¡No Pasarán!...oder sie kommen doch durch

Da sich die große Politik als weitgehend resistent gegen Empörung erwies, kehrten die ProtagonistInnen zu ihren je eigenen Baustellen zurück, die Kulturschaffenden und KünstlerInnen etwa zum ewigen Dauerbrenner der adäquaten Verteilung staatlicher Fördermittel.

Die Zeiten werden schnelllebiger, und sogar nostalgische Gefühle reduzieren zunehmend ihre Halbwertszeit. Nicht an den Aufstand von 1968 denken wir heutzutage sehnsüchtig zurück, sondern an eine Zeit vor grade mal 6 Jahren. An die allgemeine Solidarisierung und – wie manche meinten – den Beginn einer österreichischen Zivilgesellschaft. An die Einigung aller demokratischen Kräfte im Land gegen die Einheit von Rechten und Rechtsextremen. Zwar hat sich auch letztere Einheit – mindestens auf Zeit – mittlerweile aufgelöst, doch die Linke war auch da schneller. Recht bald wurde deutlich, dass der Slogan, „wir gehen, bis sie gehen“ einen Dauerwandertag erfordern würde, und mit dieser Erkenntnis nahm die Begeisterung für politisches Engagement rapide ab. Die Bemühungen, zu verändern, fanden in immer kleineren Räumen statt, schließlich im Privaten, wurden sublimiert oder verschwanden völlig. Da sich die große Politik als weitgehend resistent gegen Empörung erwies, kehrten die ProtagonistInnen zu ihren je eigenen Baustellen zurück, die Kulturschaffenden und KünstlerInnen etwa zum ewigen Dauerbrenner der adäquaten Verteilung staatlicher Fördermittel. Und ein Teil von ihnen fand ein reiches Betätigungsfeld im Rahmen der bisher weitgehend nicht vorhandenen Netzkulturpolitik der Stadt Wien. So wurden Modelle entwickelt und revidiert, die Beteiligten stritten sich und waren einander in wechselnden Koalitionen böse. Nicht wirklich etwas Neues, wenn viele um wenig Geld raufen müssen und auch nicht wirklich etwas Schlechtes – Streit bringt weiter, im Streit klären sich Probleme und entwickeln sich Positionen. Im Streit wird auch öfter mal ein bissel schärfer und schneller geschossen als notwendig. Das ist nicht weiter tragisch – interesseloses Wohlgefallen und rationaler Konsens bringen wenig, wenn es um die Entwicklung von Neuem geht.

Streit kann also ruhig ein bisserl ausufern, aber ein paar Regeln braucht es, wenn mehr als narzisstische Selbstbefriedigung erreicht werden soll. Z.B. sollte klar sein, wer die Verbündeten sind – auch wenn sie gerade einmal anderer Meinung sind. Sodass nicht jedes Wort auf die Goldwaage gelegt werden muss, wenn intern diskutiert wird, dass interne Mailinglisten auch tatsächlich intern sind usw. Engagement in einem inhaltlichen Streit ist etwas anderes als der Einsatz aller zur Verfügung stehenden Mittel, wie etwa Blockwartmentalität, Spitzel- und DenunziantInnentum.

Politischer Streit ist mit politischen Mitteln zu führen. Die Klärung politischer Meinungsverschiedenheiten mithilfe von Klagen hat in Österreich eine gewisse Tradition, beginnend mit den Prozessen, die die Haider-FPÖ der 1990er Jahre, vertreten durch Böhmdorfer, gegen Medien, einzelne JournalistInnen und andere Personen geführt hat. In Kreisen, die sich – wie diffus auch immer – als links bezeichnen, stellt es allerdings ein Novum dar, dass Meinungsverschiedenheiten gerichtlich beigelegt werden sollen, dass jemand wegen „ruf- und kreditschädigender Verleumdung“ verklagt wird. Ist dies etwa der Beginn einer neuen Kulturtechnik, hervorgebracht durch das politische Klima der letzten Jahre? Brauchen auch Veränderungen der politischen Kultur mittlerweile nicht mehr jahrzehntelanges Ringen um Hegemonie, sondern sind per Regierungswechsel einführbar? Oder ist es ganz einfach ein eklatanter Mangel an politischem Bewusstsein, mithilfe dessen sich provokative Spaßguerilla-Techniken nahtlos mit Obrigkeitshörigkeit verbinden lassen? Klar ist: Dieser „Fall“ ist nicht nur ein juristischer, sondern DER Sündenfall. Es ist das endgültige Eingeständnis der eigenen Kommunikationsunfähigkeit und Sprachlosigkeit eines Häufchens von Kulturbuberln, sich mittels juristischer Spitzfindigkeiten vor Kritik beschützen zu lassen. In diesem Sinne, schießt sauber statt schnell!

[Anm. Anlassfall für diesen Artikel ist die Klage von G. Friesinger und J. Grenzfurthner gegen F.E. Rakuschan; vgl. den Text von A. Altendorf in diesem Heft]