VorRisse
Von Gemütlichkeit kann nicht die Rede sein. Und wenn, dann hauptsächlich in ihrer Ausformung als stickige Normalisierung im postneojosephinistischen Rahmen.
Von Gemütlichkeit kann nicht die Rede sein. Und wenn, dann hauptsächlich in ihrer Ausformung als stickige Normalisierung im postneojosephinistischen Rahmen. Die im Schwerpunkt dieser Ausgabe versammelten Texte unterstreichen diesen Eindruck und zeichnen insgesamt ein gar nicht so erfreuliches Szenario. Ob im lokalen oder globalen Kontext, allenthalben zeigt sich die wachsende Evidenz von Phänomenen des Ausschlusses: Ausschluss von der Faulheit, Ausschluss von der Arbeit, Ausschluss von MigrantInnen aus Europa, Ausschluss von PartisanInnen aus der Kärntner Geschichtsschreibung, Ausschluss von wirklicher Wahlfreiheit und von Bildungsmöglichkeiten und dem freien Zugang zu den Universitäten. Die Liste wäre ziemlich lang fortzusetzen und zeigt den allgemeinen, globalen Trend zum Ende der Gemütlichkeit, und das unter national verschärften Voraussetzungen in Österreich. In Bezug auf die Paradigmen der Gemütlichkeit lässt sich allerdings sagen, dass es hier wohl noch nicht so richtig ungemütlich ist, wohlgemerkt hier zumindest und noch nicht, doch dass auch Gemütlichkeit etwas Ungemütliches haben kann. Es kommt nur jeweils drauf an, für wen...
"Es gibt immer - nur - hegemoniale Gemütlichkeit. Oder einfacher: die herrschende Gemütlichkeit ist immer die Gemütlichkeit der Herrschenden." (Yoyo Tischler, S.9) Dennoch ist beim derzeit so besonders hippen Gemütlichkeitsbashing wie auch bei Slavoj Zizeks nicht zum ersten Mal geäußerter Forderung nach einer radikaleren Enttabuisierung der Rechten als Wiedergewinnung von Wahlfreiheit eines kritisch zu vermerken: Die auch von den reaktionären österreichischen Medienintellektuellen (s.a. die letzten Ausgaben der Kulturrisse) mitbetriebene Wende zum schwarzblauen Experiment schafft die Grundlagen für eine weit ungemütlichere Ungemütlichkeit als die ungemütliche Gemütlichkeit, in der wir die letzten Jahrzehnte gewohnt waren, uns mehr schlecht als recht einzurichten.
Die vorliegende Ausgabe der Kulturrisse ist eine Kooperation mit dem Festival der Regionen und nimmt dessen Motto auf: "Das Ende der Gemütlichkeit" verweist auf die freundliche Übernahme dieser Zeitschrift durch das oberösterreichische Festival, das es nun ab 22. Juni schon fast traditionellerweise versuchen wird, progressive Kunstprojekte mit den regionalen Kulturinitiativen und einem weiten Publikum in Beziehung zu setzen. Dem Team des Festival sei auf diesem Weg ein Dank der Redaktion für die gute Kooperation ausgerichtet und gutes Gelingen gewünscht.
Gerald Raunig