Landeskulturkonferenz 2007
Die ExpertInnen und MigrantInnen Ali Özbas (Mitbegründer und Leiter des Grazer Vereins „Jukus“), Radostina Patulova (Philosophin und Kulturarbeiterin, zuletzt Mitarbeiterin des Projektes „fields of Transfer. MigrantInnen in der Kulturarbeit“ und Mitherausgeberin des gleichnamigen Buches) und Rubia Salgado (Mitbegründerin und Mitarbeiterin des Linzer Vereins „maiz“) wurden ins „Chiala Afriqas“ eingeladen, um darüber zu sprechen, wie die erfolgreiche Partizipation von MigrantInnen im kulturellen Arbeitsfeld aussehen könnte.
Kulturarbeit und Migration
am Do, den 8. November 2007, 17 Uhr
im „Chiala Afriqas“, Griesplatz 13, 8020 Graz
Die ExpertInnen und MigrantInnen Ali Özbas (Mitbegründer und Leiter des Grazer Vereins „Jukus“), Radostina Patulova (Philosophin und Kulturarbeiterin, zuletzt Mitarbeiterin des Projektes „fields of Transfer. MigrantInnen in der Kulturarbeit“ und Mitherausgeberin des gleichnamigen Buches) und Rubia Salgado (Mitbegründerin und Mitarbeiterin des Linzer Vereins „maiz“) wurden ins „Chiala Afriqas“ eingeladen, um darüber zu sprechen, wie die erfolgreiche Partizipation von MigrantInnen im kulturellen Arbeitsfeld aussehen könnte. Alle drei ReferentInnen beklagten, dass MigrantInnen im Kulturbereich weder entsprechend wahrgenommen noch gefördert werden. Ein Hauptproblem wird darin gesehen, dass MigrantInnen oft in eine folkloristische und exotisierende Rolle gedrängt werden. Eine Möglichkeit der erfolgreichen, aktiven Mitgestaltung sieht Radostina Patulova beispielsweise in der Bildung von „Allianzen unter Kulturinitiativen von MigrantInnen und Angehörigen der Mehrheitsgesellschaft“.
Moderator des Abends und Obmann der IG Kultur Steiermark Michael Petrowitsch
Die Impulsreferate im Detail:
Ali Özbas: 28 Jahre alt, geboren in der Türkei, mit 13 nach Österreich eingereist,
Mitgründer vom Verein Jukus, in der Jugendarbeit tätig.
Der Verein „Jukus“ geht von dem Grundsatz aus, dass die zweite und dritte Generation Migrantenjugendlicher ein natürlicher Teil dieser Stadt und dieses Landes sind; wir sind gegen jegliche Bemühungen, die mit religiösen oder nationalen Vorwänden den Nationalismus und die Spaltung der hiesigen Gesellschaft verstärken wollen; wir sind gegen jede Art der Spaltung im Arbeits- und gesellschaftlichen Leben und setzten uns für die Integration und das Zusammenleben der einheimischen Menschen und MigrantInnen ein.
Über die Jugend mit Migrationshintergrund wird sowohl in Graz als auch bundesweit jeden Tag gesprochen, Untersuchungen werden gemacht, wohlgemeinte Vorschläge geäußert und vielfach werden diese als „problematisch, depressiv und mit einer Tendenz zur Kriminalität" bewertet. Aber es darf nicht vergessen werden, dass Kinder und Jugendliche, die in Österreich geboren sind und hier aufwachsen, unabhängig von ihrer nationalen, ethnischen oder religiösen Herkunft, ein Teil dieser Gesellschaft sind. Die Probleme entstehen in dieser Gesellschaft, also werden auch die Lösungen aus dieser Gesellschaft heraus entwickelt werden. Die Herangehensweise, Jugendliche mit Migrationshintergrund ständig und in ihrer Gesamtheit als problematisch abzustempeln dient nicht einem Lösungsansatz, ganz im Gegenteil wird sie dazu beitragen, die Problematik zu verschärfen. (Zitat Özbas)
Ali Özbas vom Verein „Jukus“
Rubia Salgado: Studium der portugiesischen Sprache und der Literaturwissenschaft. 1987 Migration nach Österreich. 1987 - 1989 Erfahrung als nicht bezahlte Haushaltsdienerin, aber getarnt als Au-Pair in einer österreichischen Familie. Erste Kontakte mit der deutschen Sprache. 1990 - 1995 Lehrtätigkeiten in Maßnahmen für Migrantinnen im Bildungsbereich. 1994 Aufbauarbeit zur Gründung des Vereins maiz. Seitdem Mitarbeit an maiz: Konzipierung und Durchführung von verschiedenen Projekten an der Schnittstelle Bildungs-, Öffentlichkeits- und Kulturarbeit. Engagement im Bereich der Kulturpolitik - einige Jahre Kupf- Vorstandsmitglied, bis heute bei der IG-Kultur Österreich im Vorstand.
Seit Mitte der Neunziger Jahre ist ein Veränderungsprozess im Bereich der Selbstorganisation und der Artikulation von MigrantInnen zu beobachten, wonach man sich nicht mehr mit dem strapazierten Begriff der Integration und mit den Ursachen des Rassismus beschäftigt, sondern mit Möglichkeiten der Mitgestaltung auf allen Ebenen des gesellschaftlichen Lebens. Im Zusammenhang mit dem Infrage-Stellen des nationalstaatlichen Grundgedankens, wonach Grundrechte auf den Status von BürgerInnenrechten reduziert werden, wird die Forderung nach einer Wohnbürgerschaft artikuliert, die eine politische, kulturelle, wirtschaftliche und soziale Gleichstellung und somit eine tatsächliche Teilhabe an der Gesellschaft gewährleisten soll.
Das Erreichen des Ziels der gesetzlichen Gleichstellung setzt jedoch eine politische Haltung der im Prozess involvierten AkteurInnen voraus: MigrantInnen, die sich ihrer diskriminierten Position bewusst sind und sich Strategien überlegen, um aus der Situation der Marginalisierung in eine der Gleichberechtigung zu kommen; eine politische Haltung, die widerständig und erobernd sein will und soll.
Innerhalb einer politischen Kulturarbeit, die dem passiven Konsumieren aktive Teilnahme entgegen stellen will, kann/soll, wollen wir in maiz Empowerment als einen Prozess sehen, in dem eine Gegenmacht aufgebaut werden kann. Dazu soll die Stärkung der gemeinsamen Handlungs-, Entscheidungs- und Interventionskompetenzen von gesellschaftlich systematisch diskriminierten Gruppen vorangetrieben werden. Wir realisieren in diesem Sinn eine gesellschaftskritische Arbeit im Kulturbereich, die anhand eines partizipatorischen Ansatzes gesellschaftspolitische Felder untersucht und dazu gegenhegemonialen Positionen, Bilder und Narrative zu vermitteln versucht. (Zitat Salgado)
Links Radostina Patulova, rechts Rubia Salgado
Radostina Patulova: Philosophin und Kulturarbeiterin, Mitglied der Redaktion von Kulturrissen. Zuletzt Mitarbeiterin bei der IG Kultur Österreich für das Projekt „fields of TRANSFER“, Mitherausgeberin von „fields of TRANSFER. MigrantInnen in der Kulturarbeit“.
Die zentralen Fragestellungen in ihrer Arbeit lauten:
Was bedeutet es, politischen Antirassismus als Querschnittsthema in der Kulturarbeit zu behandeln?
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Wozu mehrfache Hinterfragung von kultureller und ökonomischer Hegemonie? Oder - wer hat welche Möglichkeit die eigenen Interessen als gesamtgesellschaftlichen zu definieren und zu umsetzen?
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Wie können mehrfache Diskriminierungen berücksichtigt werden?
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Unsichtbarkeit von SOMs (Selbstorganisationen von MigrantInnen) und ihre Arbeit. Wenig Widerhall beim Eingehen von Projekten und Organisationen. Ist Erhöhung der Sichtbarkeit von MigrantInnen gleich zu setzen mit der Erhöhung der emanzipatorischen Handlungsfähigkeit?
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Partizipation: Welche MigrantInnen sollen partizipieren? Um wen geht es konkret, mit wem will man arbeiten, wen nimmt man wahr?
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Strukturelle Probleme der SOMs. Was bedeutet Professionalisierung zu einer Zeit wo die meisten KIs das Wissen durch jahrelange zumindest halbwegs subventionierte Arbeit angehäuft haben.
Einige Präzisierungen und Verkürzungen zu diesen Fragestellungen: In unserem Statement soll es um den Versuch gehen, die Frage nach der möglichen migrantischen Subjektivierung, aus und mit den Erfahrungen der Erarbeitung eines migrantischen Projekts innerhalb einer Mehrheitsorganisation zu erläutern. An Hand des Projektes "field of TRANSFER. MigrantInnen in der Kulturarbeit." sollen konkret mögliche Voraussetzungen, Schnittpunkte, Spannungsfelder, Bruchlinien, Erfolge und Ergebnisse einer solchen Arbeit hinterfragt sowie die Frage nach der Rolle vom politischen Antirassismus in der Kulturarbeit in diesem Kontext gestellt werden.
(Zitat Patulova)
Radostina Patulova