Kulturpolitik in der Steiermark – wie soll es weitergehen?
Wir haben die Wahlprogramme der kandidierenden Parteien zusammengefasst, um einen Überblick über ihre kulturpolitischen Vorstellungen sowie ihre Lösungsansätze für die gegenwärtigen Herausforderungen im kulturellen Feld in der Steiermark als Wahlhilfe zu geben.
Am Sonntag dem 24.11.2019 finden in der Steiermark Landtagswahlen statt. Wir haben die Wahlprogramme der kandidierenden Parteien zusammengefasst, um einen Überblick über ihre kulturpolitischen Vorstellungen sowie ihre Lösungsansätze für die gegenwärtigen Herausforderungen im kulturellen Feld in der Steiermark als Wahlhilfe zu geben.
In ihrem Wahlprogramm skizziert die SPÖ ihre Vision von der Zukunft der Steiermark. Im „Kapitel Steiermark – unser bestes Zuhause“ versteckt sich die Kulturpolitik. Die SPÖ sieht die Kunst und Kultur als gesellschaftliche Aufgabe, deren ausreichende Finanzierung aus öffentlichen Mitteln gewährleistet sein muss. Ihr geht es bei den konkreten kulturpolitischen Forderungen vor allem um die Verbesserung der sozialen Lage der Kulturschaffenden und um einen gleichrangigen Zugang zu Kultur. Für die SPÖ steht fest, dass Kultur Arbeit ist und als solche entlohnt werden muss. Sie fordern deshalb Mindeststandards (Fair Pay) bei der Entlohnung, die von Kulturinitiativen, der Kulturverwaltung und Kulturpolitik eingehalten werden müssen. Damit auch die Menschen am Land Zugang zu Kunst und Kultur haben, sollen die Kunst- und Kulturinitiativen in den Regionen gezielt gefördert werden. Deshalb fordern sie den Ausbau der Aktion „Hunger auf Kunst und Kultur“ in den Regionen.
Auf die gesellschaftsverändernden Potentiale von Kunst und Kultur kommt die SPÖ nur bei der Jugendkultur zu sprechen. Deren Subkulturen sollen gefördert werden, da ansonsten die Individualität, Kreativität und Reflexionsfähigkeit der Jugendlichen verloren ginge. Eine Erkenntnis, die an und für sich auf die gesamte Gesellschaft zutreffen würde.
In der „Steiermark Agenda“ der ÖVP ist der Kultur unter dem Titel „Kultur erleben“ ein eigenes Kapitel gewidmet. Die facettenreiche kulturelle Identität der Steiermark besteht für die ÖVP aus Volkskultur, Kultur, Hochkultur und Avantgarde. Darüber hinaus ist Kunst und Kultur für die ÖVP auch Teil der Kreativwirtschaft und dient der Eröffnung neuer Perspektiven auf Wirtschaft und Gesellschaft, die die Steiermark in Europa weiterbringen sollen. Aus dem Wahlprogramm sticht besonders das Anliegen, den Bekanntheitsgrad der Steiermark als Kulturland über die Landesgrenzen hinaus zu steigern, heraus. Dem entsprechend liegt der Fokus auf Events, Stipendien und zahlreichen Preisen für Künstler*innen. Mit der 2021 startenden STEIERMARK SCHAU soll als Nachfolge der Landesausstellungen ein neues Ausstellungsformat in den Regionen etabliert werden. Artist-in-Residence-Stipendien und Auslandsstipendien sollen für eine Internationalisierung der steirischen Kulturlandschaft sorgen. Des Weiteren soll die Herstellung und Herausgabe von kunst- und kulturtheoretischen bzw. kunst- und kulturvermittelten Publikationen gefördert werden und das Filmland Steiermark ausgebaut werden.
Die Kunst- und Kulturschaffenden direkt betreffend, findet sich im Wahlprogramm neben dem Bekenntnis zum Ausbau des Förderwesens die konkrete Forderung nach der Anerkennung, der von den Interessenvertretungen vorgeschlagenen Richt- und Mindestgagenmodellen wie Fair Pay. Der ÖVP scheint es hier allerdings nicht rein um die Verbesserung der prekären sozialen Lage der Kulturschaffenden zu gehen, sondern auch um einen Maßstab bei der Förderungsvergabe. Aus unserer Sicht zumindest ein Schritt in die richtige Richtung.
Für die FPÖ bedeutet Kultur – wenig überraschend – vor allem Volkskultur. In ihrem identitätspolitischen Kulturverständnis ist kein Platz für gesellschaftskritische Zeitkultur. Geht es nach der FPÖ, soll eine nicht näher definierte steirische Leitkultur im Bewusstsein der Menschen verankert werden und eine ebenso wage steirische Identität gestärkt werden. Es sollen nur Vereine gefördert werden, die diesen „Werten“ entsprechen. Migrantische Kulturvereine werden im Wahlprogramm dezidiert von Förderungen ausgeschlossen. Abseits von Brauchtumspflege und Heimatfolklore möchten sie die Landesausstellungen wieder aufleben lassen und die Fachbeiräte sowie das Kulturkuratorium auf eine rein beratende Funktion reduzieren.
Die GRÜNEn wollen mit ihrem Wahlprogramm „Zukunft machen“. Mit neuen Impulsen soll die Kunst- und Kulturpolitik „zukunftsfit“ gemacht werden. Damit das gelingt, möchten die Grünen die Kunst- und Kulturförderung neu ausrichten. Das Kulturbudget soll einen größeren Anteil am Gesamtbudget erhalten, damit die steigenden Kosten der landeseigenen Kultureinrichtungen nicht weiterhin zu Kürzungen bei „der Freien Szene“ führen. Die prekäre Lage vieler kleiner Kulturinitiativen soll durch eine jährliche Indexanpassung der Förderungen verbessert werden. Aus unserer Sicht begrüßenswert ist die Forderung, dass Begutachtungen von Förderansuchen in Zukunft nur noch durch Fachbeiräte/Fachexpert*innen erfolgen sollen und zwar anstelle des Kulturkuratoriums, das die Landesregierung zukünftig nur noch in kulturpolitischen Fragestellungen beraten soll.
Dem Wahlprogramm der KPÖ zu Folge ist bei dieser Landtagswahl eine andere Welt möglich. Kulturpolitisch fordert sie deshalb ein Ende der starken Orientierung an Großveranstaltungen, um stattdessen die vorhandenen Strukturen und Kulturinitiativen, die unter den Kürzungen des Kulturbudgets der letzten Jahre stark gelitten haben, nachhaltig zu fördern und den Zugang für alle möglich zu machen. Interessant ist, dass auf die prekäre Lage der Kulturschaffenden zwar hingewiesen wird, aber weitere konkrete Maßnahmen wie die Einführung von Fair Pay-Richtlinien fehlen.
Die NEOS haben kein detailliertes Wahlprogramm veröffentlicht, sondern nur drei große inhaltliche Schwerpunkte gesetzt. Dabei fand die Kultur(politik) leider keine Berücksichtigung.
Der Blick in die Wahlprogramme für die Landtagswahl 2019 zeigt, dass bei allen Parteien – mit Ausnahme der FPÖ – große Übereinstimmung darüber herrscht, dass Kulturarbeit vom Land subventioniert werden muss sowie, dass die soziale Lage der Kulturschaffenden in „der freien Szene“ prekär ist. Große Unterschiede tun sich jedoch beim Umgang mit diesem Problem auf. Außer den Grünen denkt niemand über eine Erhöhung des Kulturbudgets für „die freie Szene“ und eine jährliche Anpassung der Förderungen nach – dabei wäre das die effektivste Lösung, um die prekäre Lage der Kulturschaffenden zu verbessern. Die KPÖ möchte immerhin dem Trend zur „Eventisierung“ in der Politik ein Ende setzen und die vorhandenen Initiativen nachhaltig fördern. Die ÖVP strebt das genaue Gegenteil an, wenn sie die Marktposition heimischer Künstler*innen durch die Verleihung von Preisen und die Vergabe von Stipendien verbessern möchte. In diesem Zusammenhang ist es aber dennoch sehr zu begrüßen, dass sich die ÖVP gleichzeitig auch für die Einführung von Fair Pay-Richtlinien ausspricht. Sollte die ÖVP nach der Wahl weiterhin das Kulturresort innehaben, hoffen wir, dass sie ihr Wahlversprechen einhält und es sich nicht nur um ein Lippenbekenntnis handelt. Vor allem, da die SPÖ in ihrem Wahlprogramm auch für Fair Pay-Richtlinien eintritt und es nach der Wahl womöglich sogar eine Mehrheit im Landtag dafür gäbe. Andere wichtige Themen wie der freie Zugang zu Kunst und Kultur (außer bei der SPÖ und der KPÖ) oder eine Verbesserung des Beiratssystems auf Landesebene (außer Grüne) bleiben in den Wahlprogrammen unberücksichtig. Wir vermissen deshalb generell bei allen Parteien innovative kulturpolitische Visionen für die Steiermark für die nächsten 5 Jahre und darüber hinaus.