste einer Einrichtung anhand von Erwartungshaltungen, Erfahrungen, Charakteristika, kulturellen Vorlieben und Einstellungen in homogene Untergruppen („Segments“) unterteilt werden. Jedes der teilnehmenden Theater spricht mehrere diese Segmente in verschiedenen Größenverhältnissen an.
Das Wissen über die Zusammensetzung seines Publikums erlaubt nun, diese Einteilungen für weiterführende Kommunikationsprozesse zu nutzen.
Ein Beispiel: Wenn die Analyse der Befragung ergibt, dass ein Großteil des Publikums einer Einrichtung dem Segment „Talent Spotters/Talentesucher“ zuzuordnen ist, die ihre Motivation zum Kulturbesuch zum Großteil aus Mundpropaganda beziehen und kaum die home-pages der Einrichtungen nutzen, kann dies eine wichtige Hilfe bei der Auswahl der Kommunikationsmittel mit diesen Besucher*innen sein.

Aus den Ergebnissen der Umfragen kristallisierten sich neun Segmenttypen heraus, die von den „Classicists“, den Fans des Klassischen und Etablierten, über „Mainstreamers“, die sich allgemein in den kulturellen Hauptströmungen bewegen  „Explorers“, die Neues suchen und sich dabei auch gern einmal was auf „Gut Glück“ anschauen, bis hin zu den „Cultural Grazers“ reichen, den sehr offenen Besucher*innen ohne Präferenz, die auf der „kulturellen Weide grasen“ und einmal dort und einmal da eine „Büschel Kultur“ ausrupfen.
Für jede dieser Gruppen wurde ein Profil erstellt, warum sie kommen, welche Kommunikation sie bevorzugen, welche andere Einrichtungen sie besuchen, wie sie auf die Produktion aufmerksam wurden, etc.

Wie geht’s weiter?
Die Ergebnisse werden derzeit in den Bundesländern präsentiert. Sie sind nicht nur für Theater aller Größenordnungen interessant, sondern öffnen auch Kulturorganisationen aller Genres neue Sichtweisen auf ihr Publikum und regen zu weiteren Auseinandersetzungen damit an.
Aus diesem Grund richten sich diese Präsentationen an Theater genauso wie an Kulturinitiativen, Kulturvereine sowie an Akteur*innen aus Kunst, Kultur, Verwaltung und Politik.
Präsentationsanfragen bitte an @email

Für alle, die sich aufgrund dieser Ergebnisse selbst Gedanken darüber machen wollen, für wen sie ihre Kulturarbeit gestalten und ob sie dieses Publikum überhaupt erreichen:

Der Fragebogen für die Untersuchung steht kostenfrei zur Verfügung, ist bei den „Downloads“ als pdf abrufbar und kann als Grundlage für eigene Untersuchungen verwendet werden.
Es besteht die Möglichkeit, eine eigene Befragung mit Hilfe der „Audience Agency“ auswerten zu lassen. Die Betreuung beinhaltet die Auswertung der Ergebnisse, die Segmentierung sowie Beratungsgespräche mit den Expert*innen in London. Anfragen bitte an @email