Zukunftsdialog#3: Zukunft der Arbeit und der Kultursektor

Die dritte Ausgabe der IG Kultur Steiermark Veranstaltungsreihe „Zukunftsdialoge“ hat sich in zwei Teilen mit dem Thema „Zukunft der Arbeit und der Kultursektor“ beschäftigt.

 

Die dritte Ausgabe der IG Kultur Steiermark Veranstaltungsreihe „Zukunftsdialoge“ hat sich in zwei Teilen mit dem Thema „Zukunft der Arbeit und der Kultursektor“ beschäftigt.

Zur Vorbereitung auf den Vortrag von Mag. Hans Holzinger fand am 8. Juni 2018 bei Kultur in Graz ein offener Lesekreis statt, der von Mag. Lidija Krienzer-Radojevic (IG Kultur Steiermark) moderiert wurde. Diskutiert wurden die Texte „Paying Artist: The Unfulfilled Promises of the MU Agreement“ von Erik Krikortz sowie „Art Workers Between Precarity and Resistence: A Genealogy“ von Carina Apostol – beide sind im Buch „Art Workers – Material Conditions and Labour Struggles in Contemporary Art Practice“ erschienen.

Anhand der beiden Texte wurde diskutiert, welche institutionellen Mechanismen genutzt werden können, um die soziale Lage und die Arbeitsbedingungen von Künstler_innen zu verbessern. Die kulturpolitische Debatte verengt sich meistens auf die Höhe der jährlichen Förderbudgets und konzentriert sich auf die Produktion von Kunst und Kultur – ohne jedoch deren Bedingungen zu thematisieren. In Schweden wurde mit dem MU Agreement versucht die Arbeitsbedingungen und die Entlohnung von ausstellenden Künstler_innen in öffentlichen Institutionen zu regulieren. Ziel des Abkommens war es, dass die Ausstellenden als professionelle Künstler_innen wahrgenommen und dementsprechend bezahlt werden. Dies soll dazu beitragen das der Kunstsektor demokratischer und diverser wird, weil so auch Menschen aus weniger privilegierten Schichten als Künstler_innen tätig sein könnten. Das MU Agreement umfasst einen schriftlichen Vertrag, der zwischen Künstler_in und Institution ausgehandelt werden muss, ein Mindesthonorar für die Ausstellung (exhibition fee) und die Bezahlung des Aufwandes vor, während und nach der Ausstellung (z.B Installation, Führungen etc.). Die aktivistische Künstler_innen Initiative „Reko“ hat das MU-Agreement 2010 und 2011 evaluiert. In ihren Berichten gelangen sie zum Schluss, dass das Abkommen von den schwedischen Kunstinstitutionen nicht befolgt wird. Nur 26% der Institutionen haben das vereinbarte Mindesthonorar oder mehr bezahlt. Den Hauptgrund dafür sieht die Initiative darin, dass das Nichteinhalten des Agreements keine negativen Konsequenzen hat. Deshalb fordern sie, dass die Arbeitsbedingungen bei öffentlichen Förderungen berücksichtigt werden. Für „Reko" stellt sich die Frage, was Künstler_innen Organisationen tun sollen, wenn sich in den nächsten zwei Jahren nichts tut. Wären massive Proteste oder sogar Streiks mögliche Optionen?

In der Geschichte finden sich zahlreiche Beispiele in denen Künstler_innen ihre Vereinzelung überwinden konnten und sich kollektiv organsiert haben. Corina L. Apostol hat in ihrem Artikel gezeigt, dass sich die Kämpfe der Kunstarbeiter_innen nicht nur um eine materielle Verbesserung ihrer Lebens- und Arbeitsbedingungen gedreht haben, sondern in Verbindung mit der Arbeiterbewegung versucht haben den gesellschaftlichen Status quo zu überwinden. Die unterschiedlichen historischen Organisationsformen fast sie unter dem Konzept der „Kunstarbeiter_in“ zusammen. Der Terminus verkörpert für sie ein kollektives, selbstorganisiertes, politisch bewusstes Projektes, das die Gesellschaft verändern kann. Als Beispiele für ihre These, beschreibt sie die Kämpfe der Künstler_innen von der Pariser Kommune 1871 bis hin zur 1968er Revolution. In der letzten Krise des Kapitalismus, die 2008 mit der Finanzkrise ihren Ausgang genommen hat, haben sich in den sozialen Bewegungen auch Künstler_innen beteiligt, um ihre prekäre Lebenssituation zu verbessern. Die von Apostol aufgezählten historischen Erfahrungen können zweifellos der heutigen Generation an Kunstarbeiter_innen helfen sich ihre eigene kollektive Evolution und Emanzipation vorzustellen. Doch angesichts des verschärften Neoliberalismus und der autoritären Wende muss die Frage heute lauten: Sind die Künstler_innen und Kulturarbeiter_innen dazu genügend organisiert und welche Formen von Widerstand können wir als Organisation gemeinsam entwickeln?

Der zweite Teil dieses Zukunftsdialogs fand am 28. Juni 2018 im Spektral statt. Mag. Hans Holzinger von der Robert Jungk Bibliothek für Zukunftsfragen in Salzburg hielt einen Vortrag zum Thema „Wie verändert die Digitalisierung die Arbeitswelt und bietet dies neue Chancen für den Kultursektor?“. Als Mitherausgeber der Zeitschrift PRO Zukunft und als Autor zahlreicher Studien und Bücher setzt er sich mit Themen wie die Zukunft der Arbeit und sozialen Sicherung bzw. neuen Wohlstandsmodellen auseinander. In seinem Vortrag hat er zuerst die Auswirkungen der Digitalisierung skizziert, um mögliche Chancen für den Kultursektor herauszuarbeiten. Er selbst sieht in der Digitalisierung – im Gegensatz zu vielen anderen – große Chancen, allerdings nur wenn Arbeit und soziale Sicherung neu gedacht werden. Immerhin sollen in den nächsten Jahren – je nach Studie – ca. 10% der Arbeitsplätze verloren gehen, was für Österreich bedeuten würde, dass ca. 400.000 Arbeitsplätze wegfallen würden. Die Wahrscheinlichkeit wegrationalisiert zu werden steigt je niedriger der Ausbildungsgrad ist, da analytische-kreative Tätigkeiten am wenigsten betroffen sind. Der Prozess der Digitalisierung vollzieht sich als die vierte Phase der industriellen Revolution. In jeder Phase sind durch tiefgreifende technische Innovationen wie z.B die Dampfmaschine zahlreiche Berufe weggefallen, aber auch neue geschaffen worden. Die Einführung des Computers hat zu einer enormen Produktivitätssteigerung geführt, die jedoch im kapitalistischen Wirtschaftssystem nicht zu einer generellen Arbeitszeitverkürzung führt, stattdessen steigt die Anzahl der Teilzeitjobs. Diese Arbeitsverhältnisse können laut Holzinger nicht automatisch mit prekären Lebensverhältnissen gleichgesetzt werden, da es auch Menschen gibt, die es sich leisten können nicht länger arbeiten zu müssen. Die Miniaturisierung elektronischer Bauteile ermöglicht es multifunktionale Geräte herzustellen, so ersetzt Google Maps am Smartphone ein GPS-Gerät zur Navigation. Durch Plattformen im Internet wie z.B Uber entstehen neue Konkurrenzverhältnisse und werden (wie bei Airbnb) Bereiche vermarktet, die bisher nicht zugänglich waren. Diese Plattformen verdienen durch die Vermittlung von Anbieter und Nachfrager Geld und benötigen dazu kaum eigene Infrastruktur. Diese Entwicklung findet Holzinger nicht per se schlecht, da es so Menschen mit geringerem Einkommen möglich wäre mit dem Taxi oder auf Urlaub zu fahren. Eine neue Entwicklung ist die „Crowd Work“ oder „Gig-Economy“, wobei kleinere Aufträge über eine Onlineplattform vergeben werden. Beispielsweise wird die Gestaltung eines Plakates nicht lokal vergeben, sondern an den billigsten Anbieter auf der Plattform. Unternehmen sourcen also Tätigkeiten direkt an prekäre Selbstständige aus. In diesem Bereich für faire Arbeitsbedingungen zu sorgen wäre Aufgabe der Gewerkschaften.

Den letzten Teil seines Vortrages leitete Holzinger mit dem berühmten Zitat von Karl Marx ein: „heute dies, morgen jenes zu tun, morgens zu jagen, nachmittags zu fischen, abends Viehzucht zu treiben, nach dem Essen zu kritisieren, wie ich gerade Lust habe, ohne je Jäger, Fischer, Hirt oder Kritiker zu werden“. Auch John M. Keynes ist davon ausgegangen, dass die Menschen um das Jahr 2000 nur noch 3-4 Stunden am Tag arbeiten werden müssen. Damit die Digitalisierung nicht zum Verlust von Arbeitsplätzen führt müsste, so Holzinger, die gesetzliche Arbeitszeit reduziert werden und so würde auch die Produktivitätssteigerung fair verteilt werden. Eine andere Möglichkeit wäre es ein bedingungsloses Grundeinkommen einzuführen, dass aus der digitalen Dividende (Gewinn aus Rationalisierungsmaßnahmen) finanziert wird. Jobs im Kultursektor könnten ebenfalls aus dieser Dividende bezahlt werden, da es ein öffentliches Interesse daran gibt, diesen Bereich zu erhalten. Abschließend betonte er noch einmal, dass für ihn die Grundvoraussetzung für eine positive Entwicklung durch die Digitalisierung die Abschöpfung bzw. Umverteilung der digitalen Dividende sei.

Bei der anschließenden Diskussion wurde kritisch angemerkt, dass durch die Digitalisierung eine enorme Machtkonzentration in Form großer transnationaler (Medien-)Konzerne entstanden ist, die der Abschöpfung der digitalen Dividende entgegensteht. Zudem würde in der Politik Visionslosigkeit vorherrschen, da Lohnarbeit immer noch als alleiniger sinnstiftender Faktor betrachtet wird. Der Kultursektor bietet die Möglichkeit diese Lücke zu füllen, indem sich Menschen in Kulturvereinen engagieren können und so sozial eingebunden sind und Anerkennung erfahren. Dabei ist die Frage nach dem Wert von Kulturarbeit an sich aufgekommen. Ist Kulturarbeit Erwerbsarbeit oder zivilgesellschaftliches Engagement? Das Problem ist, dass Kulturarbeit zwar einen gesellschaftlichen Mehrwert bringt, aber im ökonomischen Sinn keinen Mehrwert produziert. Da viele Menschen sich ihr Einkommen im Kulturbereich erarbeiten und keine andere Lohnarbeit verrichten wollen, kann die Lösung nicht sein, dass Kulturarbeit rein als Ehrenamt gesehen wird – darüber waren sich alle Beteiligten einig.