Kulturwandel durch künstliche Intelligenz (KI)?

Künstliche Intelligenz (KI) wird zunehmend Teil unseres Alltags - bei der Arbeit oder im Privatleben. Diese bahnbrechende Technologie bietet enorme Möglichkeiten, wirft aber auch berechtigte Bedenken auf, die nicht ignoriert werden dürfen.

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Vor knapp zwei Jahren drang das Thema Künstlicher Intelligenz in das öffentliche Bewusstsein und löste Panik bis Euphorie aus. Der Release von ChatGPT markiert aber keine neue Entwicklung. Viele Menschen sind sich nicht darüber im Klaren, wo überall schon längst KI drinsteckt: Gesichtserkennung, virtuelle Sprachassistenten, Übersetzungsprogramme, Routenplaner, und mittlerweile begegnen mir auch fast täglich ganze Social-Media-Accounts die rein mit KI Material erstellt werden. Wie der Autor und KI-Experte Oliver Schütte betont, werden KI-Systeme immer leistungsfähiger und allgegenwärtiger: "KI-Systeme werden bereits heute in vielen Bereichen wie Medizin, Finanzen und Verkehr eingesetzt und diese Systeme werden in Zukunft noch leistungsfähiger und allgegenwärtiger sein." Wir sind uns also einer Entwicklung bewusst geworden, die jahrelang unbemerkt vorangeschritten war.
Und die Reise ist noch nicht vorbei. Im Bereich der künstlichen Intelligenz geht man von einer Wachstumsrate von 37,3% bis 2030 aus. KI Technologien werden also noch stark an Bedeutung gewinnen. Immerhin befürchten 40% der Menschen, durch die neue Technologie ihren Job verlieren zu können. Ganz so schlimm wird es vermutlich nicht, aber Prognosen gehen davon aus, dass immerhin 15% der Menschen weltweit dadurch ihren Job verlieren könnten, gleichzeitig jedoch auch ein Viertel dieser Arbeitsplätze wiederum durch die KI-Branche geschaffen wird. 

 

Wird KI unsere Jobs wegnehmen? 


Die Frage nach dem Wettstreit um Jobs zwischen Mensch und Maschine betrifft den Zweifel um faire Wettbewerbsbedingungen, Verhinderung von Preisverfall durch KI-generierte Inhalte. Hier ist ein Kampf bereits ausgefochten worden: Die amerikanische Writers Guild hat schon 2023 gestreikt und nicht nur Hollywood, sondern auch den Streamern viel Geld gekostet, indem sie Produktionen monatelang auf Eis gelegt haben. Auch hier ging es schon um eine Regelung, die davor schützt, dass der Einsatz künstlicher Intelligenz nicht auf Kosten des menschlichen Personals geht, Honorare nicht verfallen. Eigentlich ging es hier aber nicht primär um KI, durch diese wurde nur befürchtet, dass ein Verfall der Arbeitsbedingungen und Bezahlungen, den die Streamer in der Pandemie in Gang gesetzt haben, rapide beschleunigt werden könnte. Durch den Streik konnten auch bei den Streamern Vereinbarungen umgesetzt werden, die zuvor in der Film und TV Branche bereits gültig waren, derer sich der neue Sektor aber nicht verpflichtet fühlte. Diese gewonnene Auseinandersetzung könnte ein gutes Beispiel für die Zukunft sein. 

 

Was sind gute Einsatzgebiete für KI im Arbeitsalltag? 

Die größten beruflichen Anwendungsgebiete liegen momentan laut Umfragen aus der Schweiz vorwiegend bei Textprogrammen (47%), Bildprogrammen (26%) und Codierungsprogrammen (24%). Interessant hierbei ist, dass die Anwendung in der Regel nicht durch Arbeitgebende gesteuert wird. Die meisten Unternehmen haben noch keine KI-Richtlinien entwickelt. Einerseits heißt das, dass zwar viele Menschen Angst vor Jobverlust durch KI haben, diese aber selbst in ihren Arbeitsalltag bringen. Das hat damit zu tun, dass sie dadurch offensichtlich Zeit in der Ausübung ihrer Aufgaben sparen. Das bedeutet aber auch, dass die Implementierung eines so sensiblen Instruments dezentral und unorganisiert auf individueller Ebene stattfindet. 
Wenn Arbeitgebende selbst KI einführen, ist es meist eine Reaktion auf den Arbeitskräftemangel. Es geschieht also nur aus einer Not heraus. Das größte Potenzial sehen die meisten Unternehmen in der Erstellung und Übersetzung von Inhalten oder der Verbesserung der Kundenbeziehungen durch KI gestützte Interaktion. Die mangelnde Implementierung durch Organisationen scheint auch an mangelndem Know-How zu liegen. Die größten Risiken sehen Arbeitgebende hingegen in Datenschutz, Copyright, Falschinformationen und Cyber-Sicherheit.  


Der Experte für Öffentlichkeitsarbeit und KI-Experte David Röthler empfiehlt folgende KI-Tools für den Büroalltag: Perplexity zum effizienten Recherchieren und Zusammenfassen, Type Set für die Strukturierung komplexer Informationen, DeepL zum Verfeinern von Texten, ChatGPT zum kreativen Ausarbeiten von Projektanträgen und Idiogramm zum Erstellen von Bildern mit Text. Diese Tools erleichtern viele Aufgaben und steigern die Effizienz, wie Röthler schwärmt: "Ich bin immer wieder fasziniert, was KI alles leisten kann. Plötzlich geht so vieles viel effizienter." Doch KI birgt auch nicht zu unterschätzende Risiken, warnt Schütte: "KI-Systeme bergen auch Risiken, wie z.B. Datenschutzprobleme, Manipulationsanfälligkeit und Arbeitsplatzverluste." Röthler ergänzt, dass KI-Tools mit Vorsicht zu genießen sind, da sie Fehler begehen und Vorurteile haben. Die Angst vor Jobverlusten ist real, aber er sieht auch Chancen: "Vielleicht ist KI ja ein Impuls für ein bedingungsloses Grundeinkommen oder andere positive Veränderungen." Schütte "plädiert für eine verantwortungsvolle Entwicklung und Anwendung von KI-Systemen" und fordert "eine stärkere Regulierung und Kontrolle von KI".

 

Offen Baustellen in der Regulierung

Das ist aber bei Weitem nicht die einzige Sorge und die Fragen werden eher schwieriger als leichter zu beantworten. Bei der Entwicklung von künstlicher Intelligenz im Bereich Kunst und Kultur müssen mehrere rechtlich relevante Aspekte berücksichtigt werden. Das ist mal zunächst das Urheber*innenrecht und der Schutz der Trainingsdaten, wie er bereits vielerorts fast panisch gefordert wird. Denn KI-Systeme werden oft mit urheber*innenrechtlich geschützten Werken trainiert, und selbst wenn quasi eigenständige Werke entstehen, ist unklar, wie man hier mit Nutzungsrechten umgehen sollte. Manche Forderungen beinhalten hier die Einführung einer Zustimmungspflicht (Opt-in) für Urheber*innen, deren Werke zum KI-Training verwendet werden sollen. Ob das realistisch ist, ist fraglich, bedenke man, wie unübersichtlich das Internet ist und wie weit fortgeschritten diese Prozesse sind. Angemessene Vergütung für die Nutzung von Werken als Trainingsdaten sind eine weitere Forderung. Eine Überführung von KI in den Dunstkreis der Rechteverwertungsgesellschaften also? Aber einen sauberen Gesetzestext vorzulegen, in dem man eine klare Grenze zieht, zwischen einem Plagiat und einem Werk, dass nur „angelehnt“ wurde, quasi davon inspiriert ist, könnte sich schwierig gestalten, vor allem wenn man bedenkt, dass man seit über 50 Jahren auch keine wirklich klaren Lösungen beispielsweise für Sampling gefunden hat. 
Handelt es sich aber um eigenständige Werke, ist eine weitere offene Frage die Schutzfähigkeit von KI-generierten Werken. KI-generierte Werke genießen in der Regel keinen urheber*innenrechtlichen Schutz, da ihnen die "persönliche geistige Schöpfung" eines menschlichen Urhebers oder Urheberin fehlt. Eine Ausnahme kann vorliegen, wenn die KI nur als Werkzeug interpretiert wird und der Mensch die wesentlichen kreativen Entscheidungen trifft – aber reicht ein Prompt dafür aus? Wo beginnt und endet die eigenständige kreative Leitung? 

Andere Fragen haben eine gesamtgesellschaftliche Größenordnung. Hier geht es um einen politischen Brandbeschleuniger dafür, was wir im Zeitalter deregulierter Sozialer Medien „Fake News“ nennen. Eine Forderung ist eine Kennzeichnungspflicht, um sie von menschlichen Schöpfungen unterscheiden zu können. Eine andere Frage ist der Datenschutz, nämlich bei der Verarbeitung personenbezogener Daten bezüglich der Wahrung der Rechte der betroffenen Personen (z.B. Auskunftsrecht, Recht auf Löschung, etc.), sowie Persönlichkeitsrechte, also dem Schutz vor KI-generierten Ebenbildern, nämlich ohne Einwilligung täuschend echte Abbilder von Personen erzeugen, die rufschädigend sind oder in manipulativer Absicht falsche Eindrücke erzeugen könnten.
Hier geht es um Transparenz und Offenlegungspflichten, beispielsweise der verwendeten Trainingsdaten, insbesondere wenn sie urheber*innenrechtlich geschützte Werke enthalten.
Das könnte schwierig werden, da Big Tech die technischen Hintergründe ähnlich schützt, wie es einst Suchmaschinen und später die Plattformen Sozialer Medien mit ihren Algorithmen machen sollten. Wie vor 15 Jahren die Republikaner vergeblich eine Regulierung Sozialer Medien forderten und sich den Unmut von Silicon Valley zugezogen haben (die sich seither den Ruf liberaler oder progressiver Agenten erarbeitet haben), so versuchen das nun die Demokraten, weshalb sich die Plattformen hinter Trump scharen und Elon Musk sogar offen für Trump wirbt, mit Geld, aber auch damit seinen Algorithmus zu ändern, dass auf X die Tweets – Verzeihung, Postings von ihm nun durch eine technische Vorkehrung standardgemäß mehr Reichweite erhalten als Beispielsweise jene von Präsident Biden. In den USA ist also keine Lösung in Sicht. Die EU könnte hier dennoch realistisch etwas leisten, da man mangels ernstzunehmender Mitbewerber im KI Bereich diesseits des Atlantiks wenig zu verlieren hat und man bereits gesehen hat, dass die Plattformen einknicken, wie es selbst Elon Musk vor brasilianischen richterlichen Entscheidungen trotz monatelangem Zirkus und Tiraden letztlich doch getan hat. 


Eine andere Entwicklung, die bereits in Gang gesetzt wurde, ist die Transparenz über den Einsatz von KI bei der Erstellung von Werken, die in Sozialen Medien bereits implementiert ist, sich aber immer noch im Rahmen einer freiwilligen Selbstkontrolle bewegt. Um gute Regelungen für künstliche Intelligenz im Bereich Kunst und Kultur umzusetzen, sind Maßnahmen auf verschiedenen Ebenen erforderlich. Auf EU-Ebene wie bei der KI-Verordnung (KI-VO) oder dem Europäisches Amts für Künstliche Intelligenz, eröffnen sich Felder bezüglich Kategorisierung der KI-Systeme nach Risikoklassen, Verbot bestimmter KI-Praktiken, Anforderungen für Hochrisiko-KI-Systeme und Transparenzpflichten, Umsetzung und Durchsetzung der KI-Verordnung und funktionierender Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten koordinieren, ohne die es nicht gehen wird.
Wie bei allen EU-Gesetzen müssen diese auf nationaler Ebene umgesetzt werden, nationale Gesetze an die KI-Verordnung angepasst werden und zuständige Behörden für die Überwachung und Durchsetzung benannt werden. Hier sind auch spezifische Regelungen für den Kunst- und Kulturbereich nötig, man könnte die Sache aber auch nicht nur defensiv – sondern eben kreativ angehen und Förderprogramme für KI-Innovationen im Kultursektor entwickeln. Denn neben wirtschaftlichen Investitionen und Investitionen in Forschungsprojekte zur Entwicklung von KI, braucht es auch eine Investition in einen Kulturwandel bezüglich künstlicher Intelligenz, produktiven kreativen Umgang, Bildung und Sensibilisierung, Programme zur Förderung des Verständnisses für KI und ihrer Auswirkungen. 

Letztendlich müssen wir diese Revolution intelligent angehen. Es ist entscheidend, dass alle Bürger die Implikationen von KI gut verstehen. Wie Schütte es formuliert: "Es ist wichtig, dass die Gesellschaft insgesamt ein besseres Verständnis für KI-Systeme entwickelt, um fundierte Entscheidungen treffen zu können." Röthler rät: "Beschäftigt euch mit den aktuellsten Themen und probiert sie aus. Nur so findet ihr heraus, wie ihr KI in euren Arbeitsalltag integrieren könnt." Mit Vorsichtsmaßnahmen und Akzeptanz kann KI unseren Alltag erleichtern und uns bei künftigen Herausforderungen unterstützen. Röthler ist überzeugt: "KI wird überall mit dabei sein und unseren Arbeitsalltag erleichtern."

 

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