Gesucht: Realistische Arbeitsbedingungen und Planungsperspektiven für freie Kulturarbeit angesichts COVID-19

Die Ankündigungen zu möglichen Lockerungen für den Kunst- und Kulturbereich haben viel Verwirrung und Unverständnis ausgelöst. Sie geben keine Perspektive, ab wann wieder unter realistischen Bedingungen die Arbeit aufgenommen werden kann. Die IG Kultur Österreich hat daher ein Diskussionspapier erarbeitet, das zentrale Fragestellungen und Handlungsnotwendigkeiten aus Perspektive der freien Kulturinitiativen und spartenübergreifenden Kulturarbeit identifiziert.

Es basiert zum Einen auf den zahlreichen Anfragen, die uns tagtäglich erreichen und zeigt damit auf, in welchen Bereichen es gilt Rechtssicherheit für in Kunst und Kultur Tätige herzustellen. Zum Anderen benennt es aber Fragen aus unserer Beratungspraxis zur Planungsperspektive, die zu nachvollziehbarem Unverständnis ob der Ungleichbehandlung des Kulturbereichs im Vergleich zu anderen Sektoren allgemein, sowie der Ungleichbehandlung nicht-gewinnorientierter Kulturarbeit im Vergleich zu kommerziell ausgerichteten Tätigkeiten im Speziellen führen. Dass gemeinnützige Kulturarbeit ebenso Arbeitsplätze sichert, Fixkosten zu bestreiten hat, niederschwelligen Zugang zu professionellen Kulturproduktionen ermöglicht und damit ein Fundament der kulturellen Infrastruktur Österreich stemmt, ist hinlänglich bekannt. 

Wir wollen keine Sonder- oder Ausnahmeregelungen für den Kulturbereich, sondern Rahmenbedingungen die es ermöglichen, im gleichen Maße und unter den gleichen abgestimmten Bedingungen die Tätigkeiten wieder aufzunehmen, wie andere Wirtsschafts-/Sektoren auch. Alles andere würde den Eindruck rechtfertigen, dass Kunst und Kultur ein untergeordneter Stellenwert für das Wohlergehen der Gesellschaft beigemessen wird und ein Signal der Geringschätzung aussenden. 

 

Disclaimer: Der Informationsstand ändert sich kontinuierlich, fast täglich werden bei Presse­konferenzen neue Ankündigungen gemacht, die noch nicht bzw. erst nachträglich rechtlich umge­setzt oder auch zurückgenommen werden. Ein Vorgehen, dass massiv zur Verunsicherung beiträgt und keine Planungssicherheit ermöglicht. Entsprechend kann auch diese Analyse nur eine Moment­auf­nahme sein, die vom aktuellen Informationsstand (28.4.2020) ausgeht. Zur besseren Nachvollziehbarkeit wird am Anfang jedes Absatzes stets angeführt, worauf sich die Ausführungen beziehen.

 

Überblick

1. Vereinstätigkeit zur Sicherung der Kultur- und Medienvielfalt zulassen

à Gleichstellung von ehrenamtlicher und berufliche Tätigkeit unter denselben Bedingungen.
à Herstellung von Rechtssicherheit für ehrenamtliche erbrachte Vereinstätigkeit.

2. Gemeinnützige Kultureinrichtungen analog zu Gewerbebetrieben schrittweise öffnen

à Ausweitung aller bestehenden sowie geplanten Regelungen zur schrittweisen Öffnung für Gewerbebetriebe für Kund*innen-Betrieb auf alle gemeinnützige Einrichtungen, die vergleichbare Leistungen erbringen, unter denselben Bedingungen.

3. Richtigstellung der irreführenden Ankündigungen zu Probenbetrieb und Vorbereitungsarbeiten

à Angesichts der positiven gesundheitspolitischen Entwicklung, besteht kein nachvollziehbarer Handlungsbedarf, die geltenden Bestimmungen zur Zulässigkeit von Probentätigkeiten zu beruflichen Zwecken zu verschärfen.

4. Keine Unterscheidung zwischen „professioneller“ und „nicht-professioneller“ Kulturtätigkeit

à Eine Abgrenzung zwischen professionellem und nicht-professionellem Bereich im Kulturbereich ist weder möglich noch sinnvoll und folglich abzulehnen. Sie verkennt nicht nur die Arbeitsrealitäten insbesondere in der freien Kulturarbeit und verunmöglicht zahlreiche künstlerische Tätigkeiten und Produktionen, sondern lässt sich auch nicht seriös juristisch fassen, geschweige denn umsetzen bzw. exekutieren.

5. Ermöglichung von Kunst- und Kulturvermittlung sowie Bildungsarbeit

à Sofortige Öffnung des Einzelunterricht an Musik-/Kunstschulen, Universitäten und Bildungseinrichtungen, sowie des Einzelunterricht von Künstler*innen, die nicht an solche Einrichtungen angebunden sind, sofern die erforderlichen Sicherheitsbestimmungen eingehalten werden können.

6. Planungssicherheit für Veranstaltungsbetrieb ab 1. Juli 2020 in Abstimmung mit dem Sektor schaffen

à Einbeziehung von Interessenvertretungen und Akteur*innen in Vorbereitung der Bedingungen für Veranstaltungen ab 1. Juli 2020.
à Schaffung finanzieller Sicherheit und Perspektiven, solange keine realistischen Planungsperspektiven gegeben werden können, insbesondere:
à Sofortige Umsetzung der angekündigten „Soforthilfe“ für gemeinnützige Organisationen
à Ausweitung der bestehenden Unterstützungsfonds auf alle in Kunst und Kultur Tätigen sowie Verlängerung des Zeitraums, für den Unterstützung gewährt wird (Unterstützung für maximal drei Monate ist keine Perspektive).

 

 

1. Vereinstätigkeit zur Sicherung der Kultur- und Medienvielfalt


Aktuelle Rechtslage: Laut der Verordnung gemäß § 2 1 des COVID-19-Maßnahmengesetzes ist das Betreten öffentlicher Orte nur zu bestimmten angeführten Zwecken erlaubt, etwa Betretungen, „die für berufliche Zwecke erforderlich sind und sichergestellt ist, dass am Ort der beruflichen Tätigkeit zwischen den Personen ein Abstand von mindestens einem Meter eingehalten werden kann, sofern nicht durch entsprechende Schutzmaßnahmen das Infektionsrisiko minimiert werden kann. … Dabei ist darauf zu achten, dass eine berufliche Tätigkeit vorzugweise außerhalb der Arbeitsstätte erfolgen soll, sofern dies möglich ist und Arbeitgeber und Arbeitnehmer darüber ein Einvernehmen finden.“
 

Laut aktueller Rechtslage dürfen Orte wie z.B. Büros oder Vereinslokale nicht zu anderen als beruflichen Zwecken betreten werden, also auch nicht für ehrenamtliche Arbeit. Es kommt zu einer bewussten Ungleichbehandlung zwischen beruflicher und ehrenamtlicher Tätigkeit– ungeachtet dessen, ob Handlungen in Vereinslokalen erforderlich sind (z.B. erforderliche Sanierungs- oder Aufräumarbeiten, z.B. Buchhaltungssoftware nur vor Ort verfügbar) oder zu welchen Zwecken die Vereinsinfrastruktur benötigt wird (z.B. ehrenamtlich betriebene Werkstätten, Studios und Ateliers, ehrenamtliche Medienproduktion, Gemeinschaftsküchen, etc.). Hier bedarf es einer Regelung, die ehrenamtliche Arbeit unter denselben Bedingungen wie Berufstätigkeit gestattet. Die mangelhafte aktuelle Regelung bietet zwar viel Interpretationsspielraum, aber auch Rechtsunsicherheit.

Die ungleiche Behandlung von beruflicher Tätigkeit und ehrenamtlicher Tätigkeit ist auch ein Eingriff in die Medienfreiheit: Ehrenamtliche Radiomacher*innen z. B. eines freien Radios dürfen die Tonstudios des Radios nicht betreten und somit nicht (auch nicht allein, was sachlich nicht gerechtfertigt ist) Sendungen live abwickeln oder in den Studios des Radios vorproduzieren. Bezahlte Mitarbeiter*innen schon.
 

Handlungsbedarf:

à Gleichstellung von ehrenamtlicher und berufliche Tätigkeit unter denselben Bedingungen.

à Herstellung von Rechtssicherheit für ehrenamtliche erbrachte Vereinstätigkeit.

 

 

2. Betriebsstätten gemeinnütziger Kultureinrichtungen analog zu Gewerbebetrieben schrittweise öffnen


Aktuelle Rechtslage: Gemäß der Verordnung betreffend vorläufige Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 darf seit 14. April der Kund*innenbereich von „Betriebsstätten des Handels, die dem Verkauf, der Herstellung, der Reparatur oder der Bearbeitung von Waren dienen“ wieder geöffnet werden, sofern der Kund*innenbereich im Inneren maximal 400 m² beträgt, unter Einhaltung der Sicherheitsbestimmungen (20 m² pro Kund*in, Bedeckung von Nase und Mund) wieder betreten werden. Dies gilt unter anderem für gewerbliche Buchhandlungen und gewerbliche Galerien (mit Verkauf).
 

Die aktuellen Regelungen gelten nicht für Vereine, die dieselben Leistungen ohne geschäftliche Tätigkeit erbringen bzw. auf gemeinnütziger Basis agieren. Lediglich für Museen, Büchereien, Bibliotheken (ausgenommen Lesesäle) und Ausstellungshäuser wurde angekündigt, dass diese ab 18. Mai wieder öffnen dürfen, sodass diese Ungleichbehandlung zumindest ab Mitte Mai behoben ist. Für andere Bereiche besteht sie weiterhin, etwa nicht-kommerziell betriebene Werkstätten, Studios, Arbeitsgemeinschaften oder Verleiheinrichtungen.

Ab 1. Mai sollen zudem Dienstleistungsbetriebe wieder öffnen dürfen(mit Ausnahme von Freizeit, Gastronomie und Tourismus) und die 20m2-Vorgabe auf 10m2 Verkaufsfläche pro Kund*in reduziert werden. Ab Mitte Mai soll zudem die Gastronomie wieder unter Auflagen öffnen dürfen. Für die Öffnung von Vereinslokalen für die Öffentlichkeit ist offenbar keine Regelung vorgesehen. Es bedarf einer Regelung, die eine Öffnung nicht gewerblich betriebener Einrichtungen und Leistungen unter denselben Bedingungen wie für Gewerbebetriebe ermöglicht.
 

Handlungsbedarf:

à Ausweitung aller bestehenden sowie geplanten Regelungen zur schrittweisen Öffnung für Gewerbebetriebe für Kund*innen-Betrieb auf alle gemeinnützige Einrichtungen, die vergleichbare Leistungen erbringen, unter denselben Bedingungen. Eine Differenzierung zwischen gewinn- und nicht-gewinnorientierter Leistungserbringung istnicht nachvollziehbar und angesichts der wirtschaftlichen Lage, in der sich nun viele Menschen in Österreich in Folge der Krise befinden (über 500.000 Arbeitslose, über 1 Million Arbeitnehmer*innen in Kurzarbeit) auch nicht sozial vertretbar;

 

 

3. Richtigstellung der irreführenden Ankündigungen zu Probenbetrieb und Vorbereitungsarbeiten


Aktuelle Rechtslage: Laut der Verordnung gemäß § 2 1 des COVID-19-Maßnahmengesetzes ist das Betreten öffentlicher Orte nur zu bestimmten angeführten Zwecken erlaubt, etwa Betretungen, „die für berufliche Zwecke erforderlich sind und sichergestellt ist, dass am Ort der beruflichen Tätigkeit zwischen den Personen ein Abstand von mindestens einem Meter eingehalten werden kann, sofern nicht durch entsprechende Schutzmaßnahmen das Infektionsrisiko minimiert werden kann. … Dabei ist darauf zu achten, dass eine berufliche Tätigkeit vorzugweise außerhalb der Arbeitsstätte erfolgen soll, sofern dies möglich ist und Arbeitgeber und Arbeitnehmer darüber ein Einvernehmen finden.“
 

Daraus lässt sich ableiten, dass ein Probenbetrieb zu beruflichen Zwecken(z.B. im Theaterbereich für Streaming-Aufnahmen oder zur Vorbereitung von Stücken, die im Sommer/Herbst zur Aufführung kommen sollen), bei Einhaltung der erforderlichen Sicherheitsmaßnahmen aktuell zulässig ist. Ankündigungen, dass Proben „im professionellen Bereich“ erst ab Mitte Mai zulässig sein sollen, suggerieren, dass diese aktuell nicht gestattet wären. Hierfür gibt es aktuell aber keine Rechtsgrundlage. Ob Proben angesichts des bestehenden bzw. angekündigten Veranstaltungsverbots für die Kultureinrichtungen sinnvoll sind, können nur diese entscheiden.

à Angesichts der positiven gesundheitspolitischen Entwicklung, besteht kein nachvollziehbarer Handlungsbedarf, die geltenden Bestimmungen zur Zulässigkeit von Probentätigkeiten zu beruflichen Zwecken zu verschärfen.
 

Nach der Ankündigung im Rahmen der Pressekonferenz zum weiteren Fahrplan für Kunst und Kultur, dass ab 18. Mai wieder Einzelproben und ab 1. Juni wieder Gruppenproben im „professionellen Bereich“ zulässig sein sollen, hat die IG Kultur Österreich das BMKOES mit der fehlenden Rechtsgrundlage konfrontiert. Nun wurde auf der Webseite des Kulturressorts klargestellt: „Professionelle Proben gelten als Berufsausübung. Hier sind die Verhaltensregeln für den Arbeitsplatz anzuwenden, d.h. der Mindestabstand von einem Meter ist einzuhalten. Bei Unterschreitung des Abstands sind andere Maßnahmen zu treffen, um das Infektionsrisiko zu minimieren (z.B. Tests oder mechanische Barrieren).“

 

 

4. Keine Unterscheidung zwischen „professioneller“ und „nicht-professioneller“ Kulturtätigkeit


Ungeachtet der Richtigstellung des Kulturressorts, dass Proben bzw. allgemein Arbeiten zu beruflichen Zwecken selbstverständlich auch in Kunst und Kultur zur Zeit zulässig sind (siehe oben), bleibt die Problematik bestehen, dass zwischen „beruflicher“ und „nicht beruflicher Tätigkeit“ differenziert werden soll – bzw. allgemeiner formuliert, dass zwischen „professionellem Bereich“ und „Amateurbereich“ unterschieden werden soll. Diese angestrebte Differenzierung wurde bei der Pressekonferenz auch im Hinblick auf weitere Lockerungen mehrfach betont.

Eine Abgrenzung zwischen professionellem und nicht-professionellem Bereich im Kulturbereich ist weder möglich noch sinnvoll und folglich abzulehnen. Sie verkennt nicht nur die Arbeitsrealitäten insbesondere in der freien Kulturarbeit und verunmöglicht zahlreiche künstlerische Tätigkeiten und Produktionen, sondern lässt sich auch nicht seriös juristisch fassen, geschweige denn umsetzen bzw. exekutieren.

Hierzu zählt beispielweise (die Liste an Argumentationen ließe sich fortsetzen):

  • Ein hoher Anteil professioneller Kulturarbeit wird ehrenamtlich erbrachtbzw. muss mangels finanzieller Mittel unentgeltlich erbracht werden. Ob Bezahlung der Mitwirkenden möglich ist, lässt sich vielfach erst im Nachhinein feststellen. Die Absicht, Einkünfte aus einer Tätigkeit zu erzielen, ist folglich kein geeignetes Kriterium, um professionelle von nicht-professioneller künstlerisch-kultureller Tätigkeit zu unterscheiden.
    Zudem würde das Erfordernis der Bezahlung dazu führen, dass mangels verbindlicher Mindeststandards die Entlohnung noch weiter ins lächerlich Niedrige abrutschen würden und katastrophale Standards akzeptiert werden müssten, nur um künstlerisch-kulturell tätig sein zu dürfen.
  • Grundsätzlich sagt die Absicht aus einer Tätigkeit Einnahmen zu erzielen, nichts darüber aus, ob eine Produktion professionell ist oder nicht – weder auf Seiten der mitwirkenden Künstler*innen und technischen wie organisatorischen Teams, noch auf Seiten der Veranstalter*innen:Viele Kultureinrichtungen und -stätten bieten ihr Programm ausschließlich bei freiem Eintritt oder gegen freie Spende an. Ob diese nicht planbaren freien Spenden für die wirtschaftliche Gesamtbetrachtung der Veranstalter*innen relevant sein werden, lässt sich vorab nicht einschätzen. Das Abstellen auf eine Gewinnabsicht diskriminiert alle Kultureinrichtungen, die ihr Programm unentgeltlich anbieten. Angesichts der aktuellen wirtschaftlichen Lage (über 500.000 Arbeitslose, über 1 Million Arbeitnehmer*innen in Kurzarbeit) würde ein solches Kriterium die gesellschaftlichen Teilhabechancen massiv weiter ungleich verteilen.
  • Kunstproduktion ist fast immer eine Risikoinvestition. In vielen Bereichen ist es schlicht unmöglich vorab einzuschätzen, ob daraus je Erträge erzielt werden können oder nicht. Ein typisches Beispiel wären Musikproben und -produktionen von Bands, die ihren Durchbruch noch nicht geschafft haben und auf eigene Kosten und eigenes Risiko Musikproduktionen vorbereiten. Ob sie damit Erfolg haben werden, kann niemand vorhersehen. Auch sie brauchen die Möglichkeit, weiterhin proben zu können, wenn das Kulturleben in Österreich nicht verarmen soll.
  • Grundsätzlich wäre der gesamte Bereich der Aus- und Weiterbildung, der Nachwuchsförderung sowie der Karriereentwicklung massiv eingeschränkt bzw. mit erheblicher Rechtsunsicherheit konfrontiert. So ist etwa für Studierende von Kunst-, Musikuniversitäten sowie vergleichbaren Bildungsangeboten die Möglichkeit, weiterhin Proben zu können, zentral für den Erhalt und die Weiterentwicklung der künstlerischen Fertigkeiten. Ebenso relevant ist dies aber auch beispielsweise für alle Personen, die sich auf Aufnahme- bzw. Zulassungsprüfungen an Universitäten und ähnlichen Einrichtungen vorbereiten müssten.
  • Schließlich drohen mögliche Kriterien zur Abgrenzung zwischen „professioneller“ und „nicht-professioneller“ Kulturarbeit auch in die Kunstfreiheit einzugreifen. Bei vielen professionellen Produktionen ist die Zusammenarbeit mit „nicht-beruflichen“ Akteur*innen ein integraler Bestandteil der künstlerischen Praxis bzw. des künstlerischen Konzepte, beispielsweise im Theaterbereich, bei Dokumentar-/Filmproduktionen, oder im Musikbereich, wenn sich Bands aus „Berufsmusiker*innen“ und anderen zusammensetzen, etc.
  • Zentral ist letztlich auch die Frage, wer in der Praxis die Unterscheidung zwischen „professionellem“ und „nicht-professionellem“ Bereich vornehmensollte und entsprechend Befugnis erhält, dies zu kontrollieren, zu entscheiden und zu ahnden (die Polizei? die Bezirksverwaltungsbehörden? neu zu schaffende Kommissionen im Kulturministerium?). Ohne massiven Verwaltungsmehraufwand wird dies nicht zu bewerkstelligen sein.

Aus all diesen Gründen ist eine Unterscheidung zwischen professioneller und nicht-professioneller Kulturarbeit weder sinnvoll noch zielführend. Der Gesetzgeber kann und wird aus gesundheits­politischen Gründen regulieren, welche Sicherheitsbestimmungen im öffentlichen Raum und in Betriebsstätten einzuhalten sind. Auch der Kulturbereich wird sich weiterhin an diese Bestimmungen halten. 

Angesichts der aktuell positiven gesundheitspolitischen Entwicklung, ist aus aktueller Sicht nicht nachvollziehbar, warum für den Kunst- und Kulturbereich nun Verschärfungen kommen sollten. Um Proben im Amateurbereich zu unterbinden, müssten zudem etwa Aktivitäten in privaten Räumlichkeiten untersagt werden oder Freizeitaktivitäten eingeschränkt werden. Ein Eingriff in die Grundrechte, der nicht zu rechtfertigen wäre.
 

Handlungsbedarf

à Keine Unterscheidung zwischen professioneller und nicht-professioneller Kulturarbeit.

 

 

5. Ermöglichung von Kunst- und Kulturvermittlung sowie Bildungsarbeit


Der gesamte Bereich der Bildungsarbeit, wie Kunst- und Kulturvermittlung, Workshops, Kurse und Unterrichtstätigkeit stellt eine zentrale Säule der (Neben)Einkommen von Künstler*innen als auch Kulturvereinen dar. Zur Erwachsenenbildung gibt es bislang jedoch keine Ankündigungen.

Hier ist darauf zu achten, dass keine Ungleichbehandlung zwischen gewerblichen und gemeinnützigen Bildungsträger*innen entsteht.

Wenn ab 1. Mai auch wieder persönliche Dienstleistungen (z.B. Friseur, Fußpflege, etc.) unter Auflagen zulässig sein sollen, sollte dies mindestens ebenso für Unterricht an Musik-/Kunstschulen, Universitäten und Bildungseinrichtungen allgemein sowie Unterrichtsangebote von Einzelpersonen gelten – unter Einhaltung der erforderlichen Sicherheitsbestimmungen.
 

Handlungsbedarf

à Sofortige Öffnung des Einzelunterricht an Musik-/Kunstschulen, Universitäten und Bildungseinrichtungen, sowie des Einzelunterricht von Künstler*innen, die nicht an solche Einrichtungen angebunden sind, sofern die erforderlichen Sicherheitsbestimmungen eingehalten werden können.

 

 

6. Planungssicherheit für Veranstaltungsbetrieb ab 1. Juli 2020 in Abstimmung mit dem Sektor schaffen


Aktuelle Ankündigungen: Veranstaltungen sollen grundsätzlich bis 30. Juni 2020 untersagt sein, um Menschenansammlungen zu vemeiden, wie die FAQs des BMKOES zu Auswirkungen des Coronavirus auf Kunst und Kulturanführen. Davon ausgenommen sind Veranstaltungen mit bis zu 10 Personen im öffentlichen Raum, bei denen der Mindestabstand von 1 Meter eingehalten wird. Zusätzlich sollen, so die Ankündigung bei der Pressekonferenz, Großveranstaltungen bis 31. August 2020 verboten sein werden, etwa Musikfestivals und Stadtfeste bzw. alle Veranstaltungen, bei denen „viele Menschen eng zusammen stehen“.

Welche Veranstaltungen unter welchen Bedingungen ab 1. Juli 2020 möglich sind, erscheint momentan reine Spekulation – im Wesentlichen abhängig von der Entwicklung der gesundheitspolitischen Zielen zur Eindämmung des Corona-Virus. Für den Kulturbereich ist dies eine Katastrophe. Es brauchtein Mindestmaß an Planungssicherheit, um informierte Entscheidungen treffen zu können: Veranstaltungen brauchen Vorlaufzeiten, Probenarbeiten, Öffentlichkeitarbeit, etc. Jede weitere Verschiebung bedeutet Mehrkosten, die nicht abgedeckt sind. Dieses Mindestmaß an Planungssicherheit ist aktuell nicht vorhanden. Auch die Ankündigung, dass Großveranstaltungen bis 31. August untersagt sein sollen, wirft Fragen auf, etwa ab wie vielen Personen es sich um eine Großveranstaltung handelt.

Angedeutet wurde, dass sich Veranstaltungen ab 1. Juli 2020 an den geltenden Regelungen für Handelsbetriebe orientieren könnten, etwa an der Einschränkung, dass pro Person 10m2 zur Verfügung stehen müssen (wie aktuell für Geschäfte), 1-Meter Mindestabstand zwischen Personen gewährleistet sein muss, Mund-Nasen-Schutz getragen werden muss, etc.
 

Diskussionspunkte:

  • Realistische Kapazitätsbeschränkungen: Eine Anlehnung der Kapazitätsbeschränkungen an jene von Handelsgeschäften ist nicht nachvollziehbar: Warum eine 10m2-Vorgabe, die sich an Handelsgeschäften mit regem Kund*innenverkehr orientiert, während bei Veranstaltungen das Publikum meist stationär ist (Sitz-/Stehplätze) und keine Stellregale den Platz einschränken? Hier braucht es realistische Vorgaben.
  • Getrennte Vorgaben für Bühnen/Stage-Aktivitäten und Publikum: Für berufliche Tätigkeiten gelten bereits jetzt lockerere Bestimmungen als für Kund*innenbereiche. Dies wäre analog auf den Publikumsbereich zu übertragen, mit Sonderbestimmungen für das Geschehen auf der Bühne, bei Einhaltung von angemessenen Mindestabständen zwischen Bühne und Publikumsbereich. Auf der Bühne sollten maximal dieselben Vorgaben gelten, die auch für andere Arbeitsstätten gelten.
  • Klare Vorgaben an die Veranstalter*innen, welche Anforderungen an das Besucher*innen-Management gestellt werden. Wie bzw. ob dies umsetzbar ist, ob sich Veranstaltungen unter den vorgegebenen Bedingungen rentieren, sollte den Veranstalter*innen selbst überlassen werden (etwa durch Blockabfertigung bei Ein- und Auslass, Bodenmarkierungen etc.). Diese Fragen stellen sich nicht nur für den Veranstaltungsbetrieb, sondern etwa auch im Handel (vor Kassen) oder bei der Wiederaufnahme des Schulbetriebs. Unterschätzen sie nicht die Kreativität der Szene, klare Vorgaben nicht nur gewissenhaft, sondern auch kreativ umsetzen zu können!
  • Ebenso braucht es grundsätzlich eine Klärung der Haftungsfragen. Kann eine Haftung der Veranstalter*innen ausgeschlossen werden, wenn diese sich an die geltenden Vorgaben halten.
  • Klare Vorgaben für Indoor- und Outdoorveranstaltungen. Zu Letzterem gibt es bislang keine Anhaltspunkte, wie bzw. unter welchen Bedingungen Veranstaltungen im Freien über 10 Personen ab 1. Juli wieder zulässig sein könnten.

 

Wenn es aktuell nicht möglich ist, Planungssicherheit für Veranstalter*innen herzustellen, dann muss es zumindest finanzielle Perspektiven und Sicherheit geben– sowohl für die Kulturveranstalter*innen, als auch für die Künstler*innen, die von diesen Aufträge erhalten (bzw. nun eben nicht mehr erhalten). Hier fehlt es an Sicherheit: Für die Vielzahl der gemeinnützigen Trägerorganisationen des Kunst- und Kulturlebens gibt es bis heute – nach zwei Monaten Veranstaltungsverbot – keine finanzielle Unterstützung. Während ihre Erlöse auf unbestimmte Zeit vollkommen wegbrechen, laufen die Fixkosten (z.B. Mieten, Energie, Kommunikation) weiter. Für die individuellen Künstler*innen und Kulturarbeiter*innen wurden erste Unterstützungsfonds geschaffen, jedoch ausschließlich für einen Zeitraum von maximal drei Monaten. Eine Perspektive für all die Ausfälle, die sich über drei Monate ziehen werden, gibt es bislang nicht.
 

Handlungsbedarf:

à Einbeziehung von Interessenvertretungen und Akteur*innen in Vorbereitung der Bedingungen für Veranstaltungen ab 1. Juli 2020.

à Schaffung finanzieller Sicherheit und Perspektiven, solange keine realistischen Planungsperspektiven gegeben werden können, insbesondere:

à Sofortige Umsetzung der angekündigten „Soforthilfe“ für gemeinnützige Organisationen

à Ausweitung der bestehenden Unterstützungsfonds auf alle in Kunst und Kultur Tätigen sowie Verlängerung des Zeitraums, für den Unterstützung gewährt wird (Unterstützung für maximal drei Monaten ist keine Perspektive).

 

Das Diskussionspapier wurde Staatssekretärin Ulrike Lunacek sowie ihrem Kabinett zur Kenntnis gebracht. Es diente als Grundlage der Arbeitsgespräche der IG Kultur Österreich mit dem Ressort zum Fahrplan für weitere Lockerungen im Kunst- und Kulturbereich - mit Stand 28.4.2020. Angesichts der neuen Rechtslage ab 1. Mai 2020 (Erlass der COVID-19 Lockerungsverordnung) haben sich einige Punkte erübrigt, andere sind weiterhin gültig.