Fuck You!

Publikation zu verletzender Sprache: Über Kraftsprache im HipHop, Sprachpolizei, Meinetwegen entschuldig’ ich mich und Hass im Internet.

Rosa Lila Villa, Morddrohungen, "Tötet Schwule"

Als ich am 27. September 2014 morgens meine Emails öffnete und von der Beschmierung an der Fassade der Rosa Lila Villa las, dachte ich nur: Wie gut, dass ich mich das ganze Jahr intensiv mit Hass-Sprache auseinandergesetzt habe. Beschmierungen, verbale Attacken, Eierwürfe, etc ... sind etwas, dass das Lesben-, Schwulen- und Trans*haus seit seiner Gründung 1982 immer wieder erfahren hat. Der Schriftzug "Töte Schwule / Ubi Pedera" prangte aber in einer unübersehbaren Intensität am Haus, dass allen Aktivist_innen klar war, hier muss etwas dagegen getan werden."Schatzi, denk mal über die Konsequenz von 'nem Mord nach" wurde zur paradoxen Intervention im besten Sinne und die Aktivist_innen nutzten die Aufmerksamkeit der Medien, um auf die Situation von LGBTIQ Refugees und auf die Auswirkungen von Nationalismus hinzuweisen. Die Verbindung von Kritik, politischer Gegenrede, Sprache als Terrain der Verhandlungen von Wirklichkeit zu verstehen, ist in einem Land wie Österreich mehr als notwendig. Das Projekt Check the Facts – Mind the Gap, das im Jahr 2014 von der IG Kultur Österreich durchgeführt wurde, setzte zwei Schwerpunkte: Zum einen die Beobachtung des österreichischen Wahlkampfes zur EU-Parlamentswahl und zum zweiten eine Workshopreihe zum Thema verletzende Sprache mit jugendlichen Lehrlingen.

Ergebnisse dieser beiden Stränge waren einerseits humoristische Videoclips zu den Wahlen sowie die Toolbox Verletzende Sprache angehen. Mit der vorliegenden Publikation schließen wir diesen Themenzyklus und versammeln weitere Einsichten zur Kraftsprache und ihren Kampfplätzen. Mit Sookee konnten wir eine der queer-feministischen Rapperin im deutschsprachigen Raum für einen Beitrag gewinnen. In ihrem Text: Es heißt nicht: ›Fick deine Mutter‹, sondern ›Grüß deine Mutter‹ zeigt sie die Verbindungen von Medienlieblingen des Rüpel-Raps und Klassismus auf, so wie Möglichkeiten einer queer-feministischen Gegenrede, die sich im Battle um Wörter offen gegen Homo- und Transphobie und Sexismus stark macht. Um die Frage von Sprechverboten geht es Antje Schrupp mit ihrem Text: Wer darf was wann (nicht) sagen? und lotet dabei die Grenzen des Diskutablen aus. Die verzweifelte Floskel "Was darf man denn überhaupt noch sagen?" zeigt, wie sehr das Begehren nach einer nicht verletzenden und respektvollen Sprache, die Freiheit (zu Beleidigen?) in Frage stellt. Unter dem Motto Meinetwegen entschuldige ich mich untersucht der Beitrag von Olja Alvir die spezifische Situation der Medien. Als vierte Macht im Staat und angesichts der österreichischen Medienkonzentration schultern Journalist_innen eine besondere Verantwortung, sie sind jedoch selbst in die Produktion von rassistischen, sexistischen, homo- und transphoben, antisemitische, etc ... Wirklichkeiten involviert und profitieren von ihnen. Abschließend begibt sich Johannah Illgner auf den Battleground per se, das Internet. Mit ihrem Beitrag Kommunikation im Netz stellt sie die Frage nach dem verlorenen Körper in der Internet-Kommunikation und zeigt auf, wie Hass-Kampagnen im Netz funktionieren.


Die versammelten Texte sind in einem Meer von Grenzüberschreitungen durch Sprache nur ein buchstäblicher Tropfen auf dem heißen Stein, täglich wird von den Stammtischen bis zu Internetforen Nachschub zum Thema der Publikation geliefert. Die Sprache erweist sich dieser Tage in diesem Kontext als die demokratischste Form der Gewalt, der vereinfachte Zugang zu immer größeren Öffentlichkeiten, kollektive Ausprägungen der Enthemmung und die mediale Profitmaximierungen durch Aufmerksamkeitsökonomien, die vom Skandal leben, tun ihr Übriges.

Die andere Seite der Medaille und die Absicht dieses Projektes, ist es die eigenen Handlungsräume neu zu erdenken und zu ermöglichen. Mit Sprache in respektvoller Weise zu handeln ist keineswegs eine Einschränkung, sondern eine Erweiterung der eigenen Toolbox zur Kommunikation. In diesem Sinne eröffnen wir die Arena und fordern auf sich der einen und anderen Sprachquerele hinzugeben.

Zentralorgan, Fuck You, Sonderausgabe