Von Omaru bis Omofuma. Zur Kritik rassistischer Gewalt filmischer Repräsentation.

<p><b>Konstruktion von Weißsein</b><br /> <br /> Vida Bakondy und Renée Winter haben mit ihrer Studie „Nicht alle Weißen schießen.“ Afrika-Repräsentationen im Österreich der 1950er Jahre im Kontext von (Post)Kolonialismus und (Post-)Nationalsozialismus eine dichte und vielschichtige Untersuchung zu Produktion, Rezeption und Kontinuität rassistisch motivierter Gewalt vorgelegt. Am Beispiel des Films Omaru – eine afrikanische Liebesgeschichte erarbeiten sie eine

Konstruktion von Weißsein

Vida Bakondy und Renée Winter haben mit ihrer Studie „Nicht alle Weißen schießen.“ Afrika-Repräsentationen im Österreich der 1950er Jahre im Kontext von (Post)Kolonialismus und (Post-)Nationalsozialismus eine dichte und vielschichtige Untersuchung zu Produktion, Rezeption und Kontinuität rassistisch motivierter Gewalt vorgelegt. Am Beispiel des Films Omaru – eine afrikanische Liebesgeschichte erarbeiten sie eine präzise Analyse von Produktion/sbedingungen, Bedeutungsproduktion und Rezeption/sbedingungen der für das Selbstverständnis im Österreich der Nachkriegszeit konstitutiven rassistisch/sexistischen Diskurse. Die Autorinnen stellen ihre filmgeschichtliche Forschung ins Spannungsfeld zeitgenössischer Diskriminierung: „Einen unserer Ausgangspunkte für die Beschäftigung mit historischen Repräsentationen Schwarzer Menschen in Österreich bildete die Tötung Marcus Omofumas am 1.5.1999, während seiner Abschiebung durch die ihn begleitenden Polizisten [...].“ (Bakondy/Winter 2007:7) Ihre konsequent verfolgte Methode „Bilder nicht gesondert zu betrachten, sondern den Kontext (anderer, ähnlicher Bilder/Diskurse) mit zu bedenken, in den diese eingebettet sind“ (ebd. S. 7), eröffnet wertvolle Einblicke in die Kontinuitäten und Zusammenhänge der Konstruktion von Weißsein, das auf der Objektivierung und Unterwerfung (Schwarzer) „Anderer“ gründet.

Staatliche Begehrlichkeit

Der Film, der die Folie zur Erforschung der von Diskriminierung und Rassismus hervorgebrachten diskursiven Verkettungen bildet, war der Biennalebeitrag der jungen Zweiten Republik 1955 in Venedig. Damit kommt dem Streifen, der in der Forschung zur Geschichte des österreichischen Nachkriegsfilms fast völlig unbeachtet blieb, eine exemplarische Funktion im Prozess des postfaschistischen Nation-Building zu: „Insgesamt wurde das gesamte Projekt in der medialen Rezeption sinnstiftend für die Konstruktion nationaler Identität aufbereitet.“ (ebd. S. 171) Diese Identität erschließt sich in der Dekonstruktion als durchgehende Verschiebung libidinaler Besetzungen: Zwei ehemalige NSDAP-Mitglieder (ein Großwildjäger und ein Filmregisseur) versuchen eine „authentische afrikanische“ Erzählung ohne weiße SchauspielerInnen zu inszenieren. Afrika wird zur Projektionsfläche von österreichischem Großmut und eingebildeter Selbstlosigkeit und dient zur Entschuldung von faschistischer Kollaboration. „Einen Subtext des Films Omaru [...] kann so eine Erzählung über eine – hier nicht geglückte – Verführung unbedarfter ÖsterreicherInnen durch die Nazis darstellen.“ Dabei treiben die „Verführten“ ein, auf asymmetrische Machtbeziehungen basierendes, Spiel zur Verführung des (weißen) Publikums: Unter dem Deckmantel von „Kulturfilm“ und „Authentizität“ werden nackte Schwarze Frauen auf die Leinwand gebracht. Der Großwildjäger „entdeckt“ die weibliche Hauptdarstellerin, weil ihm ihr Busen so gut gefällt und „die Frage von Nacktaufnahmen für den Film [war] Bestandteil von Verhandlungen vor Beginn der Dreharbeiten.“ (ebd. S. 109)

Verhaftung der Anderen

Die Konstruktion weißer Handlungsmacht ist ohne Zurichtung der Anderen als porno-tropic der eigenen Imagination undenkbar. „Eine ebensolche Repräsentation weißer Frauen wäre in den 1950er Jahren in Österreich nicht möglich gewesen bzw. skandalisiert worden.“ (ebd. S. 77) Um die begehrten Bilder zu „schießen“, lässt sich der Regisseur einiges einfallen; er erzählt den Autorinnen: „Wir mussten uns mit dem Teleobjektiv einschleichen ins Bild.“ (ebd. S. 55) Staatstragende Jagd auf Menschen, die sich bemühen, dem Gewaltverhältnis zu entrinnen und ein Großwildjäger, der anlässlich der Flucht der Hauptdarstellerin und ihres Mannes Maßnahmen ergreift: „Die Expeditionstruppe setzte sich mit den Regierungsbehörden [...] in Verbindung, ‚versprach Prämien’ woraufhin die beiden gefesselt zurückgebracht wurden“ (ebd. S. 70). Der Expeditionsleiter formuliert das Begehren, das 1955 die Inszenierung österreichischer „Emanzipation“ ermöglichte: „Wir aber schätzen uns glücklich, im Reiche eines Despoten zu filmen“ (ebd. S. 70).

Blickwechsel

Vida Bakondy und Renée Winter gehen in der Dekonstruktion dieses beschämenden (und doch alltäglichen) Selbstverständnisses behutsam vor. Es geht ihnen nicht um plakative Anklage, sondern darum, „zu analysieren, durch welche Mittel, diskursiven Einordnungen und Prämissen in Omaru Authentizität als ‚diskursiver Effekt’ produziert wird.“ (ebd. S. 115) In der Bearbeitung des umfangreichen Materials wiederholen sie die diskriminierende Geste der Dokumente nicht; sie vermeiden es, die Opfer der Konstruktion von Weißheit in der Dekonstruktion erneut zu viktimisieren. Darum ist die Analyse filmischer Blick- strukturen ein Höhepunkt ihrer Untersuchung: Sie zeigen die Brüchigkeit der Inszenierung von Weißheit und legen im return of the look Spuren widersetzlicher Handlungsfähigkeit frei. „Zwar kehren direkte Blicke in die Kamera Machtbeziehungen nicht per se um, jedoch verweisen sie [...] auf die Inszenierung für die Kamera und stören dadurch auch das Ideal des ungestörten Voyeurismus.“ (ebd. S.132)

„Es gibt sehr schöne Kulturfilme,“ schrieb Siegfried Kracauer 1930, „aber ein bisschen langweilig sind sie alle.“ (ebd. S. 93) Dass die kritische Auseinandersetzung mit diesen Filmen alles andere als langweilig sein muss, haben Vida Bakondy und Renée Winter in ihrer antirassistischen Studie facettenreich und pointiert gezeigt.

Literatur

BAKONDY VIDA, WINTER RENÈE (2007): „Nicht alle Weißen schießen.“ Afrika-Repräsentationen im Österreich der 1950er Jahre im Kontext von (Post)Kolonialismus und (Post) Nationalsozialismus. Wien/Innsbruck. StudienVerlag

Tom Waibel lebt und arbeitet in Wien als Philosoph, Übersetzer und Text- und Filmarbeiter.