Jour Fixe: Architekturhauptstadt Graz
Jour Fixe am 7. Juni 2006 im Theater im Bahnhof, Graz. Günther Koberg, Plattform Architektur und Margareth Otti, Forum Stadtpark
Jour Fixe am 7. Juni 2006 im Theater im Bahnhof, Graz
Architektur.Hauptstadt.Graz
Günther Koberg, Plattform Architektur und Margareth Otti, Forum Stadtpark
Mittwoch, 7. Juni 2006, 18:30 Uhr, Theater im Bahnhof, Elisabethinerg.27a, Graz
Günter Koberg, Plattform Architektur Graz, HDA
Margareth Otti, Plattform Architektur Graz, Forum Stadtpark
Moderation: Michael Petrowitsch
Durch die Architekturplattform Graz (www.gat.st), in der Forum Stadtpark Graz, ZV/Zentralvereinigung der ArchitektInnen, HDA/Haus der Architektur, FAKarch/ Fakultätsvertretung Architektur, TU Graz/Architektur-Fakultät, ARTIMAGE und Art + Ing/Kammer der ArchitektInnen und IngenieurskonsuletInnen vertreten sind, ist die Architektur in der Steiermark relativ gut institutionalisiert.
Von dieser Plattform sind Günter Koberg (HDA), Martin Kramer (ZV), Margareth Otti (Forum) anwesend, sowie der Direktor des Grazer Stadtmuseums Otto Hochreiter, als Moderator der Plattform. (Er war noch vor seiner Berufung als Museumsdirektor in dieser Funktion installiert worden.)
Petrowitsch: Wie weit liegen Realität und Idealismus über die Architekturhauptstadt auseinander?
Koberg: Die Idee tauchte auf mit der Frage, was kann man tun, um den positiven Schwung aus dem Jahr 2003 wieder anzustarten – ohne die Fehler von damals zu wiederholen. Also Architekturvorträge ausschließlich von Architekten vermeiden. Vielmehr die Kombination mit anderen Sparten suchen. Und in diesem Rahmen geht es um zwei Themenkreise: Einerseits ein spartenübergreifendes Programm zu machen, andererseits breites Bewusstsein für „gebaute Umwelt“, das ist Städteplanung und Lebensraum im weitesten Sinn, zu schaffen. Ziel ist, Werkzeuge für bestmögliche Qualität zu bekommen.
Als erster Schritt sollte das Modell des bereits in fast allen anderen österreichischen Städten existierenden „Gestaltungsbeirates“ auch in Graz übernommen werden. Dafür gab es schon seit langen Vorbereitungen, die Umsetzung ist immer wieder an der Politik gescheitert (vermutlich im persönlichen Naheverhältnis des Bürgermeisters zur Bauwirtschaft, die im Gestaltungsbeirat eine zusätzliche Hürde befürchtet.)
Vom Arbeitstitel „Architekturhauptstadt“ sind wir abgekommen, weil er zu vorbelastet ist. Jetzt heißt das Projektpapier A/08. Ein Ziel wäre, Graz dem interessierten Kulturreisenden auf der Route Kassel-Linz-Graz-Venedig nahe zu bringen. Idealerweise kommt die Finanzierung des Projekts von Bund, Land und Gemeinde. Mit Landesrat Kurt Flecker gab es fruchtbare Gespräche. Er begreift die Architektur ebenfalls auf breiter Basis, das heißt, auch in ihrem sozialen Kontext, als gebaute Umwelt. Er hat ersucht, das Architektur-Konzept besser auszuarbeiten um es in den Gremien im Landtag präsentieren zu können. Bis jetzt haben wir 50.000 Euro vom Land Steiermark zugesagt bekommen. Von der Stadt gibt es noch keine Entscheidung. Bei der Durchführung sind alle Sparten eingeladen mitzuarbeiten, und zwar gegen Entgelt. Das Gesamtprojekt soll ungefähr wie zwei kleine Landesausstellungen budgetiert werden, Größenordnung 9 Mio. Euro.
Was ist mit Transdiziplinarität gemeint? Der Schlüssel dazu ist vielleicht das Motto „Erarbeitung des Raumes“. Es geht darum dem Raum eine Zukunft zu geben. Planung, Bauen und Stadtgestaltung passiert in Graz auf fürchterliche Weise. Die Sozialstrukturen sind weitgehend unerforscht. Wie ist die Verteilung der Menschen in Graz? Was sind ihre Bedürfnisse da und dort? Welche Verbesserungen werden gewünscht? Darüber gibt es kaum Sozialdaten, beziehungsweise bleiben sie ungenutzt und uninterpretiert. Keiner analysiert die Situationen. Es geht darum, das Interesse dafür einzuleiten, Prozesse zu starten und diese Prozesse auch zu benennen. Die Raumplanung läuft bei uns nach einem 200 Jahre alten Muster ab! – Das muss einmal jemand laut sagen, auch in der Politik. Oder auch: Alle wissen, dass die Autoproduktion im Südosten von Graz ein Ablaufdatum hat. Das Ende wird Graz massiv beeinflussen. Was passiert mit den leeren Hallen nachher? Warum wird das nicht thematisiert? Wohin soll dieser Stadtteil sich in Zukunft entwickeln? (Weitere Chancen: Überregionale Strahlkraft der Fläche Grazer Messe, Annenstraße als asiatisches Viertel kultivieren, Herrengasse etc.etc.) Und darüber hinaus geht es auch um ein Profil für die ganze Region Südosteuropa: Es gibt von der ZV gute Kooperationen Graz-Marburg. Aber als der Flughafen Graz mit Shuttlebus-Service mit dem Flughafen Marburg zusammengelegt werden sollte, hat das merkwürdige Reaktionen ausgelöst: Man hat still und heimlich die Landebahn in Graz verlängert und unnötig Geld verpulvert, statt weiträumige Lösungen anzudenken, die auf der Hand liegen. Auch ein wichtiges Thema: Wohnen und Raumgestaltung, wo alte Menschen nicht auf Hilfe angewiesen sind.
Die Phasen des Projekts sind also:
1. Bewusstsein schaffen, einen Aufhänger in allen Kunstsparten finden. Mit Schulen arbeiten, mit allen Fakultäten der Universitäten zusammenarbeiten. Gremium des Gestaltungsbeirats mit InvestorInnen, BauherrInnen und ArchitektInnen einrichten.
2. Dinge werden sichtbar, kommen an die Oberfläche, werden thematisiert. Hier soll es ein Programm über ein Jahr geben, das auch die finanzierenden PolitikerInnen ermöglicht, in Erscheinung zu treten.
3. Danach geht es weiter. Die berühmte Nachhaltigkeit: Auf internationaler Ebene zu denken beginnen.
Wie funktioniert die Beteiligung? Wie organisiert man den Dialog? Die Geschäftsführung agiert als Nicht-IntendantIn und macht die Vorprüfung und Durchführung des Projekts. Inhaltlich entscheidend ist aber der Programm-Beirat. In diesen werden wir in nächster Zeit verschiedenen Institutionen, etwa auch die IG Kultur Steiermark einladen, VertreterInnen zu entsenden. Für uns als Plattform läuft die Vorbereitung des Projekts als „Freizeitprogramm“, also mit sehr wenig Zeit und Ressourcen. Es braucht Politiker, die mutig sind, Ansprechpersonen auf dieser Ebene. Es fehlt der Versuch etwa des Kulturstadtrates hier ein ressortübergreifendes Budget zustande zu bringen. Wir gehen da auch eins mit der Industriellenvereinigung, die – mit anderem Interessensschwerpunkt – ebenfalls den Mangel an Visionen bedauert (zuletzt in der Veranstaltung „Graz initiativ“).
Der aktuelle Stand des Projekts wird künftig auf der Homepage der Plattform Architektur nachzulesen sein: www.gat.st