"... die Arbeit funktioniert."
Die im Kunstsystem gewohnt gewordene Formel "die Arbeit funktioniert" leistet allerhand: Sie kündet von einem veränderten Autonomiestatus der Kunst, und sie rationalisiert die Rede über Kunst, indem sie wesentliche notwendige Elemente einer zeitgenössischen Auseinandersetzung über Kunst beinhaltet, die nicht mehr erklärt werden müssen, sondern durch die Aussage mit konnotiert werden können.
Das Kunstsystem legitimiert seine Existenz in einer ökonomisierten Gesellschaft durch Leistung und Wertbildung. Dabei sind auch die antithetischen Positionen gefragt, die unter den Bedingungen der ausdifferenzierten Arbeitswelt Re-Integrationen und Importe ins Kunstsystem vornehmen können. So kann denn auch das "Leben" selbst noch wertbildend im Kunstsystem betrachtet werden. Das, was unbezahlbar ist, wird folglich als Simulakrum wieder in ein Wertsystem überführt, wo es von Spezialisten taxiert werden kann. Gleichzeitig werden Methoden und Prozesse der Kunst laufgängig ins ökonomische System überspielt, das den Takt für alle anderen Systeme vorgibt. Traditionelle aufklärerische Begriffe wie z.B. "Autonomie" oder "Subjektivität" werden dabei im Zuge der ökonomischen Rhythmisierung zu Faktoren der Selbsttechnologie bzw. -optimierung:
"Markierte die Subjektivität in den traditionellen gewerkschaftlichen oder linksradikalen Diskursen den point de resistance gegen ‘entfremdende’ Arbeitsverhältnisse, so machen Managementkonzepte wie das TQM [Total Quality Management, Anm. PM] daraus eine sozialtechnologisch zu erschließende Ressource. [...] ‘Arbeiterautonomie’, noch in den sechziger und siebziger Jahren eine klassenkämpferische Parole, die Fabrikbesetzer und Streikkomitees auf ihre Fahnen schrieben, hat den Ruch des Subversiven eingebüßt und ist zum Rationalisierungsinstrument mutiert - freilich nicht ohne die geforderte Selbstbestimmung auf die Verinnerlichung jener Marktmechanismen zu verengen, deren Herrschaft der Kampf um Autonomie einmal brechen sollte." (In: Bröckling, Ulrich/ Krasmann, Susanne/ Lemke, Thomas (Hg.): Gouvernementalität der Gegenwart. Studien zur Ökonomisierung des Sozialen, Frankfurt/Main 2000, S.142).
So leistet die im Kunstsystem gewohnt gewordene Formel "die Arbeit funktioniert" allerhand: Sie kündet von einem veränderten Autonomiestatus der Kunst, und sie rationalisiert die Rede über Kunst, indem sie wesentliche notwendige Elemente einer zeitgenössischen Auseinandersetzung über Kunst beinhaltet, die nicht mehr erklärt werden müssen, sondern durch die Aussage mit konnotiert werden können. Die Formel ist also selbst ein rhythmisches Element, sie ist ein Effekt getakteter Kunst-Kommunikation und hilft auch noch, Zeit zu sparen. Man kann sie als Indiz dafür bezeichnen, dass sich eine "funktionale" Betrachtung von Kunst durchgesetzt hat, die ihre Prozessualität hervorhebt. Dass diese Prozessualität etwas mit der strukturellen Ökonomisierung von Kunst zu tun hat, ist weniger offensichtlich. Nicolaus Bourriaud führt in diesem Zusammenhang aus:
"Es ist kein Zufall, wenn die im Verlauf des ganzen 20. Jahrhunderts fortschreitende Entmaterialisierung des Kunstwerks mit dem Eindringen des Kunstwerks in die Arbeitssphäre verbunden ist. Die Signatur, die in der künstlerischen Ökonomie die Austauschmechanismen der Subjektivität besiegelt (exklusive Form ihrer Verbreitung, die sie in Ware verwandelt), impliziert den Verlust der ›Polyphonie‹, jener rohen Form der Subjektivität, die die Polyvozität ist, zugunsten einer unfruchtbaren, verdinglichenden Zerstückelung." (Bourriaud, Nicolaus: Das ästhetische Paradigma. In: Schmidgen, Henning (Hg.): Ästhetik und Maschinismus. Texte zu und von Félix Guattari, Berlin 1995, S.49).
Es ist also die Frage zu stellen, inwiefern eine "strömende", prozesshafte Kunst nicht auch gleichzeitig der Logik ihrer Kapitalisierung gehorcht. Die Unterordnung der "künstlerischen" Arbeit unter die ökonomische Perspektive erscheint unausweichlich, und statt der Kunst um der Kunst willen gibt es heute die Arbeit um der Kunst willen. Für eine Kunst, die sich nicht nur aufs Anfertigen unwahrscheinlicher Gegenstände beschränkt, sondern sich im Kern als repräsentationskritisch versteht, ist es äußerst schwierig geworden, sich in einer Welt zu behaupten, die konstitutive Leitmotive, an denen sich die Kunst einst abgearbeitet hatte, derart umgewertet hat.
Wenn "die Arbeit funktioniert", dann funktioniert sie vor allem auch im Sinne einer Kunst, die sich der neoliberalen Immanenz nicht nur aussetzt, sondern mit dieser konform geht. Der Unterschied einer solchen Kunst zu einer "anderen" kann aber nur dann überhaupt festgestellt werden, wenn man auf einer - wie auch immer gearteten - Autonomievorstellung von Kunst beharrt, die letztlich auf ihrer Differenz insistiert. - Fraglich ist dabei sicherlich, wo diese Autonomie in einer hermetisch ökonomisierten Gesellschaft angesiedelt sein kann und ob die ›Autonomie der Kunst‹ nicht mittlerweile ein nostalgisches Paradigma geworden ist.
Dieses für die Fortsetzbarkeit von "Kunst" entscheidende Problem ist jedoch nicht gelöst, und insbesondere die engagierte Kunst ist im Zuge dieser Auseinandersetzung mit Widersprüchen kontaminiert worden, die seitens der Kunst kaum lösbar sind. Die Kunst kann diese Widersprüche nicht lösen, doch sie kann sie in ihren besten Momenten durch "Darstellung" austragen und gegen die zerstörerische Verrechnung aller Erscheinungen das Nicht-Identische ins Spiel bringen.
Pierangelo Maset ist Professor für Kunst und ihre Didaktik im Fachbereich Kulturwissenschaften der Universität Lüneburg.