„KünstlerInnen-Visum“ im Pass? Gilt nicht mehr! Das Ende der Niederlassungsbewilligung für KünstlerInnen und WissenschafterInnen

Über kurz oder lang sollen alle KünstlerInnen und WissenschafterInnen ohne EU/EWR-Pass Österreich wieder verlassen. Damit diese Maßnahme aus dem Vollen schöpfen kann, gilt sie nicht nur für neue AntragstellerInnen, sondern gleichermaßen auch für alle, die mitunter schon seit Jahren in Österreich leben und arbeiten.

Aus. Schluss. Vorbei. Die Niederlassungsbewilligung für KünstlerInnen und WissenschafterInnen gibt es nicht mehr. So will es das berüchtigte Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) seit 1.1.2006. Über kurz oder lang sollen alle KünstlerInnen und WissenschafterInnen ohne EU/EWR-Pass Österreich wieder verlassen. Damit diese Maßnahme aus dem Vollen schöpfen kann, gilt sie nicht nur für neue AntragstellerInnen, sondern gleichermaßen auch für alle, die mitunter schon seit Jahren in Österreich leben und arbeiten. „Fort mit ihnen!“, lautet die Intention des von ÖVP, SPÖ und BZÖ in trauter Einigkeit beschlossenen Gesetzes.

Wer also eine noch nicht abgelaufene Niederlassungsbewilligung als KünstlerIn oder WissenschafterIn im Pass stehen hat und meint, damit auf der sicheren Seite zu sein, irrt gewaltig. Zur Niederlassung berechtigt eine solche Eintragung im Pass seit Schlag Mitternacht des Jahreswechsels 2005/2006 nicht mehr. Dafür sorgt die so genannte Durchführungsverordnung zum NAG – eine Begleitmaßnahme, die unter anderem regelt was aus jenen Aufenthaltstiteln wird, die mit dem jüngsten Fremdenrechtspaket abgeschafft wurden. Und dort steht geschrieben: Eine Niederlassungsbewilligung für KünstlerInnen gilt ab 1.1.2006 als Aufenthaltsbewilligung für KünstlerInnen.

Die Tücke liegt im Detail, die Konsequenzen folgen schleichend. Eine solche Zurückstufung des Aufenthaltsstatus ist jedenfalls verhängnisvoll und leitet den Rausschmiss aus Österreich ein. Nun, gut ein Jahr nach Inkrafttreten des NAG, hat sich der Paragrafendschungel allmählich gelichtet und KünstlerInnen setzen sich zur Wehr. Erste Beschwerden beim Verfassungsgerichtshof sind bereits eingebracht, gleichzeitig läuft der Countdown für all jene, die die äußerst kurzen Zeiträume für eine Berufung noch wahrnehmen wollen. Aber der Reihe nach:

Was ist eine Niederlassungsbewilligung? Was ist eine Aufenthaltsbewilligung? Und wo liegt der feine Unterschied?

Niederlassung bedeutet, den Wohnsitz und den Mittelpunkt der Lebensinteressen in Österreich zu haben und hier eine nicht bloß vorübergehende Tätigkeit aufzunehmen. Das Gesetz geht dabei von einer „nicht bloß vorübergehenden befristeten Niederlassung“ aus. Relevant ist das grundsätzliche Vorhaben der AntragstellerIn, auf Dauer in Österreich zu bleiben. Ob die InhaberIn einer solcher Niederlassungsbewilligung dann tatsächlich bleibt, ist – bzw. war – selbstverständlich ihre Sache.

Anders ist es bei der Aufenthaltsbewilligung, die für einen vorübergehenden befristeten Aufenthalt zu einem bestimmten Zweck erteilt wird (zum Beispiel für die Dauer eines Projekts). Zwar kann die Aufenthaltsbewilligung verlängert werden (jeweils um sechs bis zwölf Monate), doch wie oft ist ungewiss. Das liegt im Ermessensspielraum der zuständigen Behörde, die bei jedem Verlängerungsantrag prüfen muss, ob die Aufenthaltsbewilligung auch noch der tatsächlichen Aufenthaltsabsicht entspricht. Drängt sich nach einiger Zeit der „Verdacht“ auf, dass die KünstlerIn bzw. WissenschafterIn gar nicht nur vorübergehend und befristet bleiben möchte, ist die Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung zu verweigern. Je länger die AntragstellerIn bereits in Österreich lebt, desto naheliegender also ein solcher Verdacht. Eine Niederlassungsbewilligung wäre in diesen Fällen gerade richtig und auch erforderlich, ist für KünstlerInnen und WissenschafterInnen aber explizit nicht mehr vorgesehen.

Zwar wurde auch die Niederlassungsbewilligung für KünstlerInnen und WissenschafterInnen entsprechend der früheren Gesetzeslage zunächst immer nur befristet für ein oder zwei Jahre ausgestellt, aber nach fünf Jahren war eine unbefristete Niederlassung möglich und ein Ende des wiederkehrenden bürokratischen Spießroutenlaufs in Sicht. Schließlich war es für die meisten KünstlerInnen bzw. WissenschafterInnen ohnehin nervenaufreibend und schwierig genug, jedes (zweite) Jahr aufs Neue die Liste an Voraussetzungen zu erfüllen (existenzsicherndes Mindesteinkommen ausschließlich aus der künstlerischen bzw. wissenschaftlichen Tätigkeit, Nachweis über Aufträge, Arbeitsverträge etc.).

Mobilität per Verordnung. Wer sich wehren will, hat 14 Tage Zeit.

Nun gibt es aber KünstlerInnen und WissenschafterInnen (eine ohnehin nicht sehr große Zahl), die bereits seit einiger Zeit in Österreich leben und arbeiten und am Silvesterabend 2005 noch in Österreich als niedergelassen galten. Tags darauf war juristisch betrachtet alles anders, ohne dass die Betroffenen von sich aus etwas getan hätten. Der Gesetzgeber sagte per Verordnung quasi: „Du bist nur noch vorübergehend da. Wir unterstellen, du willst gar nicht auf Dauer hier sein“, wie es die Rechtsanwältin Doris Einwallner bei einem Vortrag im Dezember 2006 anschaulich auf den Punkt brachte. Das Innenministerium sieht das freilich anders und hielt zuletzt in einem Schreiben an die IG Bildende Kunst fest: Mit der „Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung (…), die nicht zur Niederlassung berechtigt, wird lediglich die meistens hohe Mobilität dieser Personengruppe berücksichtigt.“ Eine solche Aberkennung der Niederlassungsbewilligung ist zweifellos ein massiver Eingriff in die individuelle Lebensplanung.

Fremdenrechtsexpertin Doris Einwallner sieht in einer solchen Zurückstufung des Aufenthaltsstatus gleich mehrere Grundrechte verletzt. Auf juristischem Weg haben KünstlerInnen und WissenschafterInnen beschränkte Möglichkeiten, sich zur Wehr zu setzen, doch diese gilt es unbedingt zu nutzen. Die zeitlichen Spielräume dafür sind ebenso gering gehalten. Mit dem Tag der Abholung des neuen Aufenthaltstitels (seit 2006 in Form einer Karte) beginnt die Frist bereits zu laufen. 14 Tage bleiben Zeit, um gegen die Aufenthaltsbewilligung Berufung einzulegen. Die Aufenthaltsbewilligung verliert während der Berufung nicht ihre Gültigkeit. Inhalt der Berufung ist vielmehr, die Herabsetzung von einer Niederlassungs- auf eine Aufenthaltsbewilligung sogleich zu beanstanden und Anspruch auf eine Niederlassungsbewilligung zu erheben. Zu erwarten ist von einer solchen Berufung im Moment freilich nichts außer einer Ablehnung, wie Doris Einwallner ernüchternd festhält. Die Berufung ist aber Voraussetzung, um den nächsten und aussichtsreicheren Schritt zu setzen: Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Denn nicht nur politische, auch juristische Argumente gegen diese Rechtslage gibt es ausreichend.

Angriff auf Grundrechte

Zum einem wird das Recht auf Achtung des Privat- und Familienleben missachtet (Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention). Was das in der Praxis bedeutet, zeigte etwa eine Musikerin auf, die die Verlängerung ihrer Niederlassungsbewilligung beantragt hat und – dem NAG entsprechend – mit einer Aufenthaltsbewilligung abgespeist wurde. Sie hätte im April 2006 die erforderlichen fünf Jahre für eine unbefristete Niederlassung in Österreich erreicht. Mit der Aufenthaltsbewilligung befindet sie sich nun jedoch auf einem Schleudersitz, während ihr in Österreich geborener Sohn (der Vater hat die österreichische Staatsbürgerschaft) weiterhin als niedergelassen gilt und sehr wohl nach fünf Jahren den Daueraufenthalt bekommen wird. Dass die Künstlerin einen dauerhaften Aufenthalt in Österreich geplant hatte, steht außer Zweifel. Diese Absicht wurde ihr bis zum 31.12.2005 mit der Niederlassungsbewilligung auch rechtlich zugestanden. Die KünstlerIn hat mittlerweile Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof eingereicht. Kommt der Verfassungsgerichtshof zur Erkenntnis, dass eine Grundrechtsverletzung vorliegt, muss die Rechtslage grundsätzlich geändert werden. Ein erfolgreicher Kampf einer KünstlerIn hat also positive Veränderungen für alle zur Folge.

Ein anderer Punkt ist das Recht auf Gleichbehandlung von „Fremden“ untereinander. Eine Person, die eine andere Berufstätigkeit als eine künstlerische oder wissenschaftliche ausübt und vor dem 1.1.2006 schon eine Niederlassungsbewilligung hatte, bekommt auch nach dem neuen Gesetz wieder eine Niederlassungsbewilligung. KünstlerInnen bzw. WissenschafterInnen hingegen bleibt dies ausschließlich aufgrund des Berufs verwehrt.

Darüber hinaus ignoriert die neue Rechtslage das Grundrecht auf Freiheit des künstlerischen Schaffens bzw. die Freiheit der Wissenschaft. Zwar können – im Gegensatz beispielsweise zu anderen Berufsgruppen – KünstlerInnen und WissenschafterInnen weiterhin ohne eine Quotenbeschränkung nach Österreich kommen und eine Aufenthaltsbewilligung erhalten. Aber mit der Ungewissheit, wie lange der Aufenthalt letztlich erlaubt wird, bleibt die Frage verknüpft: Wie kritisch kann ich als KünstlerIn noch sein, wenn ich Angst vor aufenthaltsrechtlichen Konsequenzen haben muss? Können provokative und/oder (gesellschafts-) kritische künstlerische Interventionen als eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit bewertet werden? Doris Einwallner verweist in diesem Zusammenhang auch auf mögliche Kettenreaktionen beim Verlust von öffentlichen Fördergeldern: „Bekomme ich keine Förderungen, dann schaffe ich es vielleicht auch nicht, das notwendige Einkommen für die Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung nachzuweisen. Bin ich die Förderungen los, bin ich den Aufenthalt los.“

Was tun? Von allen Seiten attackieren!

Grundrechtsverletzungen durch das NAG treffen keineswegs nur KünstlerInnen und WissenschafterInnen. So macht seit über einem Jahr etwa die Initiative Ehe ohne Grenzen ohne Unterlass auf die verhängnisvolle Situation von binationalen Paaren aufmerksam. Das NAG verwehrt schließlich seit 1.1.2006 Tausenden EhepartnerInnen von österreichischen PassinhaberInnen die Niederlassungsbewilligung und ignoriert wiederum das Menschenrecht auf Privat- und Familienleben. Zahlreiche Beschwerden aufgrund von Auswirkungen des umstrittenen Fremdenrechtspakets liegen dem Verfassungsgerichtshof mittlerweile vor. In dessen Frühjahressession 2007 bilden Verfahren aus dem Fremden- und Asylbereich einen Schwerpunkt.

Parallel zu politischer Arbeit und Aktion gegen Ausschlusspolitiken sind auch Gegenschritte auf dem Rechtsweg ungemein wichtig. Denn solange hierzulande kein politischer Veränderungswille besteht[1], sind juristische Angriffe die einzige Chance, legistische Veränderungen zu erzwingen. Und dafür sind Beschwerden – auch von KünstlerInnen! – unerlässlich.

1 Innenminister Platter hält nichts von Gesetzesänderungen: „Das wird nicht aufgeweicht!“ Im großkoalitionären Regierungsprogramm wird eine Lobeshymne auf das Fremdenrechtspaket 2005 gesungen.

Anmerkung
Informationsmaterialien zu Aufenthalt und Beschäftigung für KünstlerInnen ohne EU/EWR-Pass sowie weitere Texte zum Thema unter:
IG Bildende Kunst

Die IG Bildende Kunst bietet ggf. auch (finanzielle) Unterstützung für eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof.

Daniela Koweindl ist kulturpolitische Sprecherin der IG Bildende Kunst.