Lauter Frauen! Raum fordern, nicht pflegen!

Das Tiroler Kulturlabor Stromboli spricht von einer "Wiederkehr des Biedermeier". Es drohe eine "Zeit der Bespitzelung, der Kulturzensur, des Versammlungsverbotes und der [Zensur] kritischen Meinungsäußerungen durch Gerichtsbeschlüsse und Polizei". Tasos Zembylas vom Institut für Kulturelles Management setzt eine weitere Warnung nach: Die öffentliche Kulturförderung laufe Gefahr, zu einer Art "indirekter Zensur" zu werden.

"Ihr Auftritt bitte!..." hieß es am 10. September im kosmos.frauenraum anlässlich einer Pressekonferenz. Dieser war ein Aufruf der kosmos.frauen vorausgegangen, Kulturinitiativen und Künstlerinnen mit feministischen Zielsetzungen mögen von Streichungen, Kürzungen, Ablehnungen und Kommunikationsschwierigkeiten mit den verantwortlichen PolitikerInnen und BeamtInnen berichten, um ein umfassendes Bild der kulturpolitischen Situation zu liefern und konkrete Maßnahmen zur Veränderung zu fordern. Die daraufhin zahlreich eingelangten Berichte aus ganz Österreich dokumentieren mehrheitlich, dass die Rahmenbedingungen für Frauen in Kunst und Kultur bereits vor Antritt der aktuellen Regierung alles andere als rosig waren. Jetzt allerdings, so stellte etwa Veronika Dreier vom Kunstverein W.A.S. - Womens art support in Graz fest, "ist die Situation so schlecht wie noch nie".

Dreiers viel diskutierte öffentliche Skulptur gegen Gewalt an Frauen war das erste Kunstwerk einer Künstlerin im öffentlichen Raum in Graz überhaupt. Erbaut 1996, wurde es im vorigen Jahr bereits wieder abgetragen. Stattdessen wurde ein Kinderspielplatz (!) errichtet. Das Tiroler Kulturlabor Stromboli spricht sogar von einer "Wiederkehr des Biedermeier". Es drohe eine "Zeit der Bespitzelung, der Kulturzensur, des Versammlungsverbotes und der [Zensur] kritischen Meinungsäußerungen durch Gerichtsbeschlüsse und Polizei". Tasos Zembylas vom Institut für Kulturelles Mamagement setzt eine weitere Warnung nach: Die öffentliche Kulturförderung laufe Gefahr, zu einer Art "indirekter Zensur" zu werden.

FIFTITU %, ein Linzer Verein zur Förderung von Frauen in Kunst und Kultur, hat erhoben, dass Frauenprojekte von den zuständigen PolitikerInnen und BeamtInnen als "nicht so wichtig" eingestuft werden. Es gibt zwar Lippenbekenntnisse, aber diesen folgt dann immer die Einschränkung: "Leider haben wir dafür zur Zeit kein Geld". Dazu Aileen Derieg: "Warum wird bei Projekten von Männern davon ausgegangen, dass sie für die ganze Gesellschaft wichtig und nützlich sind, bei Projekten von Frauen aber immer angenommen, dass sie ausschliesslich für Frauen gemacht werden und daher nur für einen Teil der Gesellschaft?" Hildegund Bachler, bildende Künstlerin in Wien, arbeitet mit Neuen Medien und Fotografie zu aktuellen, speziell frauenpolitischen Themen. Sie erhielt vier Ablehnungen ihrer Arbeiten mit der lapidaren Begründung, Projekte müssten innovatorischen Charakter haben.

Kunst- und Frauenfeindlichkeit der "herr"schenden Politik stehen in unrühmlichem Wettstreit, lautet also die gemeinsame Erkenntnis, von der hier nur ein kleiner Teil zitiert werden kann. Im Zuge der Pressekonferenz war frau bemüht, die Fallbeispiele und offensichtlichen Diskriminierungen auch mit Fakten und Zahlen zu untermauern. So ist für die Politikwissenschaftlerin Monika Mokre, eine der Autorinnen der Studie "Frauen in Kultur- und Medienberufen in Österreich", alleine schon der Mangel an geschlechtsspezifischem Zahlenmaterial das eigentlich Erschütternde. Das Ergebnis der Studie sei ja kaum überraschend: Frauen finden sich vor allem in Bereichen, die mit wenig Kapital und Prestige ausgestattet sind, sie arbeiten in prekären Arbeitsverhältnissen und unter geringer sozialer Absicherung.

Die Tänzerin und Choreographin Astrid Bayer "gratulierte" dem Tanzbeirat der Stadt Wien anlässlich seines 10-jährigen Bestehens zur speziellen Förderung von Frauen: im Jahr 2001 müssen sich 8 tanzschaffende Frauen laut Beiratsempfehlung ATS 2,65 Mio. teilen, wohingegen 10 männlichen Choreographen ATS 12,70 Mio. zur Verfügung stehen. Leider geben durch die permanente Demütigung, die "zu einer Demutshaltung heranwächst", auch Künstlerinnen Diskriminierung weiter an andere Frauen. Männliche Choreografen der ersten Generation konnten sich etablieren und bekommen immer mehr Geld. Frauen der ersten Generation werden durch ("billigere") Frauen der zweiten Generation ersetzt. Ingesamt erhalten Männer das Vierfache der für Frauen ausgegebenen Summen. Bayer forderte daher eine Erhöhung des Förderungstopfes Tanz im Kulturbudget der Stadt Wien um 10 Millionen, welche an Frauen als Ausgleich für die bisherige Benachteiligung ausgeschüttet werden sollen. Sie betonte auch, dass sie sich weigere, "Beiratsmitgliedern die Schultern zu massieren", "Wahrnehmung" durch den Einsatz von Attraktivität zu manipulieren.

Verbale Übergriffe konstatierte Eva Brenner, Leiterin des Projekttheater Studios. Sie forderte ausreichende Jahresförderung für ihre experimentelle Arbeit von Land und Bund. Auch in ihrem Avantgarde-Studio arbeiten zu 90% Frauen primär an Frauenthemen. Von BeamtInnen der Kunstsektion mehrmals persönlich beleidigt, sieht sie ihre Arbeit auch ästhetisch herabgewürdigt, wobei ihr sogar nahegelegt wurde, "nicht mehr einzureichen". Die Gründe, die sie dafür zu hören bekam: "Machen Sie doch mal was Positives!", "Sie sind Pseudo-Avantgardisten!", "Wir glauben nicht, dass ihr nächstes Ansuchen Erfolg hat, denn die Beiräte kennen Sie ja schon ...". Wie alle Künstlerinnen und Kulturarbeiterinnen, die das kosmos für "Ihr Auftritt bitte!" kontaktierten, konnte auch sie mit Franz Morak noch kein einziges persönliches Gespräch führen. Eine breite Unterschriftenaktion zur Unterstützung ihres Studios, die von ZuschauerInnen mehrhundertfach an den Kunststaatssekretär gesandt wurde, blieb unbeantwortet.

Die Bildhauerin Ulrike Truger meinte, als Mädchen musste sie erfahren, dass sie brav sein und aus dem Weg gehen solle. Als Bildhauerin stellt nun sie Anderen Steine in den Weg. Frau hat hier noch zu lernen, da eine solche Haltung mit Ungehorsam verbunden wird. Ein Akt des Ungehorsams war es auch, als Reaktion auf die schwarzblaue Regierung die Statue der Wächterin ohne offizielle Genehmigung - um die freilich angesucht wurde - aufzustellen. Frauen sollen Raum "pflegen, nicht beanspruchen". Truger plädiert hingegen dafür, "sich wichtig zu machen" und Raum einzufordern.

Die bildende Künstlerin Romana Hagyo stellte fest, dass Frauen in Institutionen und Medien der Kunstvermittlung und -verwertung sowie in Ausbildungsstätten auch heute noch stark unterrepräsentiert sind. Und dies trotz eines weiblichen Anteils von 52% bei den AbsolventInnen an Kunsthochschulen. Doppelt schwer wiegt dieser Umstand, da an diesen Orten Kunstbegriffe weitergegeben werden, wie auch Bestätigung und Ermutigung. Diese kommt Künstlerinnen nicht in dem gleichen Maß zu wie ihren Kollegen, genauso wie ihnen - bedingt durch eben diese Strukturen - weniger weibliche Vorbilder zur Verfügung stehen, was wiederum zur Folge hat, dass sie im Arbeitsfeld Kunstbetrieb unter schwierigeren Bedingungen mehr leisten müssen, um Anerkennung zu erlangen.

Als Leiterin des neuen Theaters und Kulturzentrums kosmos.frauenraum sah ich es auch bei dieser Pressekonferenz als meine Pflicht an, Staatssekretär Morak abermals aufzufordern, sein Schweigen zu brechen. Der mit Namensschild gekennzeichnete Platz blieb allerdings leer. Damit ist er der Einladung Nummer 24 seit der Regierungsbildung ebenfalls nicht nachgekommen. Ein nächster Versuch ist ein Gesprächstermin "um den 5. Oktober", der inzwischen fixiert werden konnte.

Sehr wohl der Einladung gefolgt ist Kulturstadtrat Mailath-Pokorny, der als ehemaliger Sektionschef der Kunstsektion von Beginn an mit dem Projekt kosmos befasst war. Dank seiner Unterstützung und der Mithilfe von Stadträtin Brauner wurden die offenen Umbaukosten in der Höhe von ATS 1,85 Mio. von der Stadt Wien bedeckt. Staatssekretär Morak hatte sich zuvor geweigert, eine bei Umbauten übliche Kostensteigerung zu akzeptieren. Bei der Jahresförderung stehen ATS 3 Mio. von der Stadt einer Bundesförderung von 850.000,- gegenüber. Allerdings zeigt erst die Summe das volle Ausmaß der Ungleichbehandlung: Wo vergleichbare Mittelbühnen mit 10 bis 24 Mio. jährlich gefördert werden, erhält kosmos im Jahr 2001 für den laufenden Betrieb 3,85 Mio.

Minister Haupt weigert sich überhaupt, das kosmos als Institution für Frauenförderung anzuerkennen - obwohl der Umbau von seinem Ministerium mitfinanziert worden ist. Stadtrat Mailath-Pokorny appelliert an den Bund, sich nicht der Verantwortung zu entziehen. Die Wiener Landesregierung wird einen Frauenkunstbericht erstellen, um eine Grundlage für Maßnahmen zu haben. Mehr als 90% der Bundessubventionen, die ja vor allem an Institutionen gehen, seien nicht nach Geschlecht zuordenbar. Von den verbleibenden 8% werden 42% an Frauen ausgeschüttet. Die massive Ungleichbehandlung in der Kultur wie gesamtgesellschaftlich ist primär eine Bewusstseinsfrage. Über Quoten im Förderbereich und bei der Besetzung von Leitungsfunktionen wünscht sich Mailath-Pokorny eine Diskussion, da beides für ihn vorstellbar ist.

kosmos.frauenraum begrüßt diesen Vorschlag. Es wird Zeit, dass Österreich die bereits 1982 ratifizierte "Konvention zur Beseitigung jeder Diskriminierung der Frau" zur Kenntnis nimmt und danach handelt. Auch im Jahr 2001 besagt der CEDAW (Committee on the Elimination of Discrimination against Women)-Bericht des UN-Komitees über die Lage der Frauen in Österreich Gegenteiliges: "Das weiterbestehende kulturelle Rollenklischee von der Frau als Hausfrau und Mutter bildet ein Hindernis für die uneingeschränkte Durchführung des Übereinkommens."

Dafür sorgen allerdings auch politische Maßnahmen vom Kinderscheck über Kürzungen bei Frauen im Sozial-, Medien-, Kunst-, Wissenschafts- und Bildungsbereich über die Abschaffung des Frauenministeriums bis hin zur Lachnummer Männerabteilung - unkultivierte Maßnahmen für eine sogenannte Kulturnation. Kunst und Kultur sind maßgeblich beteiligt an der Manifestierung und Perpetuierung der genannten Rollenklischees. Die von Presse, KünstlerInnen und Kunstinteressierten gut besuchte Pressekonferenz im kosmos ist ein neuerlicher Anlauf für eine Verbesserung der Situation von Frauen in Kunst und Kultur. Wesentliche Forderungen nach geschlechtsspezifischen Daten, Material zu abgelehnten Projekten, Stellungnahmen der Politik zu gender mainstreaming, Diskussion neuer Beirats-/KuratorInnenmodelle und zahlreiche konkrete Verbesserungsvorschläge wurden vorgebracht und harren der Diskussion und Differenzierung. Wir ersuchen natürlich nach wie vor Künstlerinnen und Kulturarbeiterinnen um Fallbeispiele und Vorschläge für Maßnahmen zur Frauenförderung - unter dem jüngsten Motto: "Raum fordern, nicht pflegen."

Barbara Klein ist Leiterin des kosmostheater in Wien.

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