Creative Industries als diskursives Konstrukt
Sie sind in aller Munde. Von Finnland bis Griechenland, von Großbritannien bis Polen. Sie sollen Arbeitsplätze schaffen, städtische Problemgebiete aufwerten, den Staat entlasten, KünstlerInnen Reichtum bringen. Die Quadratur des Kreises scheint gelungen; die öffentlichen Ausgaben für die Kunst sinken, während sich die Kunst zu neuen Höhepunkten aufschwingt.
Sie sind in aller Munde. Von Finnland bis Griechenland, von Großbritannien bis Polen. Sie sollen Arbeitsplätze schaffen, städtische Problemgebiete aufwerten, den Staat entlasten, KünstlerInnen Reichtum bringen. Die Quadratur des Kreises scheint gelungen; die öffentlichen Ausgaben für die Kunst sinken, während sich die Kunst zu neuen Höhepunkten aufschwingt. Doch was genau ist denn nun diese eierlegende Wollmilchsau, genannt Creative oder Cultural Industries?
Keine ganz einfach zu beantwortende Frage.
Die Regierung Großbritanniens, des Landes also, das allgemein als Heimatland des Begriffes wie auch der zugehörigen Aktivitäten angesehen wird, versteht die Creative Industries als ein Überbegriff für viele einigermaßen kreativen Betätigungen: „Creative Industries“ sind demnach „those industries which have their origin in individual creativity, skill and talent and which have a potential for wealth and job creation through the generation and exploitation of intellectual property”. Und da eine solche Definition etwas weit gegriffen wäre, wird vorsichtshalber aufgezählt, was nun wirklich alles in diese Kategorie gehört: “advertising, architecture, the art and antiques market, crafts, design, designer fashion, film and video, interactive leisure software, music, the performing arts, publishing, software and computer services, television and radio.”
Eine verschobene Sichtweise nimmt der Begriff der „Content Industry“ ein; hier wird Kultur als Schaffung von Inhalten verstanden.
In Österreich scheint sich eine Definition durchzusetzen, die unter den Creative Industries kreative Tätigkeiten (größtenteils aus dem Bereich der angewandten Kunst) versteht, die zumindest mittelfristig wirtschaftlichen Erfolg haben. Dabei wird ein Graben zwischen „SubventionsempfängerInnen“ und wirtschaftlich Erfolgreichen aufgerissen, der suggeriert, dass erstere keine entsprechende Gegenleistung für ihre Einnahmen erbringen. Mit anderen Worten: Wenn es für Private sinnvoll ist (Kultur-)Produkte zu erwerben, warum dann nicht auch für den Staat?
Weitere definitorische Annäherungen lassen sich aus den Kontexten gewinnen, innerhalb derer der Begriff der CI verwendet wird. Im Bereich der Stadtentwicklung etwa setzt man große Hoffnungen auf Creative Industries bei der Aufwertung heruntergekommener Industriebauten. Im Bereich der Neuen und neuesten Medien hingegen werden die CI fast als Synonym für die durch zahlreiche Bankrotte in Verruf geratene New Economy verwendet.
Dass hier offensichtlich ein und derselbe Begriff so viele unterschiedliche Dinge bezeichnet, sollte uns wohl von vorneherein misstrauisch machen. – Oder vielleicht sollte das Misstrauen sogar noch einen Schritt früher einsetzen, dann nämlich, wenn eine so unklare und zugleich ausschließlich positiv besetzte Qualität wie „Kreativität“ ins Rennen geführt wird. Jedenfalls erscheint der heuristische Mehrwert eines so vagen Konzeptes zweifelhaft. Es drängt sich der Eindruck auf, dass die Erfindung der CI in Wirklichkeit Folge eines Missverständnisses ist: Nur weil zahlreiche Bereiche der Ökonomie heutzutage weniger von handfesten Produktionsmitteln als von nicht-manifesten Faktoren bestimmt werden und weil andererseits Teile von Kunst und Kultur sich vermehrt kommerziellen Nutzungen aufgeschlossen zeigen, muss es noch lange nicht Sinn machen, von einem neuen, ökonomischen und/oder kulturellen Sektor zu sprechen.
Doch erscheint es unwahrscheinlich, dass dieses Missverständnis zufällig ist – brauchbare wie auch unbrauchbare Definitionen sind üblicherweise Ausfluss der Absichten von AkteurInnen. Dies lässt sich am Beispiel der CI gut verdeutlichen: Für PolitikerInnen rechtfertigen die CI den Rückzug öffentlicher Gelder mit dem Hinweis auf den „freien“ Markt, welcher aus der heutigen, aufgeklärten, Sicht als einziger imstande ist, gut und böse an Erfolges Scheide zu unterscheiden. Ein weiteres Merkmal der besonderen Attraktivität dieses Konzepts für KulturpolitikerInnen im Speziellen ist der Umstand, dass der Bereich „Kunst und Kultur“ vergrößert wird und damit die Bedeutung des/der jeweils zuständigen Politikers/Politikerin steigt (wobei gleichzeitig auch ihre/seine Popularität steigt, da sie/er die unpopulär gewordenen „Quersubventionierungen“ von „Elitenkunst“ sparen kann). Wenn nun eine Studie besagt, dass in der österreichischen Musikindustrie mehr Personen arbeiten und eine höhere Wertschöpfung erzielen, als z.B. in der Papier- oder Textilindustrie, so ist dies verlockend.
Kunstschaffende ihrerseits stehen diesem Schlagwort auch nicht immer ablehnend gegenüber: Vor dem Hintergrund eines öffentlichen Fördersystems, das unter Intransparenz und Beamtenwillkür leidet, ist es mindestens genauso verlockend, die Rolle des/der Bittstellenden zu verlassen und sich auf der vielversprechenden Seite der Privatwirtschaft zu verorten. Darüber hinaus fallen viele – vor allem junge Kunstschaffende – aufgrund der Art und Weise, wie sie ihre künstlerische Arbeit finanzieren, automatisch unter die Kategorie der „Cultural Entrepreneurs“. Die McJobs aus der Ausbildungszeit werden weitergeführt, um eine (kontinuierliche) künstlerische Arbeit zu finanzieren. Oft genug befinden sich diese McJobs im Dunstkreis der Creative Industries, sind Beschäftigungen im Bereich der Neuen Medien, Werbung etc. Allerdings sind es wohl gerade diese aufstrebenden Teile der CI, die in ihrer zweitberuflichen Existenz als KünstlerInnen durch diesen Hype besonders gefährdet sind – zumindest dann, wenn das Konzept der CI für PolitikerInnen in erster Linie eine Legitimation zur Einsparung im Kulturbereich bedeutet.
Dies allerdings muss nicht unbedingt sein, wie Beispiele etwa aus Großbritannien und Finnland zeigen. Im Zusammenhang der Stadtplanung in verschiedenen britischen Städten bedeutet die Begrifflichkeit der CI auch, dass Kunst und Kultur an denselben Maßstäben gemessen werden wie andere Klein- und Mittelbetriebe, also etwa an ihrem Arbeitsplatzpotenzial für benachteiligte Bevölkerungsgruppen. Daraus ergibt sich zumindest für manche KünstlerInnen die Möglichkeit, öffentliche Gelder zu lukrieren, ohne im künstlerischen Bereich auf die Wünsche der Financiers Rücksicht nehmen zu müssen. Und wenn Kunst und Kultur einen Beitrag zur Stadtentwicklung leisten können, ist dagegen auch kaum etwas einzuwenden. – Damit sie diesen Beitrag zu leisten imstande sind, werden die aufstrebenden CI in Großbritannien auch durchaus von der öffentlichen Hand unterstützt – allerdings nicht durch klassische Subventionen: Vermittlungsplattformen, wie die Creative Industries Development Agency (CIDA) und andere öffentlich geförderte Organisationen bieten ein breites Spektrum an Dienstleistungen an, wie sie zu einer Unternehmensgründung nötig sind: Rechtsberatung, Weiterbildung bis hin zur Vermittlung finanzieller Starthilfe. Auch über die Konzeptualisierung der begehrten „Cultural Districts“ wird öffentlich finanziert nachgedacht.
Im nordeuropäischen Konzept der CI andererseits steht weniger die Beziehung zwischen Kulturpolitik und Kunst im Mittelpunkt als die zwischen den Wirtschaftstreibenden und den KünstlerInnen. Angefangen von der belgischen Modeszene bis hin zum finnischen Industriedesign reicht eine Serie von Beispielen geglückter Partnerschaften zwischen (regionalen und internationalen) Unternehmen und den sogenannten „Kreativen“.
In Österreich hingegen wird das Konzept der CI zumindest von Regierungsseite her wesentlich als Drohgebärde gegen KünstlerInnen verwendet: Kunstschaffende müssen lernen, sich den Regeln der Marktwirtschaft anzupassen, die Sprache des Marktes zu sprechen. Marketingseminare und andere Lehrgänge, in denen KünstlerInnen um schweres Geld lernen sollen, die Spielregeln des Marktes zu verstehen, boomen hierzulande wie anderswo die Creative Industries. Mit den Zurufen an die Kunstschaffenden erschöpft sich das politische Engagement zugunsten der CI auch schon; vergleichbare Aufforderungen (gekoppelt mit z.B. Anreizsystemen) an die Privatwirtschaft, hier mehr innovativen Mut zu zeigen bleiben aus. Ganz zu schweigen von der Einrichtung von Vermittlungsplattformen oder anderen strukturellen Unterstützungen.
Doch auch die Äußerungen der Oppositionsparteien zu dieser Frage erscheinen zumindest ambivalent. „Wenn man sich als Kulturnation nicht darauf versteht, zeitgenössisches Schaffen zu fördern, dann werden Zukunftschancen auch im wirtschaftspolitischen Bereich geschmälert.“, heißt es etwa in einem aktuellen Statement der Grünen. Was genau soll das bedeuten? Geht es darum, die Bedeutung von Kunst und Kultur für das Gedeihen jeder Gesellschaft und ihrer Wirtschaftskraft herauszustreichen? Oder findet sich hier nicht doch auch implizit die Gleichung, „Nur wirtschaftlich verwertbare Kunst ist auch gute Kunst.“?
Wahrscheinlich ist das alles gar nicht so böse gemeint, doch ist es nicht böse, dann ist es ratlos. Und auch Ratlosigkeit führt zu unerfreulichen kulturpolitischen Folgen. Nirgends wird dies deutlicher als am Beispiel des Wiener MuseumsQuartiers. Hier ist die Funktion der CI offensichtlich die eines Feigenblattes für die generell wenig innovative Finanzierungsstruktur des Projektes – viel öffentliches Geld und kaum Kontrolle für einige wenige, große und eher veraltete Kunstinstitutionen. Nun wird den musealen Dinosauriern des österreichischen Museumswesens, die hier an einem Standort vereinigt wurden, ein weitgehend zufälliger Mix kultureller Nutzungen beigegeben, die gemeinsam die CI repräsentieren sollen, in der Hoffnung, aus einem unoriginellen Museumscluster einen lebendigen Cultural District zu machen. Hier finden sich die schon recht langgedienten Institutionen Public Netbase und depot ebenso wie eine „Gruppe von Künstlern, Designern und Theoretikern, die sich zu einem ‚digitalen Museumsraum‘ mit dem Titel Media Q21“ zusammengeschlossen haben und beabsichtigen „kulturinteressierte Besucher mit verschiedenen Formen von Medienkunst in Verbindung zu bringen.“ (Falter 47/01, S.24) Was immer das auch heißen mag. Dem Verständnis der CI des Kunststaatssekretärs Franz Morak dürfte im Rahmen des MuseumsQuartiers am ehesten der Modeimpresario Mario Soldo entsprechen, der einen Designershop mit Internetportal plant.
Aus diesen vielfältigen Impressionen der CI lässt sich nur eine allgemeine Forderung ableiten, nämlich die nach mehr Präzision. Unter dem Header der Creative Industries werden gute, mittelmäßige und ausgesprochen blöde Initiativen auf intelligente, akzeptable und völlig inadäquate Art finanziert. Zuordnungen zu den CI erfolgen nach unklaren und international stark unterschiedlichen Kriterien. Für die gedankliche Arbeit, die notwendig wäre, um intelligente Konzepte auf unterschiedliche nationale Bedingungen umzulegen, ist der Totschlagbegriff der CI keine Unterstützung; vielmehr steht er jeder sinnvollen Analyse im Wege.
Dieser Beitrag erschien zuerst in der Zeitschrift dérive. Nr.6, 2002.
Keine ganz einfach zu beantwortende Frage.
Die Regierung Großbritanniens, des Landes also, das allgemein als Heimatland des Begriffes wie auch der zugehörigen Aktivitäten angesehen wird, versteht die Creative Industries als ein Überbegriff für viele einigermaßen kreativen Betätigungen: „Creative Industries“ sind demnach „those industries which have their origin in individual creativity, skill and talent and which have a potential for wealth and job creation through the generation and exploitation of intellectual property”. Und da eine solche Definition etwas weit gegriffen wäre, wird vorsichtshalber aufgezählt, was nun wirklich alles in diese Kategorie gehört: “advertising, architecture, the art and antiques market, crafts, design, designer fashion, film and video, interactive leisure software, music, the performing arts, publishing, software and computer services, television and radio.”
Eine verschobene Sichtweise nimmt der Begriff der „Content Industry“ ein; hier wird Kultur als Schaffung von Inhalten verstanden.
In Österreich scheint sich eine Definition durchzusetzen, die unter den Creative Industries kreative Tätigkeiten (größtenteils aus dem Bereich der angewandten Kunst) versteht, die zumindest mittelfristig wirtschaftlichen Erfolg haben. Dabei wird ein Graben zwischen „SubventionsempfängerInnen“ und wirtschaftlich Erfolgreichen aufgerissen, der suggeriert, dass erstere keine entsprechende Gegenleistung für ihre Einnahmen erbringen. Mit anderen Worten: Wenn es für Private sinnvoll ist (Kultur-)Produkte zu erwerben, warum dann nicht auch für den Staat?
Weitere definitorische Annäherungen lassen sich aus den Kontexten gewinnen, innerhalb derer der Begriff der CI verwendet wird. Im Bereich der Stadtentwicklung etwa setzt man große Hoffnungen auf Creative Industries bei der Aufwertung heruntergekommener Industriebauten. Im Bereich der Neuen und neuesten Medien hingegen werden die CI fast als Synonym für die durch zahlreiche Bankrotte in Verruf geratene New Economy verwendet.
Dass hier offensichtlich ein und derselbe Begriff so viele unterschiedliche Dinge bezeichnet, sollte uns wohl von vorneherein misstrauisch machen. – Oder vielleicht sollte das Misstrauen sogar noch einen Schritt früher einsetzen, dann nämlich, wenn eine so unklare und zugleich ausschließlich positiv besetzte Qualität wie „Kreativität“ ins Rennen geführt wird. Jedenfalls erscheint der heuristische Mehrwert eines so vagen Konzeptes zweifelhaft. Es drängt sich der Eindruck auf, dass die Erfindung der CI in Wirklichkeit Folge eines Missverständnisses ist: Nur weil zahlreiche Bereiche der Ökonomie heutzutage weniger von handfesten Produktionsmitteln als von nicht-manifesten Faktoren bestimmt werden und weil andererseits Teile von Kunst und Kultur sich vermehrt kommerziellen Nutzungen aufgeschlossen zeigen, muss es noch lange nicht Sinn machen, von einem neuen, ökonomischen und/oder kulturellen Sektor zu sprechen.
Doch erscheint es unwahrscheinlich, dass dieses Missverständnis zufällig ist – brauchbare wie auch unbrauchbare Definitionen sind üblicherweise Ausfluss der Absichten von AkteurInnen. Dies lässt sich am Beispiel der CI gut verdeutlichen: Für PolitikerInnen rechtfertigen die CI den Rückzug öffentlicher Gelder mit dem Hinweis auf den „freien“ Markt, welcher aus der heutigen, aufgeklärten, Sicht als einziger imstande ist, gut und böse an Erfolges Scheide zu unterscheiden. Ein weiteres Merkmal der besonderen Attraktivität dieses Konzepts für KulturpolitikerInnen im Speziellen ist der Umstand, dass der Bereich „Kunst und Kultur“ vergrößert wird und damit die Bedeutung des/der jeweils zuständigen Politikers/Politikerin steigt (wobei gleichzeitig auch ihre/seine Popularität steigt, da sie/er die unpopulär gewordenen „Quersubventionierungen“ von „Elitenkunst“ sparen kann). Wenn nun eine Studie besagt, dass in der österreichischen Musikindustrie mehr Personen arbeiten und eine höhere Wertschöpfung erzielen, als z.B. in der Papier- oder Textilindustrie, so ist dies verlockend.
Kunstschaffende ihrerseits stehen diesem Schlagwort auch nicht immer ablehnend gegenüber: Vor dem Hintergrund eines öffentlichen Fördersystems, das unter Intransparenz und Beamtenwillkür leidet, ist es mindestens genauso verlockend, die Rolle des/der Bittstellenden zu verlassen und sich auf der vielversprechenden Seite der Privatwirtschaft zu verorten. Darüber hinaus fallen viele – vor allem junge Kunstschaffende – aufgrund der Art und Weise, wie sie ihre künstlerische Arbeit finanzieren, automatisch unter die Kategorie der „Cultural Entrepreneurs“. Die McJobs aus der Ausbildungszeit werden weitergeführt, um eine (kontinuierliche) künstlerische Arbeit zu finanzieren. Oft genug befinden sich diese McJobs im Dunstkreis der Creative Industries, sind Beschäftigungen im Bereich der Neuen Medien, Werbung etc. Allerdings sind es wohl gerade diese aufstrebenden Teile der CI, die in ihrer zweitberuflichen Existenz als KünstlerInnen durch diesen Hype besonders gefährdet sind – zumindest dann, wenn das Konzept der CI für PolitikerInnen in erster Linie eine Legitimation zur Einsparung im Kulturbereich bedeutet.
Dies allerdings muss nicht unbedingt sein, wie Beispiele etwa aus Großbritannien und Finnland zeigen. Im Zusammenhang der Stadtplanung in verschiedenen britischen Städten bedeutet die Begrifflichkeit der CI auch, dass Kunst und Kultur an denselben Maßstäben gemessen werden wie andere Klein- und Mittelbetriebe, also etwa an ihrem Arbeitsplatzpotenzial für benachteiligte Bevölkerungsgruppen. Daraus ergibt sich zumindest für manche KünstlerInnen die Möglichkeit, öffentliche Gelder zu lukrieren, ohne im künstlerischen Bereich auf die Wünsche der Financiers Rücksicht nehmen zu müssen. Und wenn Kunst und Kultur einen Beitrag zur Stadtentwicklung leisten können, ist dagegen auch kaum etwas einzuwenden. – Damit sie diesen Beitrag zu leisten imstande sind, werden die aufstrebenden CI in Großbritannien auch durchaus von der öffentlichen Hand unterstützt – allerdings nicht durch klassische Subventionen: Vermittlungsplattformen, wie die Creative Industries Development Agency (CIDA) und andere öffentlich geförderte Organisationen bieten ein breites Spektrum an Dienstleistungen an, wie sie zu einer Unternehmensgründung nötig sind: Rechtsberatung, Weiterbildung bis hin zur Vermittlung finanzieller Starthilfe. Auch über die Konzeptualisierung der begehrten „Cultural Districts“ wird öffentlich finanziert nachgedacht.
Im nordeuropäischen Konzept der CI andererseits steht weniger die Beziehung zwischen Kulturpolitik und Kunst im Mittelpunkt als die zwischen den Wirtschaftstreibenden und den KünstlerInnen. Angefangen von der belgischen Modeszene bis hin zum finnischen Industriedesign reicht eine Serie von Beispielen geglückter Partnerschaften zwischen (regionalen und internationalen) Unternehmen und den sogenannten „Kreativen“.
In Österreich hingegen wird das Konzept der CI zumindest von Regierungsseite her wesentlich als Drohgebärde gegen KünstlerInnen verwendet: Kunstschaffende müssen lernen, sich den Regeln der Marktwirtschaft anzupassen, die Sprache des Marktes zu sprechen. Marketingseminare und andere Lehrgänge, in denen KünstlerInnen um schweres Geld lernen sollen, die Spielregeln des Marktes zu verstehen, boomen hierzulande wie anderswo die Creative Industries. Mit den Zurufen an die Kunstschaffenden erschöpft sich das politische Engagement zugunsten der CI auch schon; vergleichbare Aufforderungen (gekoppelt mit z.B. Anreizsystemen) an die Privatwirtschaft, hier mehr innovativen Mut zu zeigen bleiben aus. Ganz zu schweigen von der Einrichtung von Vermittlungsplattformen oder anderen strukturellen Unterstützungen.
Doch auch die Äußerungen der Oppositionsparteien zu dieser Frage erscheinen zumindest ambivalent. „Wenn man sich als Kulturnation nicht darauf versteht, zeitgenössisches Schaffen zu fördern, dann werden Zukunftschancen auch im wirtschaftspolitischen Bereich geschmälert.“, heißt es etwa in einem aktuellen Statement der Grünen. Was genau soll das bedeuten? Geht es darum, die Bedeutung von Kunst und Kultur für das Gedeihen jeder Gesellschaft und ihrer Wirtschaftskraft herauszustreichen? Oder findet sich hier nicht doch auch implizit die Gleichung, „Nur wirtschaftlich verwertbare Kunst ist auch gute Kunst.“?
Wahrscheinlich ist das alles gar nicht so böse gemeint, doch ist es nicht böse, dann ist es ratlos. Und auch Ratlosigkeit führt zu unerfreulichen kulturpolitischen Folgen. Nirgends wird dies deutlicher als am Beispiel des Wiener MuseumsQuartiers. Hier ist die Funktion der CI offensichtlich die eines Feigenblattes für die generell wenig innovative Finanzierungsstruktur des Projektes – viel öffentliches Geld und kaum Kontrolle für einige wenige, große und eher veraltete Kunstinstitutionen. Nun wird den musealen Dinosauriern des österreichischen Museumswesens, die hier an einem Standort vereinigt wurden, ein weitgehend zufälliger Mix kultureller Nutzungen beigegeben, die gemeinsam die CI repräsentieren sollen, in der Hoffnung, aus einem unoriginellen Museumscluster einen lebendigen Cultural District zu machen. Hier finden sich die schon recht langgedienten Institutionen Public Netbase und depot ebenso wie eine „Gruppe von Künstlern, Designern und Theoretikern, die sich zu einem ‚digitalen Museumsraum‘ mit dem Titel Media Q21“ zusammengeschlossen haben und beabsichtigen „kulturinteressierte Besucher mit verschiedenen Formen von Medienkunst in Verbindung zu bringen.“ (Falter 47/01, S.24) Was immer das auch heißen mag. Dem Verständnis der CI des Kunststaatssekretärs Franz Morak dürfte im Rahmen des MuseumsQuartiers am ehesten der Modeimpresario Mario Soldo entsprechen, der einen Designershop mit Internetportal plant.
Aus diesen vielfältigen Impressionen der CI lässt sich nur eine allgemeine Forderung ableiten, nämlich die nach mehr Präzision. Unter dem Header der Creative Industries werden gute, mittelmäßige und ausgesprochen blöde Initiativen auf intelligente, akzeptable und völlig inadäquate Art finanziert. Zuordnungen zu den CI erfolgen nach unklaren und international stark unterschiedlichen Kriterien. Für die gedankliche Arbeit, die notwendig wäre, um intelligente Konzepte auf unterschiedliche nationale Bedingungen umzulegen, ist der Totschlagbegriff der CI keine Unterstützung; vielmehr steht er jeder sinnvollen Analyse im Wege.
Dieser Beitrag erschien zuerst in der Zeitschrift dérive. Nr.6, 2002.