VorRisse

Der Herr gibt's, der Herr nimmt's: ein ehernes Prinzip der national-konservativen Wende. Das bekommen seither all jene besonders drastisch zu spüren, die es weiterhin wagen, gegen die nunmehr in ihrer Machtstellung gestärkte Schüssel-Partei ihre kritische Stimme zu erheben.

In Österreich, so mussten wir am Wahlabend des 24. November 2002 aus dem Munde einer vom Triumph betäubten ÖVP-Parteispitze erfahren, macht der liebe Gott die Politik. Der Herr gibt's, der Herr nimmt's: ein ehernes Prinzip der national-konservativen Wende. Das bekommen seither all jene besonders drastisch zu spüren, die es weiterhin wagen, gegen die nunmehr in ihrer Machtstellung gestärkte Schüssel-Partei ihre kritische Stimme zu erheben. In derartigem Setting war es unvermeidlich, dass sich die Kulturrisse Anfang 2003 mit Gott behüte Österreich auf den Anbruch finsterer Zeiten beziehen mussten. Knapp zwei Jahre sind seither ins Land gezogen. Zwei Jahre des rasanten Demokratieabbaus, des Gefügigmachens von ORF und Medien, des Mundtotmachens, des Zerschlagens von Strukturen der gesellschaftlichen Selbstorganisation und Selbstbestimmung, der Verlotterung der politischen Kultur.

Mit Gott verhüte Österreich erhöhen auch wir die Dosis, denn jetzt kommt es noch einmal so richtig dicke. 60 Jahre Gründung der Zweiten Republik, 50 Jahre Staatsvertrag, 10 Jahre EU-Mitgliedschaft – im so genannten Jubiläumsjahr 2005 steht Österreich im Rahmen unersättlicher Regierungsfeierlichkeiten ein gewaltiger Schub an Selbstinszenierung, Geschichtsverzerrung, an Opfermythen und chauvinistischen Identitätskonstruktionen ins Haus. Mit einer ersten Vorahnung eröffnet Marlene Streeruwitz den Schwerpunkt dieser Kulturrisse: "Die Kinder vom Tag der Fahne und der Heldengedenkfeiern der 50er Jahre. Sie halten nun selber die Reden." Denselben Ton einschlagend, den sie damals gehört hatten, werden sie auch die Haltung von damals wiederholen: "Ein Pathos, das alles in Verkündigung verwandelt. Die Regungslosigkeit verbietet Erklärung." Von derartigen Verboten wenig beeindruckt zeigen sich die Beiträge von Oliver Marchart, Nora Sternfeld und Ljubomir Bratic. Sie stemmen sich gegen die drohende rot-weiß-rote Propaganda, reflektieren antinationale-Strategien und debattieren die Wirkungsmacht dissidenter Aktionsformen gegen das – wie Tina Leisch es nennt – "Jodeljahr". Den Schwerpunkt abschließend kann auch Burghart Schmidt nur seiner Hoffnung Ausdruck verleihen, dass es wenigstens hier und dort gelingt, "sich den Verdörflichungs- und Folklorisierungsprogrammen aus ÖVP und FPÖ" zu widersetzen.

Genau das hat sich eine transversale Plattform zur Aufgabe gemacht, die sich unter zunehmend breiter Beteiligung der diskursiven und aktivistischen Forcierung von Präventiv- und Gegenstrategien widmet. Mit einem Vorsorge-Paket gegen ein Jahr Heimat-Feiern soll sichergestellt werden, dass in der Produktion von Geschichtsauffassung emanzipatorische und bisweilen unterdrückte Perspektiven nicht gänzlich unter die Räder der massenmedial geölten Jubelmaschinerie geraten. Gelingen kann dies nur mit einer möglichst großen Anzahl von politischen und kulturellen Veranstaltungen, Medienprojekten, Publikationen und künstlerischen Interventionen, die in den schwarz-blauen Chor der verordneten Austromania nicht mit einstimmen wollen. Gott verhüte Österreich soll dafür ein Impuls sein – danke Herr, dass du uns diese Kulturrisse bescheret hast!

Österreich 2005: Das Vorsorge-Paket gegen ein Jahr Heimat-Feiern