Kulturbericht 2022

Die IG KiKK hat den kürzlich veröffentlichten Kulturbericht 2022 des Landes Kärnten/Koroška mit besonderem Fokus auf Kulturinitiativen analysiert. Sie erkennt positive Tendenzen, aber benennt auch Maßnahmen, um die freie Kulturszene in Kärnten/Koroška nachhaltig abzusichern und weiterzuentwickeln: Es braucht ein höheres Kulturbudget zugunsten der freien Szene und der Umsetzung von Fair Pay!

Das Kulturbudget steigt - eine begrüßenswerte Entwicklung der letzten Jahre. Im Gegensatz zu 2021 floss die Erhöhung 2022 nicht (nur) in die öffentlichen Einrichtungen, sondern hauptsächlich in das Großprojekt „Thinking Domenig“. Damit bleibt die Verteilungsungerechtigkeit aufrecht: 69% des Budgets, das sind über € 19 Mio., sind für vier Einrichtungen reserviert. Von den gesamten 28 Mio. bleiben 8,8 Mio. für über 800 Positionen! Ein direkter Vergleich: In der Likus[i] Kategorie Kulturinitiativen erhalten 80 Organisationen € 800.000.

Die Verteilung der Mittel wird dem Anteil, den die freie Szene am Kunst- und Kulturangebot in Kärnten/Koroška einnimmt, bei weitem nicht gerecht. Die fehlende Indexierung der Kulturfinanzierung kommt zusätzlich einer tatsächlichen Kürzung gleich. Es bedarf einer grundsätzlichen Erhöhung des Kulturbudgets zugunsten von freischaffenden und unabhängigen Kulturorganisationen und -personen. Und einer Indexierung der Kulturförderung.

Die Schwerpunktjahre sind für Sichtbarkeit und zeitliche begrenzte finanzielle Erhöhung für die im Fokus stehende Sparte sehr wichtig. Es gilt, diese positive Entwicklung mitzunehmen und nachhaltig zu verankern. Dies ist derzeit nur durch zusätzliche Förderschienen möglich, setzen diese aus, sinken die Budgets wieder. Nur eine eklatante Erhöhung des Kulturbudgets für die freie Kulturarbeit ermöglicht die Absicherung der Basisstrukturen unabhängig von Krisen und Sonderbudgets.

Kulturinitiativen arbeiten langfristig und qualitativ gut, wenn Strukturen gesichert sind. Um künstlerisches Programm umzusetzen und gesellschaftliche Benefits zu entfalten, braucht es Personal vor und hinter der Bühne. Faire Entlohnung für diese Menschen braucht eine Anpassung des Budgets - eine Erkenntnis, die im Kulturbericht mehrmals aufgestellt wird und zu der sich Peter Kaiser bei dessen Präsentation auch bekannt hat[ii].

2022 gab es dafür erste Fair-Pay-Zuschüsse. € 100.000 für Fair Pay sind ein großartiger erster Schritt. Wenn diese Schritte allerdings nicht rasch größer werden, haben wir noch einen langen Weg vor uns.

 


Analyse des Kulturberichts 2022

Entwicklung und Verteilung

Das Kulturbudget betrug 2022 etwa € 28,1 Mio. und ist damit das höchstdotierte seit 2012. Die Erhöhung um € 600.000 (+2,24%) zum Vorjahr wird mit der Auszahlung der zweiten Tranche für das Projekt „Thinking Domenig“ (€ 472.500) begründet. Außerdem konnten wieder mehr Aktivitäten im Bereich der Volkskultur (Brauchtums- und Heimatpflege, Musikkapellen, Chöre) stattfinden. (S.6) Auch die Vorbereitung des Jahres der Volkskultur 2023 trugen dazu bei, dass die Likus Kategorie „Brauchtums- und Heimatpflege“ von € 377.996,08 auf € 621.983,98 um fast 65% erhöht wurde.

Vom gesamten Kulturbudget gingen wieder 69 Prozent an vier landesnahe Einrichtungen. Somit blieb der Budgetanteil für die Landesinstitutionen im Vergleich zu 2021 konstant auf hohem Niveau. Im Gegensatz zu 2021 kam die Erhöhung des Kulturbudgets somit nicht ausschließlich den öffentlichen Einrichtungen zugute, die von der IG KiKK seit Jahren geforderte Umverteilung zugunsten der freien Szene hat jedoch weiterhin nicht stattgefunden.

Im Detail sanken die Ausgaben für das kärnten.museum (vormals Landesmuseum) (€ 6,81 Mio., -8,98%), das Kärntner Landesarchiv (€ 1,17 Mio., -6,69%) und das Museum Moderner Kunst Kärnten – MMKK (€ 0,7 Mio., -1,48%). Lediglich das Stadttheater Klagenfurt verzeichnet Mehrkosten i.d.H.v. € 1.138.000 (€ 10,6 Mio., +12,02%), worauf die Erhöhung der Likus Kategorie Darstellende Kunst zurückzuführen ist. Insgesamt flossen € 19,28 Mio. in die vier öffentlichen Einrichtungen.

Übrig bleiben € 8,82 Mio., die sich auf alle anderen Sparten und Positionen im Kulturbericht verteilen. Diesen insgesamt fast 800 Positionen (Museen & Wissenschaft, Baukulturelles Erbe, Volkskultur, Literatur, Musik, Darstellende Kunst, Bildende Kunst, Film, Kulturinitiativen, Kulturzeitschrift Die Brücke, Landeskulturpreise, Stipendien, usw.) stehen somit nur 31% des Kulturbudgets zur Verfügung.

Neben den landesnahen Einrichtungen gibt es nur elf weitere Positionen, die eine Summe von über 100.000 Euro ausweisen und zusammen 1,7 Millionen Euro einnehmen. Darunter sind Festivals, allen voran der Carinthische Sommer (€ 380.000), Komödienspiele Porcia (€ 180.000 zzgl. € 18.000 Theaterwagen), Trigonale (€ 172.500) und Musikwochen Millstatt (€ 120.000). Die Aktivitäten der neuebuehne villach sind mit € 200.000 dotiert, das Klagenfurter Ensemble erhält € 125.000.
Die Brauchtumsmesse 2022 schlägt mit € 164.800,85 zu Buche. Für die Produktionskosten der Kulturzeitschrift Die Brücke sind €150.017,46 ausgewiesen. Die Vertragssubvention des Naturwissenschaftlichen Vereins für Kärnten beträgt €126.899,38.
Der Schwerpunkt im Kunst- und Kulturjahr 2022 wurde im Bereich der Bildenden Kunst unter dem Titel »CLOSE(D) FUTURE« ausgerufen. Für die Gestaltung erhielt der Kunstverein für Kärnten € 100.000.-.
Die letzten Ausläufer des Jubiläumsprojektes CARINTHIja 2020, das der freien Szene in den letzten Jahren zu Gute gekommen ist, machen 2022 noch € 99.376,38 über alle Sparten hinweg aus.
Während der Coronapandemie wurden Arbeitsstipendien entwickelt, um freischaffende Künstler*innen und Wissenschaftler*innen zu unterstützen. 2022 wurden 76 davon zu je € 2.760 um insgesamt rund € 209.760 vergeben.

 

Kulturinitiativen

Die LIKUS Kategorie „Kulturinitiativen und -zentren“ verzeichnet zum zweiten Mal in Folge eine Kürzung im Vergleich zum Vorjahr. Die Reduktion um 5,66% auf € 825.235,42 wird mit dem Wegfall zusätzlicher Calls (Call2021, Projektentwicklungsförderung) begründet. (S.6) 2022 gelangten noch Projektförderungen im Rahmen von CARINTHIja 2020 in der Höhe von € 18.245,42 zur Auszahlung. Somit scheint sich die Befürchtung langsam zu bewahrheiten, dass ohne zusätzliche Projektförderungen das Niveau der Subventionen für Kulturinitiativen nicht gehalten werden kann – von einer Anpassung an die gestiegenen Preise ganz zu schweigen.

Die Projektentwicklungsförderung ermöglichte 2021 erstmals die ansonsten unbezahlte Arbeit für Konzeption und Recherche zu entlohnen. Gerade im Hinblick auf die Bestrebungen, die Bezahlung für den Kunst- und Kulturbereich zu verbessern, ist dieses Aussetzen besonders bedauerlich.

 

IG KiKK-Mitglieder

Aufgrund der Selbstzuordnung beim Förderansuchen sind nicht alle IG KiKK-Mitglieder in LIKUS Kategorie Kulturinitiativen aufgelistet, sondern verteilen sich auch auf die jeweiligen Sparten (Darstellende Kunst, Musik, Literatur, Bildende Kunst, …).

Von den 81 Mitgliedsinitiativen der IG KiKK haben 60 eine Förderung von der Kulturabteilung des Landes Kärnten mit einer Gesamtsumme von € 1.148.288 erhalten. Hiervon zählen € 12.293.- noch zum Jubiläumsprojekt CARINTHIja 2020. Im Vergleich zu 2021 ist die Fördersumme dieser Mitglieder um € 95.693 gestiegen, was auch auf sechs Erstförderungen aufgrund von Neugründung zurückzuführen ist.

  • 26 Mitglieder erhalten weniger als € 10.000 und erreichen den Schwellenwert für eine Mehrjahresförderung nicht!
  • 18 Mitglieder erhalten zwischen € 10.000.- bis € 20.000
  • Sechs Mitglieder erhalten zwischen € 20.000.- bis € 30.000
  • Vier Mitglieder erhalten zwischen € 30.000.- bis € 50.000
  • Sechs Mitglieder erhalten € 50.000 oder mehr.

Im Detail stehen im Vergleich zum Vorjahr 32 Erhöhungen des jeweiligen Förderbetrages 15 Kürzungen gegenüber. Gerade die Verteilung entlang der Summenhöhe spricht ein eindeutiges Bild: Bei mehr als der Hälfte der Förderungsempfängerinnen beträgt die Förderung weniger als € 10.000! Diese Initiativen sind für eine Mehrjahresförderung nicht antragsberechtigt und haben damit keine sichere Planungsperspektive. Nur 10 Initiativen erhalten über € 30.000.

Somit können 50 von 60 Mitgliedsinitiativen mit ihrer Jahresförderung nicht gleichzeitig Programmgestaltung und Anstellungen finanzieren: Basierend auf den Fair-Pay-Richtlinien betragen die Personalkosten für eine Anstellung mit 20 Wochenstunden in der Gruppe 3[iii] jährlich € 26.322,40[iv]. Damit ist für den Großteil der Kulturinitiativen angemessene Bezahlung der Kulturarbeit nicht leistbar.

 

Interpretation

Insgesamt sind Aussagen über eine Kulturbudgetentwicklung schwer zu treffen. So ist zwar die Gesamtsumme in den letzten vier Jahren jährlich gestiegen, erreicht jedoch nicht die bereits dagewesenen Spitzen von 2012 oder 2009.

Eine Erhöhung ist grundsätzlich positiv zu werten, die fehlende Indexierung der Kulturfinanzierung kommt dennoch einer tatsächlichen Kürzung gleich, auch wenn die Kulturausgaben in Summe steigen. Unter Berücksichtigung der Inflation 2021 von 2,8% (VPI[v]) wäre eine Erhöhung um € 768,320 nötig gewesen, um die Kaufkraft des Kulturbudgets zu erhalten. Dabei sind noch keine kulturpolitischen Schwerpunkte oder strategischen Entwicklungsanreize gesetzt. Insbesondere dem Bestreben, faire Bezahlung im Kulturbereich voranzutreiben, steht die ausbleibende Inflationsanpassung – wie sie beim Bund umgesetzt[vi] wurde – konträr gegenüber. Einstweilen werden steigende Material- und Energiepreise auf Kosten der Kulturarbeiter*innen und Künstler*innen getragen. Dies beweist die Dringlichkeit von Kulturförderung jenseits herkömmlicher Strukturen mit Subventionen, die sich an den tatsächlichen Kosten orientieren und somit nicht zu unfreiwillig unbezahlter Arbeit führen.

 

Ein langer Weg zu Fair Pay

2022 gab es im Bereich der darstellenden Kunst „erstmals Fair-Pay-Zuschüsse in Höhe von bis zu 20 Prozent der Vorjahresförderung. Insgesamt wurden so knapp 100.000 Euro zusätzlich ausbezahlt.” (S.80) Diese Zuschüsse sind nicht separat aufgeführt.

Dem Landeshauptmann und Kulturreferent Dr. Peter Kaiser liegt Fair Pay „am Herzen“, da das Thema „für mehr Gerechtigkeit in der Kulturszene steht“. (S.5) Im Sinne dieser Gerechtigkeit plädiert die IG KiKK dafür, den Zugang zu Fair-Pay-Zuschüssen künftig für Kulturorganisation aller Sparten zu öffnen. Die Offenlegung des zugrundeliegenden Kriterienkataloges sowie der ausgezahlten Zuschüsse würde Transparenz gewähren und Vertrauen fördern.

Im Kulturbericht wird mehrmals die Notwendigkeit budgetärer Anpassungen für die Umsetzung von Fair Pay betont. Die Berechnungen des vom Land 2021 geförderten Projektes „Soziale Absicherung – Honoraruntergrenzen – Alternative Fördermodelle“ ergaben allein im darstellenden Bereich einen zusätzlichen Förderbedarf von rund 100%[vii]. Dies deckt sich mit der jahrelangen Forderung der IG KiKK nach einer Verdoppelung der Fördermittel für die freie Szene. Um in Sachen Fair Pay voranzukommen, bedarf es daher substanzieller Erhöhungen des Kulturbudgets bzw. der an Personalkosten gebundenen Zuschüsse!

Auf dem Weg dorthin sollte das Land Maßnahmen setzen, die die Planungssicherheit stärken: Dazu zählt etwa den Zugang zu Mehrjahresverträgen zu erleichtern und deren Anzahl zu erhöhen sowie Arbeitsstipendien und Projektentwicklungsförderungen als fixe Förderinstrumente zu etablieren. Auch eine schnellere Abwicklung der Jahresförderungen und insbesondere schnellere Auszahlungen (innerhalb des 1. Quartals des Jahres) unterstützen die Liquidität von Kulturorganisationen und sichern damit Existenzen von in der Kultur Tätigen.

 

Die angegebenen Zahlen und Aussagen wurden anhand des Kulturberichtes 2022 des Landes Kärnten/Koroška erarbeitet, abrufbar unter https://www.kulturchannel.at/fileadmin/user_upload/kulturberichte/kultu…

Sofern nicht anders angegeben, beziehen sich die Seitenverweise auf diese Quelle.

[i] "Die im Kulturförderungsbericht dargestellten Förderungskategorien entsprechen dem in Österreich üblichen LIKUS-Modell (Länderinitiative Kultur-Statistik). Das LIKUS-Modell wurde am Institut für Kulturwissenschaften (IKM) der Universität für Musik und darstellende Kunst in Wien mit dem Ziel, Förderungsberichte auf Bundes- und Länderebene möglichst einheitlich zu gestalten, entwickelt." (S.6)

[ii] „Fair Pay ist eines der Themen, das mir besonders am Herzen liegt, da es für mehr Gerechtigkeit in der Kulturszene steht“, nennt Kaiser einen weiteren Schwerpunk des Jahres 2022. Das Land Kärnten bekennt sich auch im Regierungsprogramm 2023-2028 zu mehr Fairness und wird nach dem erfolgten Start weitere Schritte setzen, um bessere Rahmenbedingungen für Beschäftigte im Kulturbereich zu erreichen. Auch in den folgenden Jahren wird diese Thematik daher in den Kulturbudgets des Landes Kärnten ihren Niederschlag finden. https://www.ktn.gv.at/Service/News?nid=36522

[iii] Tätigkeitsbeschreibung: Selbständiges Erledigen administrativer Aufgaben wie Kassaführung, Abrechnungen, Archivierung, allgemeiner Schriftverkehr, Veranstaltungsorganisation, Mitgliederadministration, selbständige Betreuung der Datenbank, Durchführung von Recherchen, Erstellen von Projektdokumentationen/ Jahresberichten aus vorhandenem Material; Vorbuchhaltung, Projektassistenz, Marketing, Redaktion von Programmen, Bibliotheksbetreuung.

[iv] Kosten laut den Fair-Pay-Empfehlungen für das Jahr 2022 ermittelt anhand des Fair-Pay-Rechners der Kulturplattform Oberösterreich, abrufbar unter: https://kupf.at/fairpayrechner/

[vii] IG Theater Tanz Performance Kärnten Koroška (2021): FAIRP(L)AY. Soziale Absicherung – Honoraruntergrenzen – alternative Fördermodelle, S.12.