Wir fordern ein Ende des Veranstaltungsverbots am Karfreitag

 … und um dieses Unrecht wieder in den Diskurs zu bringen, veranstaltet der Kulturhof:Villach am Karfreitag, 7. April 2023, ein Konzert der deutschen Band Dÿse. Gegebenenfalls wird der Kulturhof:Villach seinen Verstoß gegen das Veranstaltungsverbot am Karfreitag in Kärnten/Koroška zur Selbstanzeige bringen, um eine Überprüfung dieser unzeitgemäßen, religiös begründeten Ungleichbehandlung und letztlich die Abschaffung des Veranstaltungsverbots zu erreichen.

Grundsätzliches zum Karfreitag

Seit 2019 ist der Karfreitag durch die Novelle BGB1. I Nr. 22/2019 kein Feiertag mehr für Arbeitnehmer*innen evangelischer, methodistischer und altkatholischer Religionszugehörigkeit. Am Karfreitag wird also fleißig gearbeitet und nach Feierabend kann auch gerne ein Konzert besucht werden. Zumindest ist das in allen Bundesländern Österreichs möglich, mit Ausnahme von Kärnten.

Ausnahme Kärntner Veranstaltungsverbot

Hier gilt auch im Jahre 2023 nach wie vor ein generelles Veranstaltungsverbot. Gleichso am Karsamstag bis 12 Uhr und am 24. Dezember. In den Bundesländern Burgenland, Niederösterreich, Salzburg, Wien und Tirol (sogar Tirol!) sind nur jene Veranstaltungen verboten, die geeignet sind, “religiöse Gefühle der Bevölkerung zu verletzen” bzw. “den Charakter dieser Tage stören”. In Vorarlberg sind lediglich Veranstaltungen von Lichtspielen eingeschränkt, sofern diese der Bedeutung des Karfreitags “abträglich” sind. In Oberösterreich und der Steiermark gibt es keine Sonderregelungen in den jeweiligen Veranstaltungsgesetzen.

Jedoch, wenn wir von einem “generellen” Veranstaltungsverbot in Kärnten sprechen, sind freilich folgende Veranstaltungen per Gesetz ausgenommen:

(2) Dieses Gesetz findet keine Anwendung auf:
    a) Veranstaltungen, die in die ausschließliche Zuständigkeit des Bundes zur Gesetzgebung fallen, wie etwa künstlerische und wissenschaftliche Sammlungen und Einrichtungen, Veranstaltungen des Bundesheeres in Erfüllung seiner gesetzlichen Aufgaben, Veranstaltungen der Bundespolizei in Erfüllung ihres gesetzlichen Auftrages, Veranstaltungen, die dem Glücksspielmonopol des Bundes unterliegen, Versammlungen im Sinne des Versammlungsgesetzes, Veranstaltungen, die Ausübung eines Glaubens, einer Religion oder einer Weltanschauung sind, das Halten von Spielen nach § 111 Abs. 4 Z 2 der Gewerbeordnung 1994 oder das Aufstellen von Mustern oder Waren durch befugte Gewerbetreibende im Rahmen ihres Gewerbes;
    b) Veranstaltungen von Schulen, Musikschulen, Heimen, Kindergärten und Horten oder von Schülern, Heimbewohnern und Kindern im Rahmen der genannten Einrichtungen und von Volksbildungseinrichtungen öffentlich-rechtlicher Körperschaften, sofern die Veranstaltungen Bildungszwecken dienen;
    c) Musikautomaten in gewerbebehördlich genehmigten Gastgewerbebetrieben in dem dafür vorgesehenen und genehmigten Umfang;
    d) die Ausstellung land- und forstwirtschaftlicher Erzeugnisse;
    e) die Erteilung von Tanzunterricht;
    f) die gewerbsmäßige Vermittlung und den gewerbsmäßigen
Abschluss von Wetten aus Anlass sportlicher Veranstaltungen (Totalisateur- und Buchmacherwettengesetz, LGBl. Nr. 68/1996);
    g) Veranstaltungen, die historisch im Brauchtum begründet sind, soweit sie ihrem Inhalt nach und hinsichtlich des Ortes und der Zeit ihrer Durchführung durch überliefertes Herkommen bestimmt sind;
    h) Veranstaltungen, die ausschließlich auf Straßen oder Plätzen mit öffentlichem Verkehr abgehalten werden, und die nach straßenpolizeilichen Bestimmungen anzeigepflichtig oder bewilligungspflichtig sind, es sei denn, dass hierfür entweder Gebäude nach der Kärntner Bauordnung 1996, LGBl. Nr. 62/1996, errichtet werden sollen oder es sich um Musikdarbietungen handelt, die nach § 6 Abs. 1 bewilligungspflichtig sind;
    i) die Durchführung von Peep-Shows, Stripteasevorführungen, Table-Dance und ähnliche erotische Tanzvorführungen oder Darbietungen soweit darauf das Kärntner Prostitutionsgesetz, LGBl. Nr. 58/1990, anzuwenden ist;
    j) den Betrieb von Sportstätten im Freien, für die keine baulichen oder technischen Einrichtungen erforderlich sind, wie insbesondere Naturrodelbahnen, Natureisbahnen auf natürlichen Gewässern, Loipen oder Golfplätze;
    k) Schipisten und deren Nebenanlagen;
    l) die Aufstellung und den Betrieb von Spielapparaten, sofern
es sich nicht um pratermäßige Veranstaltungen oder Veranstaltungen im Tourneebetrieb handelt;
    m) die Aufstellung und den Betrieb von Geldspielapparaten, Glücksspielautomaten und dergleichen;
    n) Glücksspiele nach § 4 Abs 1 des Glücksspielgesetzes;
    o) Spielplätze.

 

Ungleichbehandlung

Im Zusammenhang der Covid- Verordnungen Ende 2021 wurde vom VfGH , aufgrund eines Antrags mehrerer Kulturschaffender, festgestellt, dass das Betretungsverbot für Kultureinrichtungen im Herbst 2021 gleichheitswidrig war. Im Zeitraum vom 22. November 2021 bis 11. Dezember 2021 gab es einen bundesweiten Lockdown und die 5. Covid-19-Notmaßnahmenverodnung untersagte ausnahmslos das Betreten des Kund*innen-Bereichs von Kultureinrichtungen. Allerdings waren Zusammenkünfte zur gemeinsamen Religionsausübung vom Geltungsbereich der Verordnung ausgenommen. Der VfGH kam zu dem Schluss, dass es gleichheitswidrig war, Zusammenkünfte zur Religionsausübung in jeder Form von den Beschränkungen dieses Lockdowns auszunehmen. Die Ungleichbehandlung von Religion und Kunst konnte sachlich nicht gerechtfertigt werden. “In beiden Fällen kommt bestimmten Grundrechtsausübungen gemeinsam mit oder vor anderen Menschen wesentliche Bedeutung zu” - so der VfGH.

In der Vergangenheit gab es auch schon Bemühungen, das unzeitgemäße Veranstaltungsverbot aufheben zu lassen - vielen Kärntner*innen ist das “Geisterspiel” vom April 2012 auch heute noch in guter Erinnerung. Hier sorgte das gesetzliche Verbot für bundesweites Gespött. Es führte dazu, dass ein Eishockey-Länderspiel in Villach an einem Karfreitag unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden musste.

Verfassungswidrigkeit

Dass die Wahrscheinlichkeit groß ist, dass das Veranstaltungsverbot in Kärnten vom VfGH als verfassungswidrig erklärt wird, zeigt auch ein Urteil aus unserem Nachbarland. In Deutschland galt ein allgemeines Tanzverbot, das je nach Bundesland unterschiedlich ausgelegt wurde. 2016 entschied das Bundesverfassungsgericht, dass Artikel 5 des Bayerischen Feiertagsgesetzes mit der Weltanschauungsfreiheit und der Versammlungsfreiheit unvereinbar und damit nichtig ist. In München darf seither auf einer Party namens “Heidenspaß” getanzt werden.


"(Grenzen) der Kunstfreiheit"

Zwar ist die Kunstfreiheit im österreichischen Recht im Vergleich zu anderen Grund- und Menschenrechten in ihrer Formulierung vorbehaltlos garantiert. Das bedeutet aber nicht, dass sie schrankenlos ist, wenngleich daraus eine gewisse Bevorzugung gegenüber entgegenstehenden Rechten und Interessen abgeleitet werden kann. Ihre „immanenten“ Schranken findet sie nach der Judikatur dort, wo sie mit den sogenannten „allgemeinen Gesetzen“, die zum Schutz der Freiheiten und Rechten anderer, aber auch zum Schutz öffentlicher Interessen geschaffen wurden, in Konflikt gerät. Dann ist vom Gesetzgeber bei der Erlassung von Gesetzen und von Gerichten in bei ihnen anhängigen Fällen eine Interessenabwägung vorzunehmen, wobei zu prüfen ist, ob die nachteiligen Folgen der Verwirklichung der Kunstfreiheit schwerer wiegen als die künstlerischen Nachteile ihrer Nichtverwirklichung (Grundsatz der Verhältnismäßigkeit). Soweit wie möglich hat ein schonender Interessenausgleich zu erfolgen (Grundsatz der Konkordanz).” („Freiheit der Kunst im Konflikt“, Hannes Tretter)

Die abstrakte Möglichkeit, dass die Darbietung von Kunst in einem privaten Raum, welcher lediglich öffentlich zugänglich ist, wenn man sich aktiv dorthin begibt, das religiöse Empfinden von manchen Mitbürgern verletzen könnte und demnach generell verboten werden müsste, ist jedenfalls unverhältnismäßig und diese Regelung ist zu allgemein gehalten. Besonders fällt es hinsichtlich des Umstandes auf, dass etwa Prostitution oder Glückspiel, welche weit eher geeignet scheinen, das religiöse Empfinden zu stören bzw. dem Geist des Karfreitag abträglich zu sein, nicht von diesem Verbot umfasst sind.

Aufgrund der bereits vom VfGH festgestellten Gleichberechtigung der Kunst- und Religionsfreiheit, wäre diese Ungleichbehandlung sachlich nicht zu rechtfertigen und der Regelungsgehalt des Kärntner Veranstaltungsgesetzes hinsichtlich des Veranstaltungsverbotes am Karfreitag und am 24. Dezember  ist darüber hinaus viel zu weit gefasst und unbestimmt.

Das Kärntner Veranstaltungsverbot am Karfreitag und am 24. Dezember verstößt unserer Meinung nach gegen die Grundrechte der Kunstfreiheit, Meinungsfreiheit, Versammlungsfreiheit und Berufsfreiheit.

Im speziellen Fall der Veranstaltung am 07.04.2023 im Kulturhof:keller Villach, bei der Künstler aus Deutschland auftreten werden, würde das Verbot auch europarechtliche Garantien der Berufsfreiheit (Art15 GRC) bzw. Dienstleistungsfreiheit verletzen.

 

Quellen:

Kärntner Veranstaltungsgesetz 2010 RIS

Wieder Kritik an Tanzverboten am Karfreitag religion@ORF.at

„Persönlicher Feiertag“ bzw. einseitige Urlaubs­bekanntgabe Wirtschafskammer Österreich

COVID-Verordnungen von Ende 2021 in zwei Punkten gesetzwidrig Verfassungsgerichtshof

Heidenspaß-Party trotz Tanzverbot – hat die Kirche jetzt verloren? Süddeutsche Zeitung

Karfreitag! Der Kärntner Feiertag für Kirche, Glücksspiel und Prostitution. Niko Alm

Freiheit der Kunst im Konflikt UNESCO Kommission Österreich