Politische Pataphysik
Das Ding ist wieder da und diesmal heißt es Kaltenegger. Das Ding ist Marx’ Gespenst, seit 1848 zum Spuken abkommandiert, gleich im ersten Satz des Kommunistischen Manifests, in dem das Ding, wie jeder weiß, quer durch Europa spaziert. Der Kommunismus beginnt geradezu mit seiner Erscheinung als Gespenst – und seither warten alle, dass das Ding zurückkehrt. Jetzt ist es in Graz erschienen, und wie üblich ist die Aufregung groß.
Das Ding ist wieder da und diesmal heißt es Kaltenegger. Das Ding ist Marx’ Gespenst, seit 1848 zum Spuken abkommandiert, gleich im ersten Satz des Kommunistischen Manifests, in dem das Ding, wie jeder weiß, quer durch Europa spaziert. Der Kommunismus beginnt geradezu mit seiner Erscheinung als Gespenst – und seither warten alle, dass das Ding zurückkehrt. Jetzt ist es in Graz erschienen, und wie üblich ist die Aufregung groß. "What, ha´s this thing appear´d againe tonight?" lässt Derrida den Marcellus aus Hamlet stellvertretend für all die Aufgeregten exklamieren. Sofort sind die Beschwichtiger zur Stelle, die das Ganze als Wahrnehmungsstörung erklären. Horatio sagt: "’tis but our Fantasie", und als solche wird auch das Ding Kaltenegger deklariert, der zwar definitiv eine Erscheinung sei, nicht aber die des Kommunismus, den er nur quasi akzidentiell vertrete. Das K-Wort sei hier fehl am Platz, da es nichts Lächerlicheres und Ausgestorbeneres gebe als den Kommunismus. Dies wisse auch der Wähler, der das Ding nicht wegen, sondern trotz seines Kommunismusses habe erscheinen lassen. Wessen Geist ist aber dann der Stadtrat Kaltenegger? Und warum taucht er gerade dann auf, wenn ein anderer alter Bekannter aus dem Manifest, nämlich das "alte Europa" der politischen Bühne wieder einmal einen Besuch abstattet?
Bekanntlich heißt es im Manifest, dass sich alle Mächte des "alten Europa" gegen das Ding verschworen hätten. Was aber heißt das jetzt, wo das "alte Europa" keine herrliche, heilige Allianz mehr darstellt, sondern laut Donald Rumsfeld nur mehr den blassen Schatten eines neuen und glänzenden Europe-à-venir? Diese wunderschöne Neu-Erscheinung gehe aber diesmal nicht im Westen, sondern im Osten auf – so wie die rote Sonne aus dem bekannten kommunistischen Lied. Allerdings verdankt dieses neue (Ost-)Europa seine Beförderung dem Umstand, dass im kommunistischen Sinne die Sonne dort schon lang untergegangen ist und stattdessen tagheller Pragmatismus herrscht. Aber geht die Sonne des Kommunismus jetzt etwa im steirischen Westen auf? Und noch dazu zur Geisterstunde? "Die Zeit ist aus den Fugen", wusste dazu schon Hamlet.
Es gibt aber noch eine ganz andere Erklärung für diesen Unfug. Nach dieser Theorie ist das Ding tatsächlich anderen Geistes und verdankt seine Erscheinung dem Umstand, dass Österreicher schon so lange in exzentrisches und maßloses Wahlverhalten eingeübt sind (Nationalratswahlen, Starmania), dass sie diesbezüglich unkalkulierbar sind und im Extremfall sogar Kommunisten wählen – solange nur ein einziger Grundsatz nicht verletzt wird. Nein, keineswegs der der Heiligkeit des Privateigentums, siehe die massiven Umverteilungen von Privatvermögen ins staatliche Budgetdefizit. Nein, auch nicht der, dass sie singen können. Und erst recht nicht der, dass Politiker nicht lügen/sich nicht bereichern/für den kleinen Mann dasein sollen. Der Grundsatz lautet schlicht: Ausländer sollen nicht in den Gemeindebau. Das gilt im alten wie im neuen Europa. Stadtrat Kaltenegger hat dies beherzigt. Der Rest ist Pataphysik.