Veranstaltungsschutzschirm für Kunst und Kultur?

Nach Monaten des Wartens ist der Schutzschirm für Veranstaltungen operativ. Er soll die Planung von Veranstaltungen trotz unsicherer Lage ermöglichen. Die Zugangsbedingungen schließen jedoch große Teile im Feld Kunst und Kultur aus. Gemeinsam mit dem Kulturrat Österreich fordern wir praktikable Instrumentarien ein, die auch der freien Szene die Vorbereitung von Veranstaltungen trotz unabsehbarer Pandemieentwicklung ermöglichen.

Schutzschirm Kultur

Nach Monaten des Wartens ist der Schutzschirm für Veranstaltungen nun beschlossen und bereits aktiv, wenn auch die Genehmigung der Richtlinien durch die EU noch ausständig ist. Der Schutzschirm soll die Planung von Veranstaltungen trotz unsicherer Lage ermöglichen, indem bei Corona-bedingten Absagen oder wesentlichen Einschränkungen finanzielle Schäden durch Zuschüsse abgefedert werden.

Ein sinnvolles Instrument – theoretisch auch für den Kulturbereich, bei dem lange Vorlaufzeiten für Kunst- und Kulturproduktionen erforderlich sind. Die Zugangsbedingungen schließen jedoch große Teile im Feld Kunst und Kultur aus. Damit der Schirm schützt, müssen Einnahmen von mindestens 15.000 Euro bei einer Veranstaltung erzielt werden – dies erreicht in der freien Szene kaum jemand, abgesehen von großen Festivals. Als Alternative dazu schützt der Schirm auch Veranstaltungen mit Ausgaben von mindestens 15.000 Euro – jedoch nur, wenn die Veranstaltung von einem „Unternehmen organisiert wird, zu dessen gewerbsmäßiger Tätigkeit die professionelle Planung und Durchführung von Veranstaltungen zählt“. Damit ist die freie Szene, die gemeinnützig und eben nicht gewerbsmäßig organisiert ist, abermals vom Veranstaltungsschutzschirm ausgeschlossen. Diese Differenzierung stellt nicht nur eine erhebliche Ungleichbehandlung zwischen gemeinnützig und gewinnorientiert Arbeitenden dar, sie suggeriert auch, dass alles, was auf gemeinnütziger Basis stattfindet, nicht professionell sei. Ein Trugschluss, der die Tatsache verkennt, dass die gemeinnützige Organisationsform im freien Kunst- und Kulturbereich typisch ist. Daher stehen auch hier Arbeitsplätze auf dem Spiel, wird wirtschaftliches Risiko übernommen und selbstverständlich höchst professionell und erfahren gearbeitet – mit dem Unterschied jedoch, dass jeder erzielte Euro in die kulturelle Tätigkeit reinvestiert werden muss und für finanzielle Schäden der zumeist ehrenamtlich agierende Vorstand privat haftet.

Im Fazit profitieren vom Veranstaltungsschutzschirm somit nur Mega-Events und kommerziell arbeitende Unternehmen – jedoch nicht der Kulturbereich in seiner ganzen Breite und Vielfalt. Den gemeinnützigen Unternehmen steht weiterhin lediglich der NPO-Fonds offen, so dieser wie angekündigt verlängert wird. Auf Unterstützung für Verluste ab 1. Oktober 2020 durch den NPO-Fonds warten die Vereine bis heute. Selbst wenn die Richtlinien zur Verlängerung des NPO-Fonds in den nächsten Tagen veröffentlicht werden, ist offenkundig, dass dieser lediglich rückwirkend greift. Er stellt keinen Ersatz für ein vorausschauendes Instrument wie den Schutzschirm dar, der eine gewisse finanzielle Planungssicherheit bietet.

Leidtragende sind neben den Kulturveranstaltenden damit abermals die beteiligten Künstler*innen, Techniker*innen und selbstständigen Kulturarbeiter*innen. Statt durch eindeutige Festlegung, welche Zuschüsse im Falle von Absagen greifen, Planungssicherheit herzustellen, werden Fonds geschaffen, die rückwirkend definieren, welche vor Monaten angefallenen Ausgaben anerkannt werden oder nicht. Angesichts dieser enormen Unsicherheit werden den Beteiligten nach wie vor Verträge vorgelegt, die eine Stornoklausel bei „höherer Gewalt“ vorsehen. In Konsequenz fallen Künstler*innen weiterhin um Honorare um und sind auf Pauschallösungen aus dem Härtefall-Fonds (WKOe) bzw. der Überbrückungsfinanzierung (SVS) angewiesen. Dass es anders möglich ist, zeigt der Veranstaltungsschutzschirm: Dieser anerkennt explizit angemessene Abschlagszahlungen, die die Aufwendungen Dritter im Zusammenhang mit Veranstaltungsabsagen vergüten. Es ist völlig unverständlich, dass der Veranstaltungsschutzschirm für die freie Kunst- und Kulturszene de facto nicht zugänglich sein wird.

Noch kann an den Stellschrauben gedreht werden ‒ die finalen Richtlinien für den Veranstaltungsschutzschirm liegen auch eine Woche nach Antragsstart mangels EU-Genehmigung nicht vor. Notwendig sind auf jeden Fall folgende Maßnahmen:

  • Veranstaltungsschutzschirm: Deutliche Herabsetzung der erforderlichen Mindesteinnahmen und Entfall der Beschränkung auf gewerbliche Veranstaltungsunternehmen, um das Instrument auch der freien Kunst- und Kulturszene zugänglich zu machen.
  • Alternativ Schaffung von Instrumentarien für die freie Kunst- und Kulturszene, um Veranstaltungen trotz unabsehbarer Pandemieentwicklung planen zu können.
  • Schnellstmögliche Veröffentlichung der Richtlinien des NPO-Fonds für das 4. Quartal 2020 ‒ inklusive brauchbarer Abbildung eines Lockdown-Ersatzes.
  • Schnellstmögliche Veröffentlichung der Richtlinien für die Fortführung des NPO-Fonds ab 1. Jänner 2021.
  • Arbeit an Instrumentarien für faire Vertragsgestaltungen, d.h. auch zwischen Künstler*innen und Veranstalter*innen, zumindest im geförderten Bereich.
  • Finanzielle Ersatzleistungen für all jene, die seit März 2020 nichts bekommen haben, allen voran jene, die per Gesetz schon lange in den Kreis möglicher Härtefall-Fonds-Bezieher*innen aufgenommen worden sind: mehrfach unselbstständig geringfügig Beschäftigte.


Weiterführende Links: 
Antrag und Abwicklung bei der ÖHT (Tourismusbank)
FAQs des BMLRT (auf der Website sichere-gastfreundschaft.at)
Corona-Information des Kunst- und Kulturressorts (BMKÖS)



Ergänzende Anmerkung IG Kultur:
Der Vollständigkeit halber ist anzumerken, dass im Richtlinienentwurf auch darauf verwiesen wird, dass "Veranstaltungen im Tourneebetrieb sowie regelmäßig am selben Veranstaltungsort stattfindende gleichartige Veranstaltungen" als eine Veranstaltung behandelt werden können, um die Einnahmenuntergrenze von € 15.000 zu erreichen. Hier besteht jedoch erhebliche Rechtsunsicherheit für die Praxis, wann ein Programm als "gleichartige" Veranstaltung ausgelegt wird und wann nicht; Ebenso sind gerade in der freien Szene viele Akteur*innen mangels eigener Räumlichkeiten darauf angewiesen, sich in anderen Räumlichkeiten einzumieten. Ihre wechselnden Programme findet entsprechend nicht am selben Veranstaltungsort statt.