Die Wiedergeburt des Parteimediums im Creative Industries-Outfit. Kritische Öffentlichkeit, Medienkrise und Subventionspolitik

Heute geht Kulturpolitik anders vor. Statt Forderungen der Bevölkerung zu bedienen wird sie selber aktiv und stellt ein klares Anforderungsprofil an Förderobjekte: Geld kriegt nur, wer einen Repräsentationsnutzen für die Stadt abwirft, sich ins Image eingliedern lässt, das die Stadt von sich entwirft.

Die politische Polarisierung in Österreich rund um den Regierungswechsel 2000 brachte auch einen Aufschwung für kritische Öffentlichkeiten. Ein Rückblick kurz vor Ende der zweiten Legislaturperiode dieser Regierung lässt Wandelungsprozesse in der Medienbranche und der Kultur- und Medienpolitik erkennen, die inzwischen die Bedingungen für öffentliche Gesellschafts- und Regierungskritik verändert haben.

Medienkrise und Gesellschaftskritik

Seit dem Ende des New Economy Booms 2000 ist die Printmedien-Branche in einer Krise. LeserInnen wandern ins Internet ab und bescheren so den Zeitungen einbrechende Auflagen und sinkende Verkaufseinnahmen. Gleichzeitig sind auch die Werbeeinnahmen signifikant gesunken. Das führt zu verschlechterten Arbeitsbedingungen für JournalistInnen: Mehr Arbeit, weniger Lohn, Ersatz von Festanstellungen durch prekäre Arbeitsverhältnisse usw. Die Krise resultiert auch in einer fortschreitenden Medienkonzentration, wodurch es die Möglichkeit des Jobwechsels, die immer ein Fallnetz zur Absicherung von journalistischer Unabhängigkeit ist, immer weniger gibt. Auch die journalistischen Inhalte werden transformiert: Die Krise wird von den Managementetagen in den Imperativ zu noch mehr Marktschreierei bei den Inhalten übersetzt. Der Vormarsch der kommerziellen Logik in der Medienbranche kommt noch dazu. Der Druck zu Anzeigenkundschafts- und Kooperationspartnerschafts-freundlicher Berichterstattung steigt. Und während viele Medienhäuser im Medien-Hype der 1990er Jahre noch Platz für neue und experimentelle inhaltliche Kanten und Nischen einräumten, werden diese in den letzten Jahren weitgehend ausgeputzt. All diese Bedingungen engen derzeit den Spielraum für kritischen Journalismus ein.

Das führt auch zu viel Frust bei JournalistInnen und ist der Hauptgrund, warum es in den letzten Jahren so viele neue unabhängige und selbstfinanzierte Magazine gibt, die aussehen wie ganz normale Presseformate (Datum, Fleisch, dummy, monopol etc.). Mit diesen Medien werden Zugänge und Sparten auf Selbstausbeutungsbasis am Leben erhalten, die in der kommerziellen Medienlandschaft nicht mehr vorkommen. Solche Medien unterscheiden sich aber von Alternativmedien früherer Tage, die sich als Gegenöffentlichkeit verstanden: Kritik gibt es hier kaum, nicht zuletzt weil man aufpassen muss, seinen Brotjob oder auch nur die Aussicht auf einen solchen nicht zu gefährden und AnzeigenkundInnen braucht man als Hochglanzmedium natürlich auch – und die schätzen Gesellschaftskritik meist nicht besonders.

Politische Prioritäten im Wandel

Wie steht es um unkommerzielle Plattformen für kritische Öffentlichkeit? In den letzten Jahren wurden in Österreich unabhängige Kleinmedien aus dem linken Spektrum fortschreitend aus der Medienförderung verdrängt. Einschränkungen des begünstigten Postversands haben ihren Vertrieb behindert. Das sind keine Einzelfälle: Die ÖVP hat in den letzten Jahren flächendeckend Parteipolitik gemacht – mit Privatisierungen, Besetzungspolitik, Fördervergabe und politischem Druck. Wie zuletzt breit diskutiert, wurde der ORF in den vergangenen Jahren merklich eingeschwärzt. Dass die neue Fellner-Zeitung den einfallsreichen Namen „Österreich“ trägt, ist ein klarer Ausdruck der patriotischen Hegemonieverschiebung, die der ÖVP seit 2000 gelungen ist. Während die Titel von Fellner-Projekten aus den 1990ern (News, e-media, Woman) noch Internationalität signalisierten, ist heute offenbar Nationalismus das Motto der Stunde.

Eine der letzten Bastionen von regierungskritischem Journalismus, die in nächster Zeit in Bedrängnis geraten wird, werden übrigens die Gewerkschaftszeitungen sein. Als Mitgliederzeitungen ohne öffentliche Distribution von Nicht-Gewerkschaftsmitgliedern weitgehend unbemerkt, haben Blätter wie „Solidarität“ und „Kompetenz“ eine enorm hohe Auflage und bieten Platz für kritische Einschätzungen der Wirtschaftspolitik der Regierung, die in dieser Form sonst kaum zu finden sind. Im Zuge der ÖGB-Finanzkrise kommen die hauseigenen Medien jetzt stark unter Rationalisierungsdruck.

Der parteipolitische Wind in der Bundespolitik bleibt nicht ohne Folgen für andere regionale Ebenen, die als Finanzierungsalternative für subventionsabhängige kritische Kleinmedien in den Blick geraten. Die Stadt Wien als größte rote Bastion gerät durch die VP-Parteipolitik auf Bundesebene offenbar unter Zugzwang, zu Hause die Zügel in vergleichbarer Form zu straffen, die Fronten gleichfalls dicht zu machen und einen ebenso hermetischen Gegenblock aufzubauen, dessen Ausrichtung und Führung sie genau kontrolliert. Zahlreiche Ereignisse der letzten Zeit erwecken den Eindruck, dass die Stadt Wien nur mehr Sachen fördert, wo Kritik nicht mehr vorkommt. Widerspenstiges dreht sie ab: Die Vorgänge um Radio Orange, wo die lange schwelende Förderkrise erst behoben wurde, als neue Vorstandsmitglieder mit Nähe zur Stadtverwaltung Reformen als Gegenkonzept zu Forderungen nach redaktioneller Selbstverwaltung durchsetzten. Der Subventionsentzug für den MigrantInnenverein Echo, der sich nicht in die Reformkonzepte der Stadt eingliedern wollte. Die Public Netbase, der zuletzt die Förderungen komplett entzogen wurden, nachdem sie sich jahrelang öffentlich unbequem verhalten hatte. Und das nach langem Hinhalten schließlich doch von der Stadt finanzierte Community-TV Okto, dessen Nahverhältnis zum Fördergeber nicht ganz den Vorstellungen entspricht, die sich einige der zivilgesellschaftlichen InitiatorInnen ursprünglich gemacht hatten. Gesamteindruck: Während der Bund freie Kulturinitiativen flächendeckend dichtmacht, springt die Stadt Wien nur noch bei jenen örtlichen Initiativen ein, die sich ihren Konzepten und ihrer Führung unterordnen. Besonders problematisch, da diese Szene einen zentralen Nährboden für kritische Öffentlichkeit darstellt bzw. dargestellt hat. Die Ausweitung der Kontrolle bedeutet unangenehme Parallelen zu einem historisch gescheiterten Modell – der Parteizeitung. Die wollte mit guten Gründen irgendwann auch keine/r mehr lesen…

Diese Trends sind auch Ausdruck eines Paradigmenwechsels in der städtischen Kulturpolitik. Früher haben Initiativen aus der Alternativkultur Geld bekommen, wenn dahinterstehende Szenen rebelliert und Forderungen gestellt haben (Amerlinghaus, Arena, Wuk etc.). Diese wurden mit Geldern quasi ruhig gestellt, um sie zur Selbstbeschäftigung in ihren Nischen anzuhalten und ihren Protest in halbwegs geordnete Bahnen zu lenken. Kulturpolitik fungierte da als eine Art erweiterte Sozialpolitik, die sich auch für den inneren Ausgleich in der Stadt zuständig sah.

Heute geht Kulturpolitik anders vor (wie sich neben den oben genannten Beispielen etwa auch an der Wiener Theaterreform ablesen lässt). Statt Forderungen der Bevölkerung zu bedienen wird sie selber aktiv und stellt ein klares Anforderungsprofil an Förderobjekte: Geld kriegt nur, wer einen Repräsentationsnutzen für die Stadt abwirft, sich ins Image eingliedern lässt, das die Stadt von sich entwirft. Statt auf sozialen Ausgleich im Inneren der Stadt zu achten, wird dieses Innen jetzt selektiv als Attraktion für Außen aufbereitet. Es geht um Imageaufwertung zwecks Anziehung von Kapital- und Tourismusströmen. Für Initiativen zur Herstellung kritischer Öffentlichkeit heißt das: Entweder man ordnet sich ein in die repräsentationspolitischen Zielvorstellungen und die Kontrolle der Regierenden, oder es ist Schluss mit dem Geld. Dass das so leicht durchsetzbar ist, hängt z.T. natürlich auch damit zusammen, dass es weniger starke Bewegungen gibt, die die betroffenen Einrichtungen durch Proteste schützen.

Rückzugsräume

Plattformen für kritische Öffentlichkeit geraten so von zwei Fronten unter Druck: Dem Ausputzen der Nischen im kommerziellen Medienbereich und der affirmativen Neuausrichtung von Nischen im geförderten Kultursektor.

Dennoch gibt es unabhängige Projekte, in denen Gesellschaftskritik blüht. Sie schlagen sich mit Tricks durch: Gesellschaftskritische unkommerzielle Printmedien in Wien von einer gewissen Mindestgröße überleben derzeit alle mit irgendeiner Umwegfinanzierung, z.B. durch TrittbrettfahrerInnentum bei irgendeiner Institution (z.B. die Zeitungen der ÖH, Zeitschriftenprojekte der kulturellen Interessengemeinschaften, Medien von Menschenrechtsorganisationen etc.), oder verkaufen sich mit einem originellen Vertriebsnetz und breitenwirksamen Argument, in dessen Windschatten weitaus kritischere Inhalte transportiert werden (z.B. das karitative Verkaufsargument von Augustin, Bunte Zeitung usw.). Unabhängige Kulturinitiativen beschaffen sich Freiräume mit Tricks, auf Umwegen und mit Hilfe von Freundschaftsnetzwerken. Der Beitrag etwa der Stadt Wien zum Erhalt kritischer Öffentlichkeit ist sehr bescheiden.

Heißt das also, ein Überleben in Eigeninitiative ist – ein bisschen Einfallsreichtum vorausgesetzt – leicht möglich und zumutbar? Nein, denn ein solcher Zugang privilegiert tendenziell Leute und Zugänge mit guten Kontakten, Glück und vorhandener materieller Absicherung, die Raum für unbezahltes Arbeiten lässt. Für kritische migrantische Medien z.B. ist eine TrittbrettfahrerInnen-Strategie bzw. Umwegfinanzierung mangels KooperationspartnerInnen und sicherer Einkünfte in einem diskriminierenden Umfeld kaum möglich. Die praktischen Erfahrungen migrantischer MedienmacherInnen in Österreich zeigen das ziemlich deutlich (vgl. Malmoe 32).

Reclaim the Förderung

Man kann die Entstehung kritischer Öffentlichkeit nicht den Marktkräften oder dem SelbstausbeuterInnentum überlassen, wenn man an ihrer Existenz interessiert ist. Und man kann öffentliche Gelder, die aus kritischen Medien- und Kulturprojekten abgezogen werden, nicht fragwürdigen Zwecken wie semi-kommerziellen repräsentationsorientierten Großprojekten überlassen, wenn man an der sinnvollen Verwendung von Steuergeldern interessiert ist.

Das läuft nicht auf die Forderung hinaus, dass die öffentliche Hand stets alle Projekte bis in alle Ewigkeit weiterzufördern habe, die einmal Geld bekommen haben. Es würde etwa durchaus Sinn machen, über Kriterien nachzudenken, die auch die Selbstkritik von Alternativmedien, kritischen Kulturinitiativen u.a. unterstützen könnten: Fragen der innerorganisatorischen Struktur, des Umgangs mit Macht, der Repräsentation und Beteiligung diskriminierter Gruppen etc. könnten da z.B. eine Rolle spielen. Die derzeit eingesetzten Kontrollinstrumente – betriebswirtschaftliche Prüfung, Prekarisierung durch kurzfristige Geldervergabe, oder gar Subventionsstreichung bei Nicht-Unterordnung – sind dafür nicht geeignet, das sind politische Disziplinierungsinstrumente. Statt der Wiedergeburt des Parteimediums im Creative Industries-Outfit braucht es eine Förderung kritischer Öffentlichkeit, und zwar mit selbstkritikfähigen Strukturen.

Beat Weber ist Redakteur von Malmoe in Wien.