Gender Report: Mehr Frauen im Kulturbereich - aber weniger in Führungspositionen und schlechter bezahlt
Das BMKÖS hat einen umfassenden Gender Report im Bereich Kunst und Kultur erstellen lassen. Der Report untersuchet die Verteilung der Geschlechter im institutionellen, professionellen und vom Bund bzw. den Bundesländern geförderten Kunst- und Kulturbereich. Bezüglich Ungleichheiten zwischen den Geschlechtern zeigt sich eine größere Disparität als gesamtgesellschaftlich.
Was untersucht der Gender Report?
Untersucht wurden 900 Kulturinstitutionen mit Angaben zu 17.000 Beschäftigten, 2.800 Führungskräften und 2.300 Aufsichtsorganen, Förderberichte des Bundes und der Länder, sowie anonymisierte Lohn- und Einkommensteuerdaten sowie Arbeitsmarktdatenbank.
Der Gender Report untersuchte unter anderem:
- Strukturen wie z.B. Personal, Führungskräfte, Gehälter, Sichtbarkeit und Aufsichtsorgane untersucht und
- die geschlechtsspezifische Verteilung der Fördermittel, Preise und Stipendien an Einzelkünstler:innen analysiert.
Von der Untersuchung ausgenommen waren freiwilligenarbeit/Ehrenamt, informeller und nicht-geförderter Bereich, künstlerische und kulturelle Inhalte, Aspekte wie Stereotypisierung, Machtmissbrauch oder sexuelle Orientierung und detaillierte Spartenuntersuchungen.
Es ist wichtig zu verstehen, dass gerade der Kunst und Kulturbereich besonders heterogen ist und sehr unterschiedliche Strukturen herrschen (von großen repräsentativen Institutionen, Kollektiven, bis Kleinvereinen oder EPUs). Auch die Grenze zwischen bezahlter und unbezahlter Arbeit ist fließend.
Was sind die Ergebnisse?
Ergebnisse des Gender Report zusammengefasst:
- Es arbeiten mit 55% überproportional viele Frauen im Sektor (auch im Publikum)
- Diese halten aber nur 48% der Förderungen
- Und 49% der Führungspositionen
- Machen 46% der Aufsichtsorgane aus
- Und ihre Arbeiten haben eine Sichtbarkeit von 42%
Beiräte und Jurys sind im Bund mit 56% von Frauen besetzt - das entspricht in etwa ihrem Anteil im Kulturbereich. Die Länder hinken da mit 46% Frauenanteil deutlich hinterher.
Auch nicht-binäre Personen wurden erhoben, sie machen in etwa 3% aus (auch im Publikum), besetzen dabei zu 2% Führungspositionen. Sie sind fast ausschließlich in kleinen Institutionen tätig.
Größte Baustelle im Kulturbereich: Gender Pay Gap
Ist gerechte Bezahlung allgemein wohl das größte Problem im äußerst rekären Kunst- und Kulturbereich, so zeigt sich dieser Aspekt auch im Gender Report als jener, der mit 37% am dramatischsten zu Tage tritt.
Der Gender Pay Gap ist in Österreich mit 18,4 % bereits sehr hoch (Stand 2022), das zeigt sich im Vergleich mit anderen europäischen Ländern. In Österreich wurden Frauen im Kulturbereich im Mittel um 37% schlechter entlohnt als ihre männlichen Kollegen. Unter Frauen, die Vollzeit beschäftigt ist, fällt der Nachteil am Geringsten aus, aber immer noch deutlich höher, als in anderen Branchen. Am höchsten ist der Gender Pay Gap des Kulturbereich in der darstellenden Kunst, am geringsten im Filmbereich.
Insgesamt herrscht im Kunst- und Kulturbereich somit über alle Branchen betrachtet der größte Gender Pay Gap.
Empfehlungen
Der Gender Report kommt zu folgenden Empfehlungen:
"Für größere Kunst- und Kulturinstitutionen wird die Entwicklung konkreter Frauenförderpläne und die Umsetzung von Gender Mainstreaming empfohlen, für Führungskräfte (vor allem Männer) Aus- und Weiterbildung im Bereich Gender-Kompetenz und Diversity-Management.
In kleineren Kulturvereinen sollten vorhandene Bemühungen gegen prekäre Beschäftigungsverhältnisse unterstützt werden. Die Wiedereinsetzung der von 2009 bis 2013 tätigen interministeriellen Arbeitsgruppen zur Verbesserung der sozialen Lage von Künstler:innen wird empfohlen.
Angesichts der mangelnden Vergleichbarkeit der Länderberichte zu Kunst- und Kulturförderung wird die Standardisierung dieser Berichte mit Schwerpunkt auf Sichtbarkeit von Geschlechterverhältnissen (unter Erweiterung der binären Sichtweise und um Intersektionalität) empfohlen.
Die Erstellung des nächsten Gender Reports sollte in einem zielführenden Zeitabstand stattfinden mit parallelen detaillierteren Spartenuntersuchungen. Große, repräsentative Institutionen (mit entsprechenden Budgets aus öffentlichen Mitteln) sollten im Detail untersucht werden."
In Österreich werden solche Daten viel zu selten erhoben. Die IG Kultur versuchte dieses Problem für die freie Szene ohne weitere finanzielle Unterstützung der Politik über eine eigene Basisdatenerhebung zu kompensieren. Es ist also sehr begrüßenswert, dass diese Daten erhoben wurden. Der Report soll zukünftig alle fünf Jahre veröffentlicht werden, um evidenzbasierte Gleichbehandlungspolitik zu ermöglichen - was aber wohl stark von Regierungskonstellationen abhängen sollte, ob dies überhaupt passiert, geschweige denn ob entsprechende Maßnahmen umgesetzt werden, um auf die im Report aufgezeigten Missstände adäquat zu reagieren. Denn Fair Pay bedeutet auch, den Gender Pay Gap zu schließen!