Entgegnung zum Beitrag "Für so eine Art von Aktionismus ist in Tirol kein Platz"

Wie inszeniert man aus einfachen Verdrehungen und Verkürzungen einen Skandal?

Wie inszeniert man aus einfachen Verdrehungen und Verkürzungen einen Skandal? ExpertInnen zur Beantwortung dieser Frage finden sich beispielsweise bei der Gruppe qujOchÖ aus Linz. In dem in der letzten Ausgabe der Kulturrisse veröffentlichten Artikel „Für so eine Art von Aktionismus ist in Tirol kein Platz“ greift die Gruppe qujOchÖ – im Zuge ihres Berichts über eine von ihnen in Tirol realisierte Aktion – die TKI als Trägerin des Projektfördertopfes TKI open massiv an. Eine Entgegnung.

Das Projekt EXIL. Wir müssen zusammenhalten
Wie in genanntem Artikel von qujOchÖ berichtet, wurde das von Christian Stefaner-Schmid bei TKI open 09_uneinheitlich und instabil eingereichte Projekt EXIL. Wir müssen zusammenhalten von der unabhängigen Jury der Förderschiene zur Förderung ausgewählt. Damit hört die korrekte Berichterstattung – zumindest soweit sie die TKI unmittelbar betrifft – aber auch bereits wieder auf. Denn:

Das Projekt EXIL. Wir müssen zusammenhalten wurde zwar von der Jury dem Land Tirol zur Förderung vorgeschlagen und auch der Öffentlichkeit in einer Pressekonferenz sowie in dem unmittelbar nach der Jurierung herausgegebenen Faltplakat als zukünftiges TKI open Projekt vorgestellt. Was aber zu diesem Zeitpunkt weder der Jury noch der TKI bekannt war: Der Projekteinreicher hatte ein offenes Verfahren zu einer nicht abgerechneten Förderung eines länger zurückliegenden Projektes mit der Kulturabteilung des Landes Tirol laufen. Vor diesem Hintergrund hat das Land Tirol bereits im März 2009 die Förderung des Projektes EXIL aus formalrechtlichen Gründen abgelehnt und den Einreicher darüber schriftlich informiert.

Die TKI hat den Projektbetreiber, nachdem dieser aufgrund der EXIL-Absage nun doch versucht hat, das offene Verfahren zu beenden und seine Angelegenheiten mit dem Land zu klären, bei der Abrechnung seines Vorprojektes unterstützt. Strategie der TKI war es, nach erfolgreicher Abrechnung zu versuchen, eventuell doch noch – auf Kulanz – eine nachträgliche Zusage für das aktuelle Projekt zu erreichen, auch wenn aus juristischer Sicht die Chancen dafür gering waren. Doch Christian Stefaner-Schmid selbst hat letztendlich diese Strategie torpediert, indem er das Projekt ohne vorherige Rücksprache mit dem Land (und auch mit der TKI) und ohne weitere Verhandlungen in Richtung einer finanziellen Zusage durchgeführt hat – und zwar in anderer Form als ursprünglich projektiert.

EXIL. Wir müssen zusammenhalten sah nämlich in der der Jury vorgelegten Konzeption vor, Linzer KünstlerInnen in der p.m.k. in Innsbruck Asyl – auf der Flucht vor dem Kulturhauptstadtjahr – zu gewähren. Die LinzerInnen hätten in Form von Konzertveranstaltungen und diskursiven Formaten in Innsbruck intervenieren sollen. In Folge war vorgesehen, dass InnsbruckerInnen in Linz Asyl erhalten, also in einem ähnlich angelegten kulturellen Austausch kurzzeitig aus dem Andreas Hoferjahr nach Linz entkommen hätten können. Zentral dabei hätte der Gedankenaustausch zwischen LinzerInnen und InnsbruckerInnen zu den Auswirkungen öffentlich verordneter Zuschreibungs- und Identitätskriterien über ausgerufene Kulturhauptstadt- und Gedenkjahre sein sollen. Ergänzend waren Live Übertragungen zwischen den Städten geplant. Von Kommunikationsguerilla Aktionen – so interessant diese grundsätzlich im Kontext der genannten Fragestellungen auch sind – stand im der Jury vorgelegten Konzept leider nichts.

Fehlende Angriffsflächen
Wie auch immer: Die Intervention hat stattgefunden, die Presse hat sich darauf gestürzt. Skandalisiert wurde dabei insbesondere, dass dieses Projekt über TKI open durch das Land Tirol finanziert worden sei. Davon haben sich die Kulturverantwortlichen des Landes dann öffentlich distanziert. Von politischer Zensur konnte dabei aber aufgrund der Sachlage faktisch nicht die Rede sein. Deshalb ließ sich daran, so sehr das qujOchÖ auch bedauern mag, keine Debatte darüber aufhängen, welche Kultur das Land Tirol nun zulässt und welche nicht. Auch für eine Kulanzlösung zur nachträglichen Finanzierung des Projektes gab es nun seitens des Landes keine Verhandlungsbereitschaft mehr.

Nun behauptet qujOchÖ, obwohl ihnen die oben beschriebene Sachlage längst bekannt war, die TKI „hätte die Entscheidung einer unabhängigen Jury ad absurdum geführt“ und sie hätte diese „tolle Chance vertan, sich als kritische kontroversielle Stimme im kunst- und kulturpolitischen Diskurs zu positionieren“.

Hätte es zum Zeitpunkt der Durchführung für dieses Projekt eine gültige Förderzusage gegeben und hätte dann das Land aufgrund der politischen Inhalte des Projektes im Nachhinein die Förderungzusage zurückziehen wollen, hätte die TKI politisch aktiv werden können und müssen. So aber gab es formal keine Angriffsfläche.

Ein inszenierter Skandal
Insgesamt ist der Artikel von qujOchÖ jedenfalls ein Hohn auf jegliche journalistische Sorgfalt. Dass qujOchÖ behauptet, die TKI sei zu feige gewesen dieses Projekt zu unterstützen, gleichzeitig aber verschweigt, unter welchen Voraussetzungen die TKI gehandelt hat, obwohl sie seit langem über die Umstände der Förderabsage informiert waren, ist rufschädigend und dient höchstens einem durch gezielte Fehlinformation inszenierten Skandal.

Aber nicht nur qujOchÖ wusste über die Hintergründe Bescheid. Auch die Kulturrisse-Redaktion hat sich vor dem Erscheinen des Textes bei der TKI über die näheren Umstände informiert. Trotzdem ist der Artikel dann ohne Abänderungen veröffentlicht worden. Wir dachten eigentlich, dass diese Art von Journalismus der Skandalpresse vorbehalten ist. Dass die Kulturrisse andere Grundsätze hat. Dachten wir.

Gudrun Pechtl und Helene Schnitzer sind Teil des Teams der TKI.

ANMERKUNG REDAKTION
Die Bewertung kultureller Klimazonen und die Gradmessung kulturpolitischer Aktivität führt – von verschiedener Positionierung aus vorgenommen – oft zu unterschiedlichen Ergebnissen. So auch im Fall der von qujOchö in Heft 4/2009 beschriebenen EXiL-Interventionen in Tirol. Die Tiroler Kulturinitiative (TKI) vertritt bezüglich der im Artikel am Rande mittransportierten Kritik, als regionale Interessenvertretung nicht offensiv genug für das Projekt eingetreten zu sein, eine ganz andere Auffassung. Auf Wunsch der TKI und mit Verständnis dafür, dass die TKI das eigene Vorgehen im kulturpolitischen und medialen Hickhack um eine unbequeme künstlerische Arbeit naturgemäß anders bewertet, veröffentlichen wir ihre Entgegnung.