Biometrie und epistemische Gewalt. Ein kleiner Versuch über die Polizei

„Das Unsichtbare sehen“ aber bedeutet einen Blick einzurichten, der auf der Oberfläche der Erscheinungen etwas zu „lesen“ weiß, was diese Erscheinungen nicht unmittelbar preisgeben und zwar, um ein spezifisches Wissen zu konstruieren, das es vermeidet, von jenen, die sich wirkungsvoll tarnen mögen, getäuscht zu werden.

Die Frage der epistemischen Gewalt ausgerechnet anhand einer Analyse der Polizeitätigkeit aufzurollen, mag auf den ersten Blick seltsam anmuten. Schließlich zielt der Begriff der epistemischen Gewalt auf spezifische Konfigurationen von „Erkenntnis“, die dazu angetan sind, gewaltförmige Verhältnisse oder Handlungen zu begründen, zu legitimieren oder jedenfalls unterstützend zu begleiten. Mag sich eine unter diesen Vorzeichen geführte Auseinandersetzung auf die Polizeifunktion bzw. das Polizeiinstitut im Allgemeineren noch ohne größere Schwierigkeiten anwenden lassen, so gelangt die eigentliche Tätigkeit der Polizei zumeist sehr viel eher im Zusammenhang mit „brachialeren“ Formen der Gewalt, etwa der Ausübung physischer Gewalt, in den kritischen Blick.

Entsprechend hat sich die früh einsetzende bürgerliche Kritik an der Polizei zumeist an der „Unverhältnismäßigkeit“ des Polizeihandelns, d. h. an einem Überschuss an Gewalt, orientiert, ohne im Übrigen die (über das staatliche Gewaltmonopol legitimierten) polizeilichen Exekutivbefugnisse als solche anzufechten. Sozialrevolutionär gestimmte Kritiken wiederum haben eine solche Anfechtung sehr wohl vollzogen und vor allem den Repressionscharakter der Polizei hervorgehoben, in deren Handeln der letzte, physische Ausdruck einer allgemeineren Gewaltförmigkeit kapitalistischer Herrschaftsordnungen gesehen wurde.

Nichtsdestoweniger ist seit einiger Zeit, u. a. mit den Namen Michel Foucaults und Jacques Rancières verknüpft, eine gewisse epistemische Funktion der Polizei verstärkt in den Blick gerückt: Bei Foucault, dessen Analysen sich insbesondere auf das 17. und 18. Jahrhundert und die so genannte „Policey-Wissenschaft“ beziehen, steht dabei die spezifische Wissensproduktion einer polizeilichen Vernunft im Vordergrund, deren Handlungsorientierungen auf die umfassende Regierung und Regulierung der menschlichen Lebensverhältnisse im Staat abzielen. Rancière wiederum erblickt unter dem Namen „Polizei“ nichts Geringeres als das Prinzip einer „Gestaltung des Sinnlichen“, die eine „Ordnung der Körper“ sowie eine „Ordnung des Sichtbaren und des Sagbaren“ hervorbringt, welche den gesamten Bereich dessen abdecken sollen, was üblicherweise als „Politik“ bezeichnet wird.

Auffällig an den Entwürfen Foucaults und Rancières ist, dass in ihnen das Interesse an dem, was heute zumeist unter „Polizei“ verstanden wird (nämlich, um den historischen Begriff zu gebrauchen: die so genannte basse police, die „niedrige Polizei“), zugunsten eines breiteren Polizeibegriffs in den Hintergrund tritt, der seine Verankerung im weiten Feld der Regierungstechniken bzw. einer Art Politikadministration findet. Gerade an Rancière zeigen sich jedoch auch die Probleme, die sich an allzu große Theoriewürfe knüpfen können: Der Name „Polizei“ erscheint hier als dermaßen weit ausgedehnt und letztlich enthistorisiert, dass historisch spezifische Analysen polizeilicher Handlungs- und Wissensproduktion darüber zu mehr oder weniger beliebigen case studies eines allgemeinen Prinzips geraten.

Ich möchte demgegenüber in den folgenden Überlegungen eine Perspektive entwerfen, die das „niedrige“ Polizeihandeln sowie seine Verortung in einem historisch-konkreten Komplex von Wissens-, Politik- und Justiztechniken beständig im Blick behält. In dieser Perspektive werde ich mich vor allem auf die Entwicklung biometrischer Methoden zur Personenidentifikation – genauer: der Daktyloskopie, also der auf Fingerabdrücken basierenden Identifikation – beziehen. Und im Zuge dessen werde ich zugleich an einer Kategorie rühren, die mit Rancières Bestimmung der Polizei als einer „Gestaltung des Sinnlichen“ nur unzureichend aufzuhellen ist: die Kategorie des Unsichtbaren, die sowohl für einen Handlungsmodus als auch für eine spezifische „epistemische Eroberung“ jenes Rationalitätstyps steht, den die moderne Polizei insbesondere seit dem 19. Jahrhundert entfaltet.

Das Unsichtbare im Sinne eines Operationsmodus der Polizei („unsichtbar handeln“) gelangt in der polizeispezifischen Literatur früh zu einer bezeichnenden Formulierung. Bereits 1721, ein knappes halbes Jahrhundert nach der Einrichtung des modernen Polizeiinstituts 1667 in Paris, konnte Bernard Le Bovier de Fontenelle anlässlich einer Gedenkrede auf Marc René d’Argenson (den soeben verstorbenen Lieutenant Général de Police von Paris) die spezifische Funktion der Polizei innerhalb des sozialen Lebens darin erblicken, dass sie „überall gegenwärtig [war], ohne gesehen zu werden“ und es dergestalt erlaubte, „eine immense und tumultuarische Menge nach Gutdünken zu bewegen und anzuhalten“. Dieses unsichtbare Einwirken der Polizei auf die Menge führte Fontenelle dazu, ihre Funktion als gleichsam organische zu begreifen und sie mit jener der „stets aktiven und fast unbekannten Seele“ hinsichtlich des von ihr animierten Körpers zu vergleichen: jenes multitudinären Corpus, das die BewohnerInnen der Stadt bildeten.

Wichtiger für unseren Zusammenhang ist indessen eine zweite Bedeutung der Kategorie des Unsichtbaren, die sich diesmal weniger auf eine Handlungsbestimmung bezieht als vielmehr auf ein spezifisches Erkenntnisinteresse, das die Polizei entfalten sollte: Im Jahr 1898, wiederum in Paris, erklärte der Kriminologe und Polizeipräfekt Alphonse Bertillon, die „ideale Polizei“ müsse imstande sein, „das Unsichtbare zu sehen“. Bertillons Aussage, einem Aufsatz über graphologische Identifikation entnommen (die nur einen vergleichsweise geringen Teil der v. a. auf Körpervermessungen fokussierten Identifikationsinteressen Bertillons darstellte), markiert einen wichtigen Schritt in der Entwicklung der Polizeiarbeit im 19. Jahrhundert: Unsichtbar handeln bildet nicht länger eine zureichende Beschreibung der Natur der Polizeiarbeit; nunmehr muss die Polizei lernen, wie sie das Unsichtbare sehen kann.

„Das Unsichtbare sehen“ aber bedeutet, wie zu zeigen sein wird, einen Blick einzurichten, der auf der Oberfläche der Erscheinungen etwas zu „lesen“ weiß, was diese Erscheinungen nicht unmittelbar preisgeben und zwar, um ein spezifisches Wissen zu konstruieren, das es vermeidet, von jenen, die sich wirkungsvoll tarnen mögen, getäuscht zu werden. Diese Verschiebung von einem unsichtbaren Handeln hin zur Fähigkeit, das Unsichtbare zu sehen, indem das Sichtbare einer mikrologischen Lektüre unterzogen wird, stellt einen der entscheidenden Aspekte in der Entwicklung biometrischer Techniken polizeilicher Identifikation dar. An ihr zeigt sich deutlich, in welchem Ausmaß sich die praktische Funktionsbestimmung der Polizeiarbeit historisch mit epistemischen Fragen verflicht, die die Konstruktion von so etwas wie einem spezifischen Polizeiwissen
betreffen.

Das Interesse an neuen polizeilichen Identifikationstechniken verweist zunächst sicherlich auf den Kontext der Industrialisierung, sowie der im 19. Jahrhundert rasch anwachsenden urbanen Metropolen. Mit der (nicht zuletzt durch Migrationsbewegungen bewirkten) Zunahme von Bevölkerungszahl und -dichte und der damit einhergehenden Anonymisierung sozialer Milieus verlor ein Justizsystem an Bedeutung, das sich, wo es um die möglichst einwandfreie Identifikation von Personen ging, auf ein informelles Netz von Bekanntschaftsbeziehungen verlassen hatte. Ein bei Walter Benjamin zitierter Pariser Geheimagent beschrieb bereits 1798, was zunehmend als Problem dargestellt wurde: „Es ist fast unmöglich […], gute Lebensart in einer dicht massierten Bevölkerung aufrechtzuerhalten, wo jeder einzelne allen andern sozusagen unbekannt ist und daher vor niemandem zu erröten braucht.“ Die Masse selbst erscheint hier, so kommentiert Benjamin, „als das Asyl, das den Asozialen vor seinen Verfolgern schützt“.

Hinzu kommt, dass sich neben der physischen auch die soziale Mobilität beschleunigt. Die – durch die Industrialisierung sowie die Entwicklung der bürgerlichen Gesellschaft im Allgemeineren hervorgerufene – Dynamisierung sozialer Zugehörigkeiten drückt sich, mit einem Wort von Agamben, in einer „Spaltung zwischen dem Individuum und seiner sozialen Figur“ aus – einer Spaltung, die die „Lesbarkeit“ des Individuums auf der Grundlage seiner sozialen Verortung einschränkt und irritiert. Diese Spaltung spiegelt sich nicht zuletzt auch in einer Reihe von Aufsehen erregenden Kriminalfällen sowie in publizierten Fotoalben, die Porträts von Kriminellen zeigen wider. Nicht Mord und Totschlag bestimmen das Bild, sondern Betrug, Erbschleicherei, Urkunden- und Geldfälscherei – Verbrechen, die Simon A. Cole als „Verbrechen der Identität“ bzw. „Verbrechen der Mobilität“ zusammenfasst: Der „typische“ Verbrecher taucht aus einem anonymen sozialen Milieu auf, betrügt, verschwindet und taucht erneut auf, in einer anderen Stadt und mit einer neuen Identität. Mobilität selbst erfährt vor diesem Hintergrund eine zunehmende Kriminalisierung.

Ein besonders bizarres Beispiel für die wachsende Kriminalisierung der Mobilität, insbesondere bestimmter Bevölkerungsgruppen, findet sich im zweiten Kontext, der für die Entwicklung der Daktyloskopie zentral ist, nämlich jenem der Ausgestaltung kolonialer Verwaltungssysteme in Britisch-Indien. 1871 wurde dort der so genannte Criminal Tribes Act verabschiedet, der die „Erfassung, Überwachung und Kontrolle von bestimmten kriminellen Stämmen“ zum Gegenstand hatte. Der Begriff „criminal tribe“ bezog sich auf nomadisierende Gruppen, deren Angehörige von den Briten aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu unter Verdacht gestellten Kasten als „Erbkriminelle“ betrachtet wurden. Der Criminal Tribes Act schränkte die Bewegung dieser Gruppen radikal ein,
indem er ihre Angehörigen unter Androhung von Gefängnisstrafen dazu verpflichtete, sich regelmäßig bei lokalen Beamten zu melden und für jede Ortsveränderung Pässe ausstellen zu lassen.


Ebenfalls in Britisch-Indien finden wir auch das erste Beispiel für den Einsatz von Fingerabdrücken zu verwaltungstechnischen Zwecken: Seit den 1850er Jahren hatte der Kolonialbeamte Sir William Herschel in Bengalen mit Hand- und später mit Fingerabdrücken experimentiert und das Verfahren zunächst zu zivilen Zwecken angewandt, wie etwa bei Vertragsabschlüssen mit indischen Partnern, die als „verschlagen“ und „betrügerisch“ galten und daher einer effizienteren Kontrolle unterworfen werden sollten. In den 1870ern begann Herschel damit, die Fingerabdrücke von Gefangenen zu registrieren und schlug schließlich 1877 die Ausweitung des Verfahrens auf ganz Britisch-Indien vor – etwa dreißig Jahre nur, bevor die neue Identifikationstechnik fast weltweit Verbreitung fand.

Die Idee von der Einzigartigkeit der Linien der menschlichen Fingerkuppen war zuerst 1823 von dem tschechischen Mediziner Jan Evangelista Purkyne ausformuliert worden. Purkyne hatte in Prag Philosophie studiert und entwickelte
später, unter Aufnahme der Philosophie Leibniz’, den Gedanken, dass das Individuum, bis in seine unscheinbarsten Eigenschaften hinein, Züge seiner unverwechselbaren Identität zeige, dass sich im Ausgang von einem inneren „Typus“, der unabhängig von allen Zufällen und äußeren Einflüssen Bestand hat, „die verborgene Kenntnis der individuellen Natur“ erschließen lasse. Als Kennzeichen dieser Identität analysierte er die Linien der Fingerkuppen und entwickelte ein System, das ihre Klassifikation ermöglichen sollte.

Wir sollten uns die Implikationen dieser Überzeugung vor Augen führen: Während es präzise gesagt die Unmöglichkeit war, das Individuum auf der Grundlage seiner sozialen Kennzeichen länger zu „lesen“, die das Problem des europäischen 19. Jahrhunderts darstellte und ein eminentes Interesse an neuen Identifikationstechniken hervorrief, ist für Purkyne das Individuum aufgrund seines „inneren Typus“ als solches lesbar. Das Individuum kann also in eine allgemeine Ordnung der Differenzen eingeschrieben werden, die seine Lesbarkeit als Individuum verbürgt. Diese Ordnung aber ist gerade keine Ordnung sozialer Differenzen, sondern eine Ordnung, die sich sozusagen unmittelbar auf die Individualität des Individuums bezieht, dieses also im wahrsten Sinn des Wortes als a-soziales erfasst.

So aufschlussreich Purkynes Arbeit für das Verständnis des epistemischen Modells ist, das biometrischen Identifikationstechniken insgesamt zugrunde liegt, so wirkungsarm blieb sie hinsichtlich der historischen Entwicklung des Fingerprinting als polizeilicher Ermittlungstechnik. Erst Francis Galton, Neffe Charles Darwins, der mit seinem 1892 veröffentlichten Buch Finger Prints der Daktyloskopie zu einem ersten Standardwerk und in weiterer Folge zum Durchbruch verhilft, nimmt mehrfach auf Purkynes Arbeiten Bezug. Er ist jedoch weniger mit der Diskussion ihrer epistemologischen Implikationen als vielmehr mit der Prüfung ihrer praktischen Brauchbarkeit beschäftigt sowie damit – ebenso
hartnäckig wie erfolglos – „rassetypische“ Unterschiede an Fingerabdrücken ablesen zu wollen.

Um die Machtbeziehungen zu verstehen, in die die spezifische „Wahrheitsproduktion“ der Daktyloskopie eingebettet ist, sollten wir indessen zuletzt noch einen Blick auf einige wichtige Transformationen innerhalb des europäischen Justizsystems werfen. Michel Foucault verdanken wir eine Analyse des Zusammenhangs der Entwicklung neuer Expertisetechniken mit gravierenden Veränderungen in der Strafjustiz selbst. Während bis zum späten 18. Jahrhundert in Frankreich eine, wie Foucault es nennt, „Arithmetik des Schuldbeweises“ in Verwendung war, die den Beweis (und mit ihm das Schuld- und Strafmaß) aus „Teilbeweisen“ zusammenzusetzen erlaubte, führte vor allem der Druck der Aufklärer dazu, dass diese Arithmetik vom Prinzip der conviction intime, der „inneren Überzeugung“ des Richters abgelöst wurde, die über die „volle“ Schuld oder Unschuld eines/r Angeklagten entschied.

Diese Überzeugung des Richters konnte sich indes auf die Überzeugung von Experten, z. B. forensischen Psychiatern, stützen, die ihre Gutachten zu einem bestimmten Fall vorlegten. Das Prinzip der conviction intime geht somit einher mit einer allgemeineren Neuordnung der Beziehungen zwischen Rechtssprechung und dem Wahrheitswert wissenschaftlicher Expertisen. Einen der entscheidenden Übergänge, die die psychiatrische Expertise in diesen Beziehungen bewirkt, bildet die Verlagerung des Verhandlungsgegenstands „von der Tat auf das Verhalten, vom Delikt auf die Seinsweise“ des angeklagten Individuums. Und diese Verlagerung läuft, so Foucault, letztlich darauf hinaus, zu zeigen, „wie das Individuum seinem Verbrechen schon geähnelt hat, bevor es dieses begangen hat“.

Als zentrale Figur, an der diese Verlagerung im 19. Jahrhundert allgemein greifbar wird und die zugleich im Mittelpunkt des polizeilichen Interesses an Identifikationsverfahren steht, lässt sich in unserem Zusammenhang jene des récidiviste, des Wiederholungstäters und Gewohnheitskriminellen, bestimmen. Wichtiger noch sind hier jedoch zwei Aspekte, die spezifisch mit der Etablierung biometrischer Identifikationstechniken einhergehen: Zum einen macht die angesprochene Verlagerung im Falle der Daktyloskopie bei der Seinsweise des Individuums nicht Halt, sondern führt auf dessen nackte Individualität als solche – und zwar in einer Weise bzw. aufgrund eines Verfahrens, das für sich gesehen im Grunde keinerlei Aussagen mehr über die „Seinsweise“ zulässt. Zum anderen verlagert sich aber auch der „Ort“ der Expertise: Der Experte in Sachen Fingerprinting gehört letztlich nicht mehr keiner – gegenüber dem Justizapparat gänzlich externen – Autorität der Wahrheitsproduktion an; er ist vielmehr unmittelbar Teil der Polizei, sein spezifisches Wissen siedelt sich somit an eben jener Schnittstelle an, an der sich Polizeitätigkeit und die Umsetzung der Rechtsordnung durch die judizielle Tätigkeit berühren.

Allein schon dieser letzte Aspekt verdeutlicht die Aufgabe, nicht nur die Auswirkungen des biometrischen Wissens auf die Formierung moderner Gesellschaften genauer zu untersuchen, sondern auch die gegenwärtigen Ausdehnungen des Gebrauchs biometrischer Techniken grundlegend in Frage zu stellen. Denn die „unsichtbare Sichtbarkeit“, als konstitutiver Bestandteil modernen Polizeiwissens, geht mit einem spezifischen Typ der Einschreibung von Individuen (bzw. bestimmten Gruppen von Individuen) in den Justizapparat einher: einer Einschreibung, die in letzter Konsequenz beinahe vollständig der Polizei anvertraut ist. Und diese Form der Einschreibung bedeutet nicht notwendig, dass Menschen vor Gericht geladen werden, wo sie zumindest dem Grundsatz nach ihre Rechte auch verteidigen können – wie beispielsweise am Eurodac-Programm der EU zu sehen ist, das zum Zweck der Kontrolle von AsylwerberInnen und undokumentierten MigrantInnen eingerichtet wurde und der Umsetzung des Dubliner Übereinkommens dienen soll, welches den schieren Zugang zu Asylverfahren drastisch einschränkt. Sie kann auch das genaue Gegenteil bedeuten, nämlich: dass diese Menschen von Gerichten ferngehalten und auf diese Weise der Möglichkeiten, ihre Rechte zu verteidigen oder einzufordern, gerade beraubt werden.

 

Teile des vorliegenden Textes bilden Überarbeitungen der folgenden beiden Veröffentlichungen des Verfassers:
Der erfasste Körper. Gewalt und biometrische Identifikation, in: H. MAYE/H. R. SEPP (2005):
Phänomenologie und Gewalt. Würzburg, S. 214–231;
Invisibly Seeing the Invisible.
A Biometrical Paradigm, <a href="http://www.world-information.org/wio/readme/992006886/">world-information</a>

Dort finden sich auch Hinweise zum Großteil der für den vorliegenden Artikel relevanten Literatur.

Stefan Nowotny ist Philosoph und lebt in Wien