Liebe Tante Greti,
danke für den herrlichen Laib Brot und das große Stück Speck. Kaum hatten wir das Paket bekommen, haben wir uns auch schon alle wie wild darauf gestürzt. Sonst gibt es bei uns nicht viel Neues, außer natürlich, dass Doris jetzt eine Terroristin wird.
danke für den herrlichen Laib Brot und das große Stück Speck. Kaum hatten wir das Paket bekommen, haben wir uns auch schon alle wie wild darauf gestürzt. Sonst gibt es bei uns nicht viel Neues, außer natürlich, dass Doris jetzt eine Terroristin wird.
Die Doris, du weißt es ja, liebe Tante, ist wirklich ein selten guter Mensch. Schon alleine, wie sie sich um die bei uns im Ort einquartierten Tschetschenen-Flüchtlinge kümmert. Ohne die Doris und unsere Nachbarin wären die ja voll aufgeschmissen. Denn die Frau von der Volkshilfe, die sich eigentlich um die Flüchtlinge kümmern sollte, ist ein bisserl sehr überfordert. Die Doris bringt die Leute zum Doktor nach Linz, schaut, dass sie was zum Anziehen haben, besorgt Babybadewannen und Schulsachen und und und … Und bei all dem bleibt sie auch noch meistens gut gelaunt und freundlich. Wirklich eine Seele von einem Menschen.
Jetzt hat sie aber wieder einmal Zeitung gelesen. Ich hab mir gleich gedacht, dass das nicht gut gehen wird. Schon wie sie nach der Zeitung gegriffen hat, habe ich ein ungutes Gefühl bekommen. Es hat auch keine fünf Minuten gedauert, und schon ist der Wirbel los gegangen. Der/die MinisterIn _ _ _ _ hat nämlich gesagt, dass Österreich ein Asylanten-Eldorado sei. Na da hättest du die Doris aber hören sollen. Die hat dem/der MinisterIn gewünscht, dass er/sie sich einmal zwei Wochen in unser Asylantenheim setzen muss. Zusammen mit dem _ _ _ _ und der _ _ _ _ in ein Zwölf-Quadratmeterzimmer. Klo auf dem Gang und Brausen nach Minuten, damit sie nicht zuviel Warmwasser verpritscheln. Und essen müssen sie jeden Tag Fertiggerichte aus der Aluminiumschale, bis sie sich vor Ekel schütteln. Einmal in der Woche einen Dolmetscher für zehn Minuten, da dürfen sie dann ihre Wünsche vorbringen, die ihnen weder Quartiergeber noch Hilfsorganisation erfüllen.
Die Doris hat sich so in Rage geredet, dass sie schon einen ganz dicken Hals bekommen und schlussendlich beschlossen hat, dass sie Terroristin wird. Sie meint, das ist die einzige anständige Antwort auf das Fuhrwerken der ganzen „Arschlöcher“. (Entschuldige liebe Tante, aber sie hat wirklich dieses böse Wort gesagt.)
Ich unterstütze die Doris natürlich, wo ich kann, und habe mich auch schon zu einem Sprengmeisterkurs beim BFI angemeldet. Denn wenn schon Terrorist, dann will ich das auch ordentlich machen. Nichts Peinlicheres als eine Bombe, die einem selbst um die Ohren fliegt. Das Blöde ist nur, dass wir jetzt den neuen Saustall kriegen, und ich da die Doris noch dringend gebraucht hätte. Aber die sitzt schon die ganze Woche an ihrem Schreibtisch und denkt sich Logos für ihre Bekennerbriefe aus. Ich lass sie halt einmal. Vielleicht wird es ihr eh bald fad. *
Andi Wahl
[Anm. Dieser Text ist ein nach wie vor aktueller Beitrag Andi Wahls zur KulturKultur-Kolumne, der zuerst in Heft 4/2004 erschienen ist.]