Die Stiftung, der Staatssekretär und die Bank.„Küba“ – eine kulturpolitische Reise.

Zwischen Frühjahr und Sommer 2006 reist ein Schiff von Istanbul über das Schwarze Meer und die Donau bis Wien, um von den durchquerten Regionen und Orten künstlerische Beiträge von kritischen KünstlerInnen wie Zelimir Zilnik (Novi Sad), Róman Ondák (Bratislava) oder Renata Poljak (Vukovar) zu sammeln.

Zwischen Frühjahr und Sommer 2006 reist ein Schiff von Istanbul über das Schwarze Meer und die Donau bis Wien, um von den durchquerten Regionen und Orten künstlerische Beiträge von kritischen KünstlerInnen wie Zelimir Zilnik (Novi Sad), Róman Ondák (Bratislava) oder Renata Poljak (Vukovar) zu sammeln. Ausgangspunkt ist Kutlug Atamans preisgekrönte Videoarbeit „Küba“, die sich um den gleichnamigen armen Istanbuler Stadtteil dreht, der hauptsächlich von Menschen aus ländlichen Regionen der Türkei und KurdInnen bewohnt wird. Die beteiligten KünstlerInnen sind eingeladen, auf „Küba“ und die darin verhandelten Themen Identität und Minderheit mit ihren Arbeiten zu reagieren. Den Abschluss soll eine Ausstellung im ehemaligen Jüdischen Theater im Wiener Nestroyhof in Wien bilden, wo das Vorhaben im November vergangenen Jahres auch präsentiert wurde. Das Projekt vereint eine Reihe der derzeit sicher interessantesten KünstlerInnen in Europa – doch in welchem Kontext? Finanziert wird das Projekt neben anderen KoproduzentInnen (Stiftungen, Galerien und Museen) von der Privatstiftung Thyssen-Bornemisza Art Contemporary (T-B A21). Zudem wird das Projekt direkt vom österreichischen Kunststaatssekretär Franz Morak mit insgesamt 240.000 Euro unterstützt. Weitere Finanzierung kommt von der Erste Bank/Tranzit. Damit kommen in diesem Projekt drei sehr spezielle AkteurInnen zusammen: Die Stiftung, der Staatssekretär und die Bank. Da stellt sich die Frage, inwieweit sich an derartigen Kooperationen paradigmatische Verschiebungen und Konsolidierungen von kulturpolitischen und ökonomischen Machtverhältnissen in Österreich und den anderen beteiligten Ländern ablesen lassen.

Aufgepeppter Konservatismus geht stiften

Die Leiterin der T-B A21, Thyssen-Erbin und Habsburg-Lothringen-Gattin Francesca Habsburg, ist ebenso wie Agnes Husslein ein auffälliges Beispiel dafür, wie sich ExponentInnen ultrakonservativer Adelskreise über die Traditionspflege hinaus in bedeutende Positionen im zeitgenössischen Kunstbereich zu manövrieren versuchen. Jahrelang hauptsächlich in der Rettung traditioneller Kulturgüter vor allem in kriegserschütterten Orten wie Dubrovnik engagiert, orientiert sich die Stiftung nun eher an Vorbildern wie Artangel in Großbritannien, die zeitgenössische Kunstspektakel von Leuten wie Matthew Barney und Jeremy Deller finanzieren. „Richtungsweisende Crossover-Projekte, die konventionelle Grenzen und Definitionen von Kunst durchbrechen“ sollen der Stiftung eine „Ausnahmestellung und Vorreiterrolle in der internationalen Kunstszene“ verschaffen, so das straffe Unternehmensleitbild. Mit der Sammlung zeitgenössischer Kunst versucht Habsburg den traditionalistischen KunstsammlerInnen-Zugang ihrer Vorfahren zu modernisieren. Im Rahmen vergangener Projekte wurden Arbeiten von Candice Breitz, Christoph Schlingensief, Dan Graham und anderen finanziert, vielfach mit einem Auge aufs Spektakuläre. Die aktive Rolle der Financiers bei der KünstlerInnen-Zusammenstellung im „Küba“-Projekt reiht sich ein in einen unangenehmen Trend: Während öffentliche Gelder für Kunst immer weniger werden, um angeblich privatem MäzenatInnentum Platz zu machen, während in den Ländern Ost- und Südosteuropas die Entwicklung kulturpolitischer Modelle zwischen der alten Angst vor staatlicher Instrumentalisierung von Kultur und ungebremster Vermarktungsideologie feststeckt, werden Kunststiftungen wie T-B A21, Siemens Arts Program und selbst nichtkorporative internationale Körperschaften wie die European Cultural Foundation anstelle von FördergeberInnen immer mehr zu gestaltenden Playerinnen in kulturellen Kooperationen. In ihren neuen Funding-Strategien sehen sie ihre Rolle nicht darin, KünstlerInnen Geld für deren selbstbestimmte Arbeit zu überlassen, sondern integrieren sie gezielt in von den Stiftungen gestaltete Inszenierungen und Konzepte, für die sie mitunter auch noch staatliche Unterstützung beanspruchen. Allerorten wird „kooperiert“, mitkuratiert und hinein regiert. Das österreichische Privatstiftungsrecht besorgt im Wesentlichen den Schutz großer Privatvermögen vor angemessener Steuerleistung. Der Anteil gemeinnütziger Stiftungen in Österreich ist verschwindend gering, was nicht zuletzt an fehlenden gesetzlichen Lenkungsmaßnahmen liegt. Die wenigen Mäzenatstätigkeiten jener in den Genuss von Steuerschonung kommenden Stiftungen müssen nun offenbar, wie in diesem Fall, noch üppig mit Steuergeld subventioniert werden. Von einer Beiratsentscheidung für die Subventionsvergabe Moraks an T-B A21 ist nichts bekannt. Dieses Geld, das alternativ auch direkt für die Förderung selbstbestimmter künstlerischer Arbeit ausgegeben hätte werden können, wird also freihändig privaten repräsentationsinteressierten KuratorInnenhänden übergeben.

Das Mitteleuropa des Staatssekretärs

Das Interesse von Morak an dieser Kooperation speist sich offensichtlich aus zwei Anknüpfungspunkten: Zum einen ist da Moraks Plan, die Rolle privater GeldgeberInnen in der Kunstfinanzierung zu stärken. Dieser Plan erhält im vorliegenden Fall eine überraschende Bedeutung: als Mobilisierung von öffentlichen Geldern für private SponsorInnen. Zum anderen ist da die in konservativen Kreisen gepflegte Obsession für „Mitteleuropa“ und den „Donauraum“, einer verklausulierten Habsburger-Reich-Nostalgie, die Österreich als paternalistischen Schirmherrn, Vorbild und letztlich Nutznießer seiner östlichen Nachbarstaaten imaginiert. In dieses Konzept fügt sich die von der späten Erbin des Kaiserhauses inszenierte Donau-Reise, auf der über die konservative Leitidee „Identität“ reflektiert und „gleichzeitig die türkische Okkupation Europas bis vor die Tore Wiens nachgezeichnet“ (O-Ton Presseaussendung) werden soll, hervorragend ein. Morak über Küba in der Presse: „Hier geht es um die Frage der Identität. Das ist ein schönes Vorhaben mit Weltklasse- Künstlern.“ Wir erinnern uns: Der Mitteleuropa-Gedanke stand etwa schon Pate bei Moraks Konzept für die letztlich am Widerstand der Szene gescheiterte „Diagonale neu“, die als Drehscheibe für Filmverwertung für die Region Mitteleuropa gedacht war.

Kultureller Kredit

Und dann sind da noch die VP-nahe Erste Bank und ihr Tranzit-Projekt: Diese ist seit Jahren in der Förderung avancierter Kunst- und Kulturprojekte in Osteuropa aktiv. Ihr Kooperationsnetzwerk umfasst eine Vielzahl kritischer Kulturarbeitender, u.a. die Kunstkritik-Zeitschrift springerin, was der Bank zur Profilierung als herausragende Sponsorin und Vermittlerin für osteuropäische Kunst verholfen hat. Die Erste Bank und ihr Tranzit-Projekt können als zentrale Trägerin des westlichen Interesses an einer osteuropäischen, v.a. „balkanischen“ Kunst und Kultur betrachtet werden. Durch vom Westen bereit gestellte Gelder, Einladungen und Präsentationsplattformen wird eine Kunstproduktion in diesen Regionen überhaupt erst ermöglicht, die den westlichen Kunstmarkt aber nicht wegen ihrer spezifischen Werke interessiert, sondern wegen ihrer Zeugenfunktion für eine imaginierte fremde Balkan-Identität, wie der Kulturphilosoph Boris Buden unlängst treffend analysiert hat. Osteuropäische KünstlerInnen erhalten im Zuge der EU-Osterweiterung eine überbordende Aufmerksamkeit, allerdings beinahe ausschließlich im Rahmen von Ausstellungen, in denen in exotisierender Weise die Region und ihre Kultur das Thema sind, für die die KünstlerInnen als austauschbare Belege herhalten müssen, wie etwa zuletzt die KünstlerInnen Petja Dimitrova, Vasilena Gankovska und Kamen Stoyanov im Katalog zur einschlägigen Ausstellung „play Sofia“ im project space der Kunsthalle Wien kritisierten. Durch die Konstruktion eines fremden Anderen, das es zu integrieren gelte, betont und festigt das westliche System seinen universalen Macht- und Überlegenheitsanspruch, und produziert darüber hinaus einen exotischen Konsumartikel für den eigenen Genuss. Im Fall österreichischer Finanzinstitutionen wie der Erste Bank, die in Osteuropa fantastische Gewinnspannen erzielen, mit denen die zuletzt eher bescheidene ökonomische Geschäftslage in Österreich aufgebessert wird, kommt noch ein handfestes unternehmerisches Kalkül hinzu. Mit der Förderung von regionaler Kunst und Kultur wird versucht, die ökonomische Expansion und den Abzug der Profite gegenüber der örtlichen Intelligentsia vor Kritik abzusichern.

Resümee

Die Stiftung, der Staatssekretär und die Bank kooperieren bei „Küba“ in einem Projekt voll mit kritischer Kunst, die in einen Kontext gestellt wird, der nur als folgenloser Einkauf von institutionskritischen Arbeiten für ein Spektakel beschrieben werden kann, das der reinen Selbstrepräsentation dient. Denn das viel beschworene „zur Diskussion Stellen“, das – wie so oft – als Veranstaltungsziel genannt wird, bedeutet eine letztlich folgenlose, leere Phrase. „Wir alle“ werden von der Veranstaltung aufgerufen, über die Schattenseiten unserer Gesellschaft zu reflektieren und die minderheitenfeindlichen Anteile, die in „uns allen“ stecken, der Selbstkritik zu unterwerfen. Die politisch-ökonomischen Asymmetrien, die zwischen den Projektfinanciers und ihrer Heimatregion im Verhältnis zu den bereisten Regionen bestehen, bleiben jedoch völlig ausgeblendet. Die VeranstalterInnen inszenieren ein „Reflexions“- und Betroffenheitsspektakel, in dem ihre herausgehobene Stellung unsichtbar gemacht wird und von allfälligen Konsequenzen aus der Reflexion abgeschirmt bleibt. Anknüpfungspunkte für Selbstreflexion der Beteiligten gäbe es genug: Zu all dem oben genannten kommt noch hinzu, dass als Wiener Präsentationsort des mit Stiftungs- und Steuergeld gut ausgestatteten Projekts das einst arisierte Nestroyhoftheater vorgesehen ist, um dessen Revitalisierung als jüdisches Theater eine Initiative seit Jahren erfolglos kämpft, da von öffentlicher Hand kein Subventionswille vorhanden ist. In einem Text auf der T-B A21 Website zu Dan Grahams „Don’t trust anyone over thirty“, das Habsburg 2005 zu den Wiener Festwochen brachte, spricht Diedrich Diederichsen davon, wie die Kulturindustrie gegenkulturelle Kritik durch Herauslösung aus ihrem Kontext zum reinen Zeichen reduziert, um sie politisch folgenlos in einer marktförmigen Öffentlichkeit zirkulieren zu lassen. Genau das ist nicht nur mit Diedrichsens Text geschehen.

Beat Weber ist Redakteur von „Malmoe“ in Wien
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Therese Kaufmann ist Co-Direktorin des eipcp.
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