Hirschhorns Wurst
"Meine Arbeit enthält für jeden etwas, und wenn es die Wurst am Imbissstand ist."
"Meine Arbeit enthält für jeden etwas, und wenn es die Wurst am Imbissstand ist."[1] Die Arbeit: das Bataille-Monument, zu besichtigen während der Documenta11 (8.6. bis 15.9.2002) in Kassel; konzipiert vom in Paris lebenden Schweizer Künstler Thomas Hirschhorn, gewidmet Georges Bataille, realisiert vor Ort mit Hilfe einiger BewohnerInnen der Friedrich-Wöhler-Siedlung. Die Leute wurden für ihre Arbeit bezahlt. Im Quartier, das in der Kasseler Nordstadt liegt, leben vorwiegend nicht-deutsche arbeitslose MigrantInnen, ArbeiterInnen. Das Monument ist das dritte in einer Reihe von vier - in so genannte "soziale Brennpunkte" platzierten - zeitlich begrenzten Denkmälern, die Hirschhorn den Philosophen Spinoza, Deleuze, Bataille und Gramsci gewidmet hat, bzw. widmen wird. "Das Bataille-Monument", lese ich vor Ort im Documenta-Kurzführer, "fügt sich für die Dauer der Ausstellung faktisch in das Leben einer marginalisierten lokalen Gemeinschaft ein. (...) Unter Verzicht auf traditionelle Kategorien der Wissensproduktion holt das Werk die zum Ritual formalisierte Sammel- und Ausstellungsfunktion des Museums in den öffentlichen Raum zurück und bereichert unprätentiös die soziale Landschaft."[2] Yves Rosset beschreibt in der taz, "wie eine nordamerikanische, sich selbst als 'Hirschhorn-Süchtige' bezeichnende Sammlerin mit zitternden Fingern die Tätowierung eines männlichen Mitglieds des 'Boxcamp Philippinenhof' bewunderte, das Hirschhorn für den Aufbau und die Betreuung seines Projekts engagiert hat"[3]. Der Kurzführer zitiert Hirschhorn, dem es um "die Qualität innerer Schönheit"[4] geht.
Der Imbiss war eines von acht Elementen, über die sich BesucherInnen dem Monument nähern konnten. In der Siedlung verstreut lagen drei Baracken mit Bibliothek, Bataille-Ausstellung und TV-Studio (aus dem täglich "Bataille-Monument-TV" über den Offenen Kanal Kassel ausgestrahlt wurde), eine vom Künstler in seinem Atelier in Paris produzierte, in Einzelteile zerlegt nach Kassel transportierte Skulptur aus Holz, Karton, braunem Klebeband und Plastik, und besagter Imbiss. Das sechste Element war der Fahrdienst, der DocumentabesucherInnen in die Siedlung brachte und AnwohnerInnen zur Documenta. Über die Dauer der Ausstellung laufende Workshops waren Element Nr. 7, die Website www.bataillemonument.de und Webcams, die das Monument 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche weltweit dokumentierten, die 8. Die einzelnen Elemente und von Hirschhorn und den AnwohnerInnen gezimmerten Baracken, zwischen denen sich die Wege von Documentapublikum und dem Publikum vom Documentapublikum kreuzten, waren wie auf einem Volksfest mit Lichterketten verbunden. Hirschhorn betonte die Möglichkeit, sich dem Bataille-Monument nur durch eine dieser acht "Türen" zu nähern: "Man versteht alles, wenn man nur einen Döner isst."[5] Ein Volksfest.
Das Bataille-Monument steht nicht wegen der überwiegend arbeitslosen, nicht-deutschen BewohnerInnen der Friedrich-Wöhler-Siedlung in der Friedrich-Wöhler-Siedlung. Es hat weder mit der Stadt noch mit dem Quartier zu tun. "Es ist auch nicht das Konzept, dass ich hier wohne. Das ist nicht Teil des Kunstwerks."[6] Das Monument steht an diesem Ort, weil es eine Arbeit im öffentlichen Raum ist: "Mein Anliegen ist, Kunst zu machen. (...) Die Fragen, die ich mir stelle mit einem Projekt im öffentlichen Raum, sind: 'Bin ich fähig, Begegnungen zu machen? Bin ich fähig, Ereignisse zu erzeugen?' Ob das Kunst ist oder nicht, ist mir egal. Mein Anspruch ist aber, Kunst zu machen."[7]
Zweitens ist das Bataille-Monument eine Kritik am klassischen Monument mit Ewigkeitsanspruch. Der dezentrale Standort - kein zentraler, historischer, sondern ein versteckter Platz, ein Arbeiterquartier mit überwiegend arbeitslosen BewohnerInnen - formuliert einen Teil dieser Kritik. Form und Material der im Pariser Atelier aus Klebeband und Karton gefertigten Skulptur und der von Hirschhorn mit AnwohnerInnen billig zusammengezimmerten Baracken, die, bedeckt mit Graffitis, Punk- im Gegensatz zur herkömmlichen Ästhetik[8] vermitteln, decken den anderen Teil ab. Hirschhorn verwendet "dreckige", "arme" Materialien, die "nicht einschüchtern, zeitliche Begrenztheit und (scheinbare) Wertlosigkeit des Kunstwerks betonen"[9] sollen.
Besteht hier eine Parallele im Benutzen "armer" Materialien und "armer" Menschen, denke ich, als ich Thomas Hirschhorn im TV-Studio auf Video[10] sprechen höre. Das hier ist vielleicht kein Volksfest. Eine ganze Reihe von Gründen, z.B. der Aufstieg der "Festung Europa", die xenophobischen Tendenzen des europäischen Arbeitsmarktes oder die inakzeptable Handhabung von Einwanderungs-Anträgen müssen betrachtet werden, will man sehen, warum viele MigrantInnen immer noch in Substandard-Verhältnissen wohnen und low- oder no-skilled Jobs ausführen. "Ich bin kein Sozialarbeiter," betont der Künstler, "für mich ist Kunst ein Werkzeug, die Welt kennenzulernen."[11] Es ist sein Fest. Das Volk schenkt aus und wird bezahlt. Der Künstler-Unternehmer stellt Arbeitskräfte an, weil er nicht alleine bauen kann. Wer die Arbeiter sind (wie sie heißen), ist vielleicht interessant - Zarida, Mehmet, Nasrin, Fahed[12], die gesellschaftlichen Strukturen, innerhalb derer sie für den Künstler arbeiten und Videos für "Bataille-Monument-TV" produzieren, nicht. Das Monument kritisiert in erster Linie ein Genre der Kunstgeschichte, nicht die exklusiven gesellschaftlichen Strukturen, innerhalb derer sich der Künstler, Documenta-BesucherInnen und die BewohnerInnen der Friedrich-Wöhler-Siedlung gleichermaßen bewegen.
Kritik heißt Kampf um die Vormachtstellung. Für die Vormachtstellung innerhalb des symbolischen Feldes wird mit den Waffen des Avantgarde-Künstlers gekämpft, der Wurst, die satt macht. Auch Dix hat seine Modelle bezahlt. Es besteht eine Parallele zur Strategie der historischen Avantgarde, sich durch das Benutzen ausgegrenzter, "armer" Gesellschaftsschichten in der Hierarchie kultureller Produktion als Künstler ganz oben zu platzieren.
"Ich will bei mir bleiben, bei meiner Position als Künstler, um so respektvoller dem anderen zu begegnen."[13] Die Rolle des Sprechers hat in den offiziellen Medien nur einer, der Künstler: "Mir geht es darum, Kunst zu machen, meine Position zu verstärken mit diesem Projekt. Ich versuche, klar zu sein, ich versuche, eine nicht-hierarchische Arbeit zu machen, ich versuche, eine Arbeit zu machen, die niemanden einschüchtern will, niemanden ausschließen will. Wenn dann dadurch die Frage des Sozialen gestellt wird - durch mein Kunstprojekt - dann finde ich das schön. [...] Aber mein Vorgehen ist das des Künstlers, der ein Kunstprojekt ganz nahe bei Leuten, wo Leute wohnen, machen will, für jemanden, für den ich die Verantwortung übernehme, der mich angeht. Und wenn ich dieses Kunstwerk nicht alleine machen kann, sondern aus ganz praktischen Gründen sage, 'Ich kann es nicht alleine, könnt ihr mir helfen?', und wenn dann die soziale Frage gestellt wird, finde ich das eine Sache, über die ich nachdenken muss, und über die vielleicht auch die Besucher nachdenken können."[14]
An Hirschhorns Konzept für das Monument kritisiere ich, dass die BewohnerInnen der Siedlung graue Folie, bunter Mehrwert des schillernden Künstlers und bourgeoisen Wurstgenusses sind. In den offiziellen Medien spricht nur ein Ich über eigene Probleme: Thomas Hirschhorn. Danach befragt, ob die Begegnung mit den BewohnerInnen der Siedlung seine "Mission" modifiziert hat, oder ob er stabil in diese Begegnung hinein- und herausgeht, spricht Hirschhorn über seine Frustration mit dem Projekt und seine "Mission": "Die einzige Alternative ist, aufzuhören, nicht, etwas zu ändern. Es hat ja nichts mit meiner Arbeit zu tun. Es hat mit der Idee zu tun, mit den Leuten in der Siedlung vor Ort etwas zu machen, nicht mit meiner Vorstellung von Ästhetik, von Form, nichts mit dem Inhalt 'George Bataille'. Es hat damit zu tun, daß es nicht ok ist, dass man als Künstler hier eine Arbeit macht - aber dass es ok ist, dass man's in der Orangerie macht. Mit dem hat's zu tun. Wenn ich akzeptiere, dass das nicht ok ist, stelle ich weiter in Museen aus und ziehe mich aus dem öffentlichen Raum zurück, weil es unheimlich schwierig ist, dort eine Arbeit zu machen. Es ist schwierig, weil die Menschen, die sich im öffentlichen Raum bewegen, andere Probleme haben als das Kunstwerk und sich gar nicht damit beschäftigen wollen. Und das ist ganz normal. Wenn ich von meiner ‚Mission' spreche, dann in einem kriegerischen, soldatischen Sinne: Wenn man sich die Mission gegeben hat, dann kann man nicht zurück. Vielleicht kommt man um, aber man kann nicht aufgeben in der Hälfte."[15] Der Künstler spricht über seine Probleme. Seine Würste und Döner schmecken gut. Die anderen genießen stumm, versuchen zu verstehen.
Im Zentrum der Bedeutung des Bataille-Monuments steht George Batailles Begriff der "Verausgabung", der kriegerischen Herausforderung des anderen, durch Geben noch mehr zu geben. Die Rationalität der Warengesellschaft beruht, so Bataille, auf den Grundwerten der Buchführung, wo jedem Soll ein Haben gegenüber stehen muss. Was sie prinzipiell ausschließt, ist die unproduktive Verausgabung. In "Die Aufhebung der Ökonomie" subsumiert Bataille unter "Verausgabung" Formen des Energie-, Zeit- und Materialverschleißes, Arten des Konsums, die nicht wieder als Mittel der Produktion an die ökonomische Rationalität zurückgebunden sind. Kunst ist für Bataille eine Art dieser sich der Rationalität der Warengesellschaft widersetzenden "Verausgabung". Thomas Hirschhorn geht in seiner künstlerischen Arbeit davon aus, dass er als Künstler "zuerst etwas geben muss".[16] Aber was? Und: ist das die "Mission"?
Einer der wenigen Anwohner, die neben ihm in den Medien Position bezogen haben, ist Lothar Kannenberg, Sozialarbeiter und Leiter des Boxcamps Philippinenhof, dessen jugendliche Mitglieder das Monument mit aufgebaut haben und betreuen. Kannenberg beginnt zu denken, wo Hirschhorn aufhört. Über seine Beziehung zum Monument sagt er: "Was da so genau ist, ist mir zu schwer. Das würde mich belasten. Aber die Grundsätze habe ich verstanden. Ich bin auch maßlos. [...] Den anderen herauszufordern, ist schon eine tolle Sache."[17] In dem am 17. Juli 2002 im OK Kassel gesendeten Interview formuliert Kannenberg aber auch seine anfängliche Angst, im Rahmen dieses Kunstprojektes ausgenutzt zu werden. Zu "ausnutzen" heißt es im Wörterbuch der deutschen Sprache zum einen "etwas ganz nutzen", zum anderen "jemanden rücksichtslos gebrauchen". Ist die negative Bedeutungsebene vielleicht die Kehrseite von Hirschhorns Ich-fordere-sie-durch-Geben-heraus-noch-mehr-zu-geben-Mentalität? (Wo) lässt sich beim Bataille-Monument die erste Bedeutungsebene lokalisieren?
Der zweite Teil dieses Textes reproduziert einen Ausschnitt des von kunstbar.tv produzierten 50-minütigen Interviews, in dem Lothar Kannenberg gemeinsam mit dem Künstler zum Bataille-Monument befragt wurde. Das Gespräch, das sich aus der Frage "Was kommt nach der Documenta?" entwickelte, macht deutlich, dass Thomas Hirschhorn seine Rolle als "Gebender" nicht im Kontext der Geschichte partizipatorischer, prozeßhafter Projekte im öffentlichen, als öffentlicher Raum reflektiert. In dem Ausmaß, wie Hirschhorn die Geschichte dieser Praxen ignoriert, existiert neben seiner monumentalen Auseinandersetzung mit dem Genre "Denkmal" eine Leerstelle: Die BewohnerInnen der Siedlung und die DocumentabesucherInnen haben die Möglichkeit, sich der Kunst über eine Wurstspende anzunähern; für beide ist der Besuch der Siedlung gratis. Im Interview erschließt sich trotz aller Widersprüchlichkeiten aber auch die positive Bedeutungsebene des Wortes "ausnutzen" und des Monuments, z.B. wenn Hirschhorn darauf beharrt, dass die, die sich am Monument beteiligt haben, etwas gegeben haben, das ihnen gar nicht genommen werden kann.[18]
Moderatorin: "Was kommt nach der Documenta?"
Lothar Kannenberg: "Es wird abgebaut, und den Bewohnern wird was genommen. Die haben Anerkennung erfahren, Selbstwert erfahren. Und von heute auf morgen ist da erstmal nichts mehr da. Ich habe angeregt, darüber nachzudenken, diesen Leuten eine Chance zu geben, in einer anderen Form weiterzumachen, einen kleinen Bonus zu bekommen vom Arbeitsamt. Es wäre dumm, so ein Team wieder auseinander sprengen zu lassen. Die sind wertvoll, total wertvoll: Wie kann man denen eine Chance geben, sich weiterzuentwickeln?"
Thomas Hirschhorn: "Ich bin nicht einverstanden, dass den Leuten was genommen wird, sondern die haben ja was gegeben. Das kann man denen gar nicht nehmen. Die haben was gegeben. Es war für mich immer klar - und ich mache überhaupt keinen Appell, an niemanden - es ist für mich klar, dass das ein zeitlich begrenztes Projekt ist, kein soziales Projekt, sondern ein Kunstprojekt. Das habe ich von Anfang an gesagt, dass es diesen Gedanken eines ‚Monuments nicht für die Ewigkeit' in sich trägt und nicht eine Art Sozialhilferolle. Nur den Imbiss zu lassen [...] ist nicht möglich aus der Kohärenz des Projektes und auch aus Respekt vor den Leuten, die vielleicht nicht interessiert sind, die das Monument stört. Die Abbauphase und die Phase, wo es nicht mehr da ist auszufüllen, ist ja dann die Arbeit. Das ist ja vielleicht die Wirkung, die möglich ist. [...] Das ist auch so, wenn ich in ein Museum gehe: Ich sehe ein Bild, oder eine Skulptur, aber ich kann nicht im Museum übernachten, ich kann nicht die ganze Zeit mit diesem Kunstwerk leben - aber es hat eine Nachwirkung. Und so denke ich, ist es nicht auszuschließen, dass das Bataille-Monument eine Nachwirkung hat."
LK: "Dein Part ist der Documenta-Part bis 15. September, dann hast du deins gemacht. Dann heißt es für mich eine Übergabe für andere: diese Leute aus der Siedlung - die wirklich was bekommen haben, was ich ja auch sehe - weiter zu führen und nicht fallen zu lassen. Da sehe ich natürlich die Stadt, das Arbeitsamt, das Sozialamt, andere Ämter... diesen Leuten noch einmal eine Chance zu geben, sich noch weiter entwickeln zu können. Ich sehe das so: Sie nehmen zwar was im Herzen mit, sie nehmen was im Wissen mit, aber keine Arbeit, kein Geld; es geht wieder die Abwertung los. Solche Leute gehen aufs Sozialamt und kämpfen um ihr Geld. Viele sind nicht in der Lage, darum zu kämpfen, weil sie das Selbstwertgefühl nicht so ausgeprägt haben, von was auch? Jetzt, nach deinem Projekt, ist vielleicht Selbstwertgefühl da. (...) Aber es muss auch auf sie zugegangen werden, den Leuten ein Stück Hoffnung und eine Chance gegeben werden, und das haben sie auch verdient. Damit hast du gar nichts zu tun - die Nachbearbeitung geht den Sozialarbeiter was an. Du bist kein Sozialarbeiter. Die Sozialarbeit setzt ein nach diesem Projekt."
TH: "Das ist genau der Punkt, wo wieder das Assistenzdenken anfängt - man muss assistiert werden, jemand muss was machen, das muss doch bleiben, was kommt nachher - anstatt, und ich gebe es nicht auf, dass durch Freundschaft, dass durch die Erfahrung, die da entstanden ist, dass da nachher vielleicht irgend etwas ist, was nicht mit Assistenz zu tun hat, dass man sich nicht wieder in diese Situation bewegt und wieder macht, was man immer macht: fordert. Es geht darum - obwohl das kein Anspruch ist für mich in meiner Arbeit - sich auf sich zu berufen und zu sagen: Was kann ich machen? Wo ist mein Platz? Welche Orte sind mir wichtig? Von wo komme ich? Wo geh ich hin? Diese Fragen sind doch wichtig! Und diese Fragen kann kein Amt lösen. Die muss man selber in der Konfrontation mit sich lösen."
M: "Meinen Sie, dass diese Konfrontation durch das Monument ausgelöst wurde, dass es eine nachhaltige Hilfe für die Bewohner ist?"
LK: "Ich sehe das so: Die Entwicklung, mein Leben in den Griff zu bekommen, dauert. In ein paar Monaten kann ich nicht das aufarbeiten, was vielleicht jahrelang liegen geblieben ist. Das soll ja eine Unterstützung sein. Das soll keine Arbeitsabnahme sein, sondern eine kleine Unterstützung."
M: "Macht man sich vorher Gedanken darüber, dass man gedrängt wird, Verantwortung zu übernehmen?"
TH: "Das akzeptiere ich einfach nicht - jetzt haben wir das aufgebaut - dass man jetzt kommt und sagt, hey, jetzt baut ihr das ab, das ist doch schade, da nimmt man uns etwas! Das akzeptiere ich nicht! Das geht nicht! So geht es nicht! Das ist etwas, was ich immer ganz klar gesagt habe, weil ich das aus Erfahrung weiß und weil ich das auch so vorbereitet habe. Weil ich kein Sozialarbeiter bin, will ich ihnen jetzt auch nicht demonstrieren, was ich glaube, passieren könnte, welche Möglichkeiten da sind. Das kann ich ihnen und will ich ihnen nicht geben. Und natürlich ist es so, wie Sie sagen. Wenn man etwas anfängt, denkt man nicht an alles, und es gibt einen Moment, weil es sich um Kunst handelt, wo es einen dermaßen destabilisiert, und das war mein Fall, wo es eine Arbeit wird, die zu groß ist für einen selber. Wenn es nicht zu groß wäre für mich selber, hat es gar keinen Wert mehr, eine solche Kunstarbeit anzufangen."[19]
Mit zitternden Fingern bewundert die Hirschhorn-Fetischistin ein männliches Mitglied des Boxcamps. Hirschhorn arbeitet sich an seiner Position als Künstler ab. Die Art und Weise wie er das tut, bezeichnet Anselm Wagner als "Sozialporno".[20] "Was bleibt, hängt vor allem an mir, am Betrachter"[21], sagt Hirschhorn. "Ich bin (...) angreifbar", sagt der Künstler, "widersprüchlich. (...) Ich muss mit meinem Eigenen versuchen, frei zu sein. Und so eine Arbeit, die ich nicht alleine gemacht habe, ist ein Resultat dieses Versuchs, meine Position zu klären, immer wieder dran zu arbeiten."[22] Käsekrainer, Currywurst, Hotdog ...
Fußnoten
[1] Yves Rosset, in: taz Nr. 6790 vom 3. September 2002, S.16.
[2 documenta und Museum Fridericianum Veranstaltungs-GmbH (Hg.), Documenta 11_Plattform 5: Ausstellung/Exhibition, Kurzführer/Short Guide, Ostfildern-Ruit 2002, S.108.
[3] Yves Rosset, in: taz Nr. 6790 vom 3. September 2002, S.16.
[4] Siehe documenta und Museum Fridericianum Veranstaltungs-GmbH (Hg.), Documenta 11_Plattform 5: Ausstellung/Exhibition, Kurzführer/Short Guide, Ostfildern-Ruit 2002, S.108.
[5] Thomas Hirschhorn in einem TV-Interview, produziert von kunstbar-tv, gesendet am 17. Juli 2002 im OK Kassel. Zu kunstbar.tv siehe: http://www.kunstbar.tv.
[6] Thomas Hirschhorn in "Bataille-Monument-TV" vom 17. Juli 2002, gesendet im OK Kassel. Zu "Bataille-Monument-TV" siehe http://www.hr-online.de/documenta/tagebuch/0808.shtml
[7] Thomas Hirschhorn in "Bataille-Monument-TV" vom 17. Juli 2002, gesendet im OK Kassel.
[8] Vgl. Karin Mohr auf: http://documenta.cyberday.de/hirschhorn.php3 ("Thomas Hirschhorn schafft eine Ästhetik der Randgruppen") und http://www.documenta.de/data/english/artists/ hirschhorn/ ("Sein Werk [...] überführt [...] die Begierden des Kapitalismus in einen Zustand dauerhafter kreativer Anarchie").
[9] Thomas Hirschhorn in einem TV-Interview, produziert von kunstbar-tv, gesendet am 17. September 2002 im OK Kassel.
[10] Im TV-Studio hatten BesucherInnen die Möglichkeit, alle bisher von den BewohnerInnen der Friedrich-Wöhler-Siedlung und von Hirschhorn gemeinsam mit den BewohnerInnen produzierten Sendungen von "Bataille-Monument-TV" und andere auf Video aufgezeichnete Sendungen zum Thema anzusehen. "Bataille-Monument-TV" war für die Dauer der Documenta eine tägliche Sendung im OK Kassel im Hessischen Rundfunk. Der OK Kassel bezeichnet sich als "Bürgerfernsehen". Alle Sendungen von "Bataille-Monument TV" beginnen mit dem Schriftzug: Thomas Hirschhorn, Friedrich-Wöhler-Straße 7, 34127 Kassel.
[11] Thomas Hirschhorn in "Bataille-Monument-TV" vom 17. Juli 2002, gesendet im OK Kassel.
[12] Siehe Documenta 11: Gespräche mit den Kuratoren: Sarat Maharaj, in: Kunstforum 161, Aug-Okt 2002, S.199.
[13] Hirschhorn in einem TV-Interview, produziert von kunstbar-tv, gesendet am 17. Juli 2002 im OK Kassel.
[14] ebd.
[15] Thomas Hirschhorn in "Bataille-Monument-TV" vom 17. Juli 2002, gesendet im OK Kassel.
[16] Vgl. Thomas Hirschhorn in: Hans Ulrich Obrist (Hg.), point d'ironie Nr.1, Oktober 2001, S.7.
[17] Lothar Kannenberg in einem TV-Interview von kunstbar-tv, gesendet am 17. Juli 2002 im OK Kassel. Zu Kannenberg siehe: Lothar Kannenberg, Durchboxen, Ich lebe, Opal Verlag, Kassel 2002.
[18] Ich will partizipative Praxen hier nicht als "das Gute" ins Treffen führen: "As capitalism lets the world crumble and fall apart into value, that is abstract rows of numbers, entrepreneurs have to think out new ways, how to make YOU identify with the product, that otherwise looks at you sadly and cold from its place in the shelf of a 99cent-store. Corporations, thus, have to reach Your Imagination, have to produce Your subjectivity, have to win YOUr heart, as well as they have to get YOU to PARTICIPATE with all your enthusiasm, inventiveness, creativity, social skills. Is this necessarily bad? What I want to say is, that participation is the new mode, the paradigm under which the capitalist world starts to function. There is only one important rule: all these skills have to be returned or devoted in a positive, affirmative way, that works inside the system: You have to position your subjectivity in a context of utilization (or, to say it more clearly: exploit it or have it exploited. Just say YES" (Christoph Schäfer am 21. Juni 2002 in der Diskussionsplattform der Documenta 11 auf http://mail.sarai.net/pipermail/discussion-d11/20020729.txt). Aber eine Auseinandersetzung mit, ein Mitdenken der Geschichte partizipativer Praxen ist meiner Meinung nach für ein Projekt wie das Bataille-Monument dringend nötig.
[19] kunstbar.tv, gesendet im OK Kassel am 17. Juli 2002.
[20] In: Parnass 3/2002, S.42.
Thomas Hirschhorn in einer Sendung von "Bataille-Monument-TV", gesendet im OK Kassel am 17. Juli 2002.
[22] ebd.
Michaela Pöschl ist Künstlerin und Kunsttheoretikerin und lebt in Wien.