Her mit der Feuerwehr! Von Freiheit & Prekarität

Mit knappem Geld lässt es sich auch nur knapp leben. Aber nicht nur niedriges Einkommen verursacht Prekarität. Wie kann beispielsweise frei studiert und gearbeitet werden, wenn ein/e KünstlerIn nicht im Besitz einer österreichischen oder EU-Staatsbürgerschaft ist?, fragte Petja Dimitrova zum Einstieg in Freiheit & Prekarität.

Am Giebel schlagen schon die Flammen aus, an der Dachrinne fängt der Reisig an zu kokeln – wie löschen wir das Feuer? Ersticken? In Wasser ersäufen? Darüber haben rund 50 Frauen aus Kunst, Kultur und Wissenschaft an zwei Tagen im novemberkalten Linz auf der Veranstaltung Freiheit & Prekarität nachgedacht. FIFTITU%, die IG Bildende Kunst, die IG Kultur Österreich und der Verband feministischer Wissenschafterinnen hatten eingeladen, um in einem „wissenschaftlichen, künstlerischen, kulturellen, zivilgesellschaftlichen, politischen und in jedem Fall feministischen Austausch“ die Prekarisierung von Arbeit und Leben, insbesondere in Kunst, Kultur und Wissenschaft, zu diskutieren. Denn das Feuer der Prekarisierung greift immer weiter um sich. Teilzeitbeschäftigung, Unterbezahlung, geringe Arbeitsplatzsicherheit, befristete Verträge, unzureichender Kündigungsschutz, Scheinselbständigkeit, Ich-AG und Generation Praktikum sind nur einige der Brandbeschleuniger, die Kulturschaffenden alles andere als fremd sind.

Brotlose Kunst?

Auch nicht dem Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur, erstellte es doch heuer die Studie „Zur sozialen Lage der Künstler und Künstlerinnen in Österreich“. Die Studie zeichnet ein wenig ermunterndes Bild von allen, die von der Kunst leben (wollen). Daniela Koweindl hat in „Linkskurven“ (Kulturrisse Heft 3/2008) die Studie analysiert und die „ungleichen Arbeitsbedingungen“ für Künstler und Künstlerinnen feststellen müssen. Da der / die durchschnittliche Kunstschaffende mit monatlich 1.000 € „Äquivalenzeinkommen“ auskommen muss, verwundert es kaum, dass die Armutsgefährdung der KünstlerInnen deutlich höher ist als in der österreichischen Gesamtbevölkerung. Genauso wenig überrascht es, dass Künstlerinnen rund 30% weniger Einkommen und eine höhere Teilzeitquote aufweisen als ihre männlichen Kollegen. Diese Quote steigt bei kunstschaffenden Müttern deutlich an – bei Künstlern hingegen nimmt die Teilzeitbeschäftigung trotz Vaterpflichten kaum zu. Es geht wohl nicht ohne Künstlerins Kreativität in Reproduktivität …

Raum und Zeit

Mit knappem Geld lässt es sich auch nur knapp leben. Aber nicht nur niedriges Einkommen verursacht Prekarität. Wie kann beispielsweise frei studiert und gearbeitet werden, wenn ein/e KünstlerIn nicht im Besitz einer österreichischen oder EU-Staatsbürgerschaft ist?, fragte Petja Dimitrova zum Einstieg in Freiheit & Prekarität. Am ersten Tag fand die Bundesvernetzung von Frauen in Kunst und Kultur statt, die 2004 aus der Taufe gehoben worden war und seither einen Forderungskatalog entwickelt hat. Das Vernetzungstreffen wurde als Open Space gestaltet. Das Charakteristische an der Methode des Open Space ist die inhaltliche und formale Offenheit – die TeilnehmerInnen selbst schlagen Themen im Plenum vor und diskutieren diese in Gruppen. In Linz wurde dadurch Raum, Zeit und die Möglichkeit, von Gruppe zu Gruppe zu gehen, gegeben, sodass eine selten intensive und oft sehr persönliche Auseinandersetzung stattfinden konnte. In der Arbeitsgruppe „Verweigerung“ beispielsweise suchten und fanden die Teilnehmerinnen angemessene Reaktionen auf unangemessene Entlohnung und erklärten ihren Verzicht auf die Quoten- und Alibifrau, anderswo wurde die Umverteilung des sozialen, symbolischen, kulturellen und ökonomischen Kapitals gefordert, bzw. wurden die Möglichkeiten ausgelotet, nicht Teil der Maschinerie der sozialen Ungerechtigkeit zu sein.

Sicherheit und Freiheit

Der zweite Tag wurde als Symposium des Verbands feministischer Wissenschafterinnen gestaltet. Der Verband organisiert seit 2002 regelmäßig Symposien, zuletzt im Oktober 2007 unter dem Titel Prekarität und Demokratie. Auf dem diesjährigen Symposium verlangten Juliane Alton und Elfie Resch die Umverteilung der notwendigen produktiven wie reproduktiven Arbeit und des Geldes, um sich der Utopie von Sicherheit und Zeit anzunähern, und machten sich dementsprechend Gedanken zum Grundeinkommen. Das Thema wurde heftig diskutiert, vor allem in Hinblick auf Bedingungslosigkeit versus Realisierbarkeit bzw. auf die Anforderungen an jene Töpfe, aus denen umzuverteilendes Geld stammen soll. Luzenir Caixeta hingegen fragte sich in ihrem Vortrag, was Mobilität für Prekarität und Freiheit bedeutet, und verfolgte dazu die Utopie von migrantischen Frauen. Denn in der Sehnsucht nach einem besseren Leben erfahren sie am eigenen Leib, wie die neoliberal-imperialistisch geprägten Begriffe „Freiheit“, „Mobilität“ und „Flexibilität“ einer ganz bestimmten Ausgrenzungslogik folgen, einer solchen nämlich, die unter „Mobilität“ stets eine einseitige Bewegung von „Norden“ nach „Süden“ (und nicht umgekehrt) versteht.

Das Skelett eines Manifests auf Deutsch, Englisch und Ungarisch konnte am Ende der Veranstaltung entworfen werden; bald soll daran Fett und Fleisch angelegt werden, um den zwei Tagen intensiver Arbeit einen Körper zu schenken. Eines jedoch haben die beiden Tage von Beginn an in aller Deutlich- und Dringlichkeit gezeigt: dass trotz unterschiedlicher Meinungen, Positionen und Ansätzen das Bedürfnis nach Solidarisierung und Vernetzung ungebrochen ist und die Bundesfrauenvernetzung von Frauen in Kunst und Kultur wie auch der Verband feministischer Wissenschafterinnen aufgefordert sind, diese Arbeit fortzuführen.

Frauenkultur
Verband feministischer Wissenschafterinnen

Meena Lang ist derzeit Allzweck-Karenzvertreterin in der IG Kultur Österreich